Wuppertal soll „Fahrradstadt“ werden
Wuppertal 2025
Das Strategiekonzept „Wuppertal 2025“ soll Projekte definieren, die unsere Stadt in Zukunft lebenswerter und wettbewerbsfähiger machen. Ein Steuerungsgremium, dem die Rathausführung, die Universitätsleitung sowie die Spitzen von WSW und Sparkasse angehören, hat auf der Basis von Vorschlägen der Bürger 13 Schlüsselprojekte vorgestellt, die sich in die Kategorien „Innovation und Wirtschaftskraft“, „Facettenreiche urbane Lebensräume“, „Bewegung und Begegnung“ und „Faszinierende Kulturszene“ gliedern.
Eine Analyse von njuuz-Herausgeber Georg Sander.
1. Ein Zentrum für Inklusion und Integration: Die Färberei schafft Chancen für neue Begegnungen
„Trotz der unterschiedlichen kulturellen Herangehensweisen zu lernen, wie der Umgang mit Behinderung zu gleichberechtigter Teilhabe führt und bereichert, ist eine anspruchsvolle Vision“, heißt es in „Wuppertal 2025“. In der Färberei als einem zentralen und einladenden Ort der Begegnung soll mit professioneller Beratung auf die Bedürfnisse der betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen eingegangen werden.
Realisierungschancen: Hoch, denn Standort und Finanzierung stehen
Man merkt den Formulierungen an, dass hier erfahrene Fördermittelakquisiteure am Werk waren. Das Vorhaben wirkt realisierbar, weil es bereits auf einen konkreten Standort zugeschnitten ist (Färberei) und damit auch die Finanzierung schon steht (Mittel aus dem Programm „Soziale Stadt“).
2. Sportification: Ansätze für eine “sportliche” Entwicklung Wuppertals
Mit dem zweiten Projekt aus der Kategorie „Bewegung und Begegnung“ werden mehrere Ziele verfolgt. Es geht darum, Jugendliche sportlich zu aktivieren, die Akzeptanz von (künftigen) Sporteinrichtungen in der Bevölkerung zu erhöhen (und z.B. Klagen wegen Lärmbelästigung zu verringern) sowie Vandalismus zu reduzieren. Dazu sollen Sportangebote temporär an außergewöhnlichen Orten organisiert werden. Sportvereine, Jugendzentren, Kindergärten, Schulen und andere kulturelle und soziale Einrichtungen sollen eingebunden werden, damit Jugendliche „über innovative, trendsetzende sportliche Aktivitäten und an ungewöhnlichen Orten die Stadt kennen und lieben lernen.“
Realisierungschancen: Sollte gelingen, denn der Anspruch ist nicht allzu hoch
Die Idee erscheint etwas bieder und nur mäßig ambitioniert. Das macht sie nicht von vornherein schlecht, aber wegweisende Projekte, um Wuppertal für das Jahr 2025 fit zu machen, stellt man sich ehrgeiziger vor. An der Machbarkeit kann angesichts der Erfahrung der Akteure (Sportamt, Schulen usw.) und der Überschaubarkeit der Maßnahme kaum ein Zweifel bestehen.
3. Moderne Urbanität: Wuppertal als Fahrradstadt
Bislang wurden Radler in unserer Stadt in erster Linie als Verkehrshindernisse wahrgenommen, denen bei der Straßenplanung wenig Beachtung geschenkt wurde. Nicht zuletzt durch die Nordbahntrasse ändert sich das langsam. Im Rathaus erkennt man die Pedalisten als „Mainstream“. Ihnen soll durch eine Fülle zumeist kleinteiliger Maßnahmen die Teilnahme am Straßenverkehr erleichtert werden. Eine Auswahl:
- Neue Anschlussmöglichkeiten von der Nordbahntrasse (an die Sambatrasse, nach Schwelm usw.)
- Verbesserung der vorhandenen Radwege entlang der Talachse
- Schließung der Lücken im Wegenetz (zwischen Robert-Daum-Platz und Alter Markt evtl. unter Einbeziehung des Grünstreifens in der Straßenmitte)
- Herstellung eines durchgängigen Radweges auf den Südhöhen
- Schaffung von Stellplätzen in den Innenstädten, an Bahnhöfen und an Haltepunkten der S-Bahn
- Einrichtung eines Pedelec-Verleihsystems und Ausbau von Ladestationen
- Beschilderung, Internet-Seite etc.
Realisierungschancen: Wuppertal wird weniger fahrradunfreundlich
Wer so ein Maßnahmenbündel mit der Überschrift „Wuppertal als Fahrradstadt“ versieht, muss sich an diesem Anspruch messen lassen. „Fahrradstädte“ zeichnen sich vor allem durch eine topfebene Topographie aus, innerhalb derer man sich ohne große Anstrengung mit dem Rad bewegen kann. Ein Großteil der Pedalisten sind dort oft Studierende, die in der Stadt leben (jeder 5. Einwohner der Fahrradstadt Münster studiert an der dortigen Uni). Die Berg und Tal – Stadt Wuppertal mit ihrer Pendler-Uni wird nie zur „Fahrradstadt“ werden, wie es das Konzept „Wuppertal 2025“ verheißt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen knüpfen zum großen Teil an die Nordbahntrasse an, sind also für den innerstädtischen Verkehr von geringer Bedeutung. Viele kleine Verbesserungen entlang der Talachse sind gut geeignet, den Radlern das Leben leichter zu machen. Die Vorhaben sind jedoch nicht spektakulär, sondern bringen Wuppertal nur dem Niveau näher, auf dem sich andere Städte längst bewegen.
>> Teil 1: Innovation und Wirtschaftskraft
>> Teil 2: Facettenreiche urbane Lebensräume
Transparenzhinweis:
Der Autor war von 2005 bis 2008 Geschäftsführer der Wuppertal Marketing GmbH
Weitere Informationen:
>> Wuppertal 2025 auf der Homepage der Stadt Wuppertal
Grafiken:
Jeanete Ehab und bluedesign – Fotolia.com
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Ob Fahrradstadt oder fahrradfreundliche Stadt – wichtig ist, dass sich deutlich etwas bewegt in diese Richtung. Die Entwicklung des „Fahrradstadt-Bewusstseins“, Visionen und deren Umsetzung sind ein Meilenstein auf diesem Weg.
Ich möchte gerne noch eine Vision hinzufügen: Die Seilbahn auf die Südhöhen mit Gepäckträger für Fahrräder.
Für mich ist die „Fahrradstadt“ eines der Schlüsselprojekte von Wtal 2025. Wobei die Überschrift sehr hochgegriffen ist, „Fahrradfreundliche Stadt“ würde es besser treffen. Mir fehlt hier auch eine messbare Zielebene, die erreicht werden soll. Dies könnte z.B. sein, den Radfahreranteil von derzeit 1-2% auf realistische 10-12% zu heben. Würde dies gelingen mit den vorgestellten, sehr positiv zu bewertenden Maßnahmen, hätten alle Bürger etwas davon. Die Radler sowieso, die Autofahrer wegen weniger Verkehr und die Fußgänger wegen besserer Luft.
Der Titel „Wuppertal als Fahrradstadt“ ist unglücklich gewählt und gleicht dem Traum des Klassenletzten (siehe ADFC-Fahrradklimatest) vom Einser-Abitur. Die vielen guten Ideen des Maßnahmenbündels hätten eine realitätsnähere Überschrift verdient.
Immer wieder von der Topografie als Hauptfeind des Radverkehrs zu lesen, ist aber ermüdend. Münster mag eine topfebene Fahrradstadt sein. Aber auch Aachen und Freiburg sind Fahrradstädte und haben ihre Steigungen. Dagegen ist die Wuppertaler Talachse völlig eben. Was ihr fehlt, ist ein durchgehender Radfahrstreifen, der zur Zeit von Westen her am Robert-Daum-Platz endet. Dass dieser auch in den Plänen des neuen Döppersberg nicht vorgesehen ist, zeigt leider, dass die politische Aufmerksamkeit für solche relativ einfachen Maßnahmen noch gering ist.