„Wir wollen die ‚Bergische Sonne‘ unbedingt erhalten“
Der Rechtsanwalt Stephan Ries wurde als Insolvenzverwalter im Unternehmen ‚Waterworld – Bergische Sonne‚ eingesetzt. Ries wurde 1957 im hessischen Bad Wildungen geboren und lebt seit 1967 in Wuppertal. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern. In seiner Freizeit engagiert er sich im Cronenberger Heimat- und Bürgerverein und ist aktiv im Lions Club.
Herr Ries, wie steht es aktuell um die ‚Bergische Sonne‘?
Das Wetter könnte für uns etwas besser sein. Wir waren in den letzten Wochen schneebedingt öfter von der Außenwelt quasi abgeschnitten. Wir haben aber berechtigte Hoffnung auf höhere Besucherzahlen, wenn es jetzt wieder etwas wärmer wird. An den Tagen, an denen das Wetter gut war, konnten wir mit der Auslastung des Bades schon sehr zufrieden sein.
Schreibt die ‚Bergische Sonne‘ wieder schwarze Zahlen?
Wir können momentan vermutlich eine schwarze Null schreiben, sind aber noch nicht in der Lage, größere Investitionen vorzunehmen. Als Insolvenzverwalter muss ich derzeit keinen Kapitaldienst leisten, das heißt ich bin aktuell frei von Kreditrückzahlungen. Unser Ziel ist es, die Besucherzahlen so zu steigern, dass ein Käufer in Zukunft das Bad rentabel betreiben und mit zusätzlichen Eigenmitteln dann wirklich auch die in erheblichem Maße nötigen Investitionen tätigen kann.
Wie hoch sind die Chancen, dass die ‚Bergische Sonne‘ wieder auf eigenen Füßen stehen kann? Gibt es konkrete Kaufinteressenten?
Es gibt unter zwölf Bewerbern derzeit zwei Interessenten, von denen ich mir vorstelle, dass sie ernstlich als Käufer in Frage kommen. Spannend wäre aber auch, über ein Hotel auf dem Areal der ‚Bergischen Sonne‘ nachzudenken. Hier auf den Südhöhen mit der guten Verkehrsanbindung, dem entstehenden Engineering-Park und den vielen mittelständischen Unternehmen hätte ein solches Hotel durchaus Potential. Außerdem muss man sehen, dass man von hier aus in zehn Minuten die City von Elberfeld und die Stadthalle mit ihren Tagungsmöglichkeiten erreicht. Für ein höherwertiges Hotel neben der ‚Bergischen Sonne‘ spricht also einiges. Von weitergehenden Chancen, die sich durch die Kombination aus Hotel und benachbartem Spaß- und Wellnessbad hier ergeben, vorerst noch zu schweigen.
Wie gut Ihr Haus im Wettbewerb mit anderen Schwimm- und Spaßbädern in der Region aufgestellt?
Wenn die Angebotspalette etwas erweitert wird, kann die ‚Bergische Sonne‘ gegen die Wettbewerber sehr wohl bestehen. Das Bad ist mit dem PKW ausgezeichnet an das Fernstraßennetz angebunden und daher für Gäste aus dem Umland eine echte, gut erreichbare Alternative. Wir müssen ferner sehen, dass in Wuppertal die Schließung von fünf Schwimmbädern diskutiert wird. Deren Gäste werden nach Wasserflächen suchen und sie bei uns finden, auch wenn unser Angebot natürlich wesentlich hochwertiger und damit teurer als ein einfaches Schwimmbad ist.
Wie genau muss man sich die Arbeit eines Insolvenzverwalters vorstellen?
Ich sehe mich wie einen Arzt, der einen Ganzkörpercheck macht und eine genaue Diagnose aller Bereiche des Unternehmens vornimmt. Wir testen den „Patienten“ auf Herz und Nieren. Im konkreten Fall ist der Patient seit längerer Zeit krank.
Wir mussten feststellen: Angebotsqualität und Service hatten sich seit geraumer Zeit verschlechtert, während gleichzeitig die Preise immer weiter stiegen. Das Publikum nahm das nicht länger hin. Man muss ergänzend sagen, dass unser Haus ganz ursprünglich als reines Wellness-Bad konzipiert war. Ein so eingeschränktes Angebot war aber für sich allein nie tragfähig. Die früheren Eigentümer veränderten das Konzept deshalb nach und nach in Richtung Spaß- und Erlebnisbad. Das lief zwar recht gut, war aber nie so erfolgreich, dass damit auch die ursprünglichen Baukosten von 29 Millionen Euro vollständig hätten refinanziert werden können.
Werden Sie von der Belegschaft eher als Abwickler wahrgenommen oder als Retter in der Not?
Ein reiner „Abwickler“ will ich auf keinen Fall sein. Ich finde den Begriff „Sanierer“ am passendsten. Ich hoffe und glaube, dass die Mitarbeiter das auch so sehen und mir vertrauen, dass ich den Betrieb am Leben erhalten will.
Eine Insolvenz ist ein Schock für die Arbeitnehmer. Wie gehen die Mitarbeiter mit der Situation um?
Ich bin, was meine Person und das Bad anbetrifft, bei den Mitarbeitern auf eine sehr positive Grundstimmung gestoßen. Ich habe gleich als erste Maßnahme eine Mitarbeiterversammlung einberufen und mit den Menschen gesprochen. Die Beschäftigten kämpfen mit mir zusammen um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Ich habe den starken Eindruck, dass wir hier alle an einem Strang ziehen und die ‚Bergische Sonne‘ unbedingt erhalten wollen.
Wird es zu Arbeitsplatzverlusten kommen?
Ich glaube, dass wir eher zu wenige als zu viele Mitarbeiter haben, um ein solches Bad zu betreiben. Wir haben momentan 45 Beschäftigte, von denen drei bis vier langfristig erkrankt sind, bräuchten aber idealerweise mindestens 50.
Werden sich die Mitarbeiter in Form von Lohnkürzungen an der Rettung der ‚Bergischen Sonne‘ beteiligen müssen?
Die Gehälter hier sind nicht so hoch, dass wir den Mitarbeitern Lohnkürzungen zumuten können. Denkbar ist höchstens, dass die Beschäftigten etwas länger arbeiten und auf diese Weise einen Beitrag zur Sanierung des Unternehmens leisten.
Sie sind Rechtsanwalt, kein Bäder-Experte. Woher nehmen Sie das Know-How, um ein Spaßbad zu leiten?
Es kommt weniger auf spezielle Branchenkenntnisse an als vielmehr darauf, sich in ein Unternehmen „hineindenken“ und auch „hineinfühlen“ zu können. Hilfreich ist eine gute Vernetzung mit wichtigen Gläubigern wie Banken und Energieversorgern, städtischen Behörden und anderen bedeutenden Unternehmen (Lieferanten, Kunden usw.). Wenn das Amtsgericht einen Insolvenzverwalter auswählt, achtet es in aller Regel darauf, dass dessen persönliche Fähigkeiten zum Typus des Unternehmens passen. Wo Unternehmensstrukturen vielleicht gerettet werden können, braucht man einen „Fortführer“ und keinen „Abwickler“. Jeder Insolvenzfall stellt letzten Endes ganz neue Anforderungen. Unabdingbar sind grundlegende Managementkenntnisse, die persönliche Führungskompetenz des ausgesuchten Verwalters und sein betriebswirtschaftliches Know-How. Bei Fällen, die eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit finden, ist sicher auch wichtig, dass der Verwalter über Erfahrung in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verfügt. Sollen Firmengrundstücke einer anderen oder einer erweiterten Nutzung zugeführt werden, sollte der Verwalter zum Beispiel auch das öffentliche Planungs- und Baurecht gut beherrschen. Das beschäftigt mich ganz aktuell sehr intensiv in meinem Insolvenzfall des Kaufhauses Boecker in der Elberfelder Innenstadt.
Wissen Sie tatsächlich besser, wie ein Bad zu führen ist, als die vorherige Geschäftsleitung, die ja aus Branchenexperten bestand?
Ich habe mir das Bad wirklich von unten bis oben angesehen, war permanent im Haus unterwegs. Ganz wichtig ist natürlich, dass man als Insolvenzverwalter in der Lage ist, Probleme sehr schnell zu analysieren und dann zügig die richtigen Entscheidungen zu treffen. Man muss aus den vielen Eindrücken, die auf einen hereinprasseln, vor allem die wichtigen Informationen herausfiltern können. Das bedarf langjähriger umfangreicher Erfahrung. Ich habe mit unendlich vielen Menschen gesprochen, auch mit ehemaligen Mitarbeitern. Natürlich gibt mir die aktuelle Belegschaft sehr wichtige Hinweise, wo es klemmt und wo Dinge besser oder anders gemacht werden sollten. Und die gesetzlichen Regeln der Insolvenzordnung machen es für mich auch ein bisschen leichter, weil ich dadurch bestimmte Dinge in einer Art und Weise bzw. mit Instrumentarien regeln kann, die dem ursprünglichen Inhaber gar nicht zur Verfügung standen.
Bei welchen Unternehmen waren Sie schon tätig?
Ich war zum Beispiel Insolvenzverwalter beim TIC-Theater und beim Solinger Kulturzentrum Cobra. In beiden Fällen konnte ich Menschen aus der Wirtschaft begeistern, an einer Auffanglösung als Gesellschafter oder Beirat tatkräftig mitzuwirken. Aktuell hat unsere Kanzlei Schultze & Braun die Mandate für den zahlungsunfähigen Kaminbauer KAGO und zuvor bei Rosenthal-Porzellan übertragen bekommen. Wir sind zudem spezialisiert auf die so genannte Eigenverwaltung im Insolvenzplanverfahren, mit der zum Beispiel bei SinnLeffers trotz der Schließung einiger Standorte zahlreiche Filialen mit tausenden von Arbeitsplätzen gerettet werden konnten.
Wie hoch ist der Anteil der Unternehmen, die Sie retten konnten?
Wenn der Insolvenzantrag sehr rechtzeitig gestellt wird, hat man eine 50/50-Chance. Kommt der Antrag dagegen zu spät, geht oftmals kaum noch was.
Können Stadt und Wirtschaftsförderung Ihnen bei der Rettung der ‚Bergischen Sonne‘ helfen?
Ja, sicher. Wir müssen auf unkompliziertem Weg Planungsrecht und notwendige Genehmigungen bekommen. Hier serviceorientiert zu sein, kostet die Stadt nichts, hilft uns aber ungemein. Darüber hinaus ist es natürlich ganz generell notwendig, dass Wuppertal wieder positive Schlagzeilen macht. Es ist wichtig, dass auch wieder nach draußen kommuniziert wird, dass Wuppertal nicht nur Haushaltsprobleme hat, sondern auch viele positive Angebote bereithält, die die Stadt lebens- und liebenswert machen. Wir müssen aufpassen, dass das Image unserer Stadt durch die derzeitige Negativ-PR nicht dauerhaft Schaden nimmt. Das wäre weder für die ‚Bergische Sonne‘ hilfreich noch für irgendein anderes Wuppertaler Unternehmen, sondern zöge uns alle in einer Spirale weiter nach unten.
Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen: Wann wird Ihr letzter Arbeitstag in der ‚Bergischen Sonne‘ sein?
Mir ist nicht an einem Preispoker gelegen, sondern eine schnelle sichere Lösung wichtig. Deshalb werden wir uns jetzt stark dem Fortgang der Investorengespräche widmen. Endes März dieses Jahres wissen wir sicher schon deutlich mehr.
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Mit Stephan Ries sprach Georg Sander.
Fotos: njuuz
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