Der Kronprinz muss scheitern – So viel Paul Abraham war noch nie

Ein faszinierender Künstler, ein beeindruckendes Werk, ein zerstörtes Leben: Mit seinem Buch über den „tragischen König der Jazz-Operette“, Paul Abraham (1892 – 1960), setzt Klaus Waller Maßstäbe.

Er nimmt sich eines dunklen Kapitels der deutschen Musiktheatergeschichte an und setzt dem 1933 von den Nazis aus Deutschland vertriebenen tragischen Erneuerer des Genres der Operette ein aufrüttelndes Denkmal.

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Mit drei Operetten – Viktoria und ihr Husar, Die Blume von Hawaii und Ball im Savoy – eroberte Paul Abraham Anfang der 1930er-Jahre die Bühnen Deutschlands, Europas, ja sogar Australiens. Nach internationalen Aufführungszahlen war er zu dieser Zeit der erfolgreichste Operettenkomponist der Welt und inszenierte sich im Stile eines Popstars – Franz Lehár nannte Abraham den „Kronprinzen“ seines Genres.

Nach seiner Vertreibung aus Deutschland floh Abraham über Wien, Budapest, Paris und Havanna nach New York, doch es gelang ihm nicht, in den USA seinen künstlerischen Erfolg fortzusetzen. 1946 musste der geistig verwirrte Komponist in die Psychiatrie eingeliefert werden. Er soll kurz zuvor auf einer Straßenkreuzung in Manhattan ein nur ihm sichtbares Orchester dirigiert haben. Erst zehn Jahre später befreiten ihn Freunde aus der Station für unheilbare Kranke. Er starb 1960 in der Obhut seiner Frau in Hamburg.

Rund 50 Jahre nach dem scheinbar totalen Vergessen erlebten die Stücke des Komponisten eine Renaissance, die maßgeblich Barrie Kosky zu verdanken sind, dem Intendanten der Komischen Oper Berlin, der sich mit großer Leidenschaft engagiert für die Rekonstruktion und Wiederentdeckung der von den Nationalsozialisten ausgelöschten jüdischen Berliner Operettenkultur der 1920er- und 1930er-Jahre, die geprägt war von überbordendem Esprit und subtiler Ironie, von Frechheit und Frivolität.

Der Autor, Journalist und Herausgeber Klaus Waller hat über viele Jahre Paul Abrahams Leben und Werk detailliert erforscht und eine unglaubliche Zahl an historischen Fotografien, Urkunden, Programmheften und Aufführungsplakaten aus aller Welt zusammengetragen. Die Publikation „Paul Abraham – Der tragische König der Jazz-Operette“ will das an Paul Abraham begangene historische Unrecht und seine Bedeutung für das Musiktheater dokumentieren, sie möchte neues Interesse wecken für das außerordentliche Werk eines begnadeten Komponisten.

Vor vier Jahren hat Waller bereits eine erfolgreiche vielfach verkaufte Biographie Abrahams vorgelegt, die in njuuz als ein „packendes Werk“ gewürdigt worden war, das höchstes Lob verdiene (https://www.njuuz.de/beitrag46420.html). Nun legt er eine an allen Ecken und Enden überarbeitete, um neue Erkenntnisse angereicherte und ausstattungsmäßig verbesserte geradezu opulente Ausgabe vor, die, Steckenpferd des Rezensenten, auch ein Personenregister enthält. Ein dickeds Dankeschön an Klaus Waller – und an Barrie Kosky.

Das ganze Werk ist solide und schön. Man kann ihm nur die größtmögliche Verbreitung wünschen: So viel Paul Abraham war noch nie. MATTHIAS DOHMEN

Klaus Waller, Paul Abraham, der tragische König der Jazz-Operette. Mit Beiträgen von Henning Hagedorn, Anna Mária Kemény und einem Gespräch von Barrie Kosly und Adam Benzwi, Fürth: starfruit 2021, ISBN 978-3-922895-44-2, 364 S., Euro 28,00, www.starfruit-publications.de, www.klaus-waller.de.

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