05.02.2024Claudia Otte
Artenschutz durch Forschung: gemeinsames Forschungsprojekt zur Afrikanischen Schweinepest von Zoos und Partnerorganisationen
Auf Empfehlung der Erhaltungszuchtprogramme des europäischen Zooverbands für Warzenschweine und Pinselohrschweine haben deshalb mehrere Zoos Schweine beider Arten zur Forschung an das FLI abgegeben.
Damit ist die Hoffnung verbunden, über die gewonnene Erkenntnisse auch das Überleben mehrerer Arten zu sichern.ASP ist eine Viruserkrankung, die 2007 durch den Menschen von Afrika nach Georgien verschleppt wurde und sich seitdem weltweit rasant ausbreitet. 2020 erreichte das Virus Deutschland und betraf in der Folge sowohl Wild-, als auch Hausschweine. In Südostasien führte das nahezu immer tödliche Virus bei wildlebenden Bartschweinen auf Borneo bereits zu Massensterben, ebenso bei Philippinischen Pustelschweinen. Diese Entwicklung hat weitreichende ökologische, aber auch sozioökonomische Folgen. Beispielsweise finden Tiger, die sich vor allem von Wildschweinen ernähren, keine Nahrung mehr.
Auch Menschen auf Borneo und in anderen Gegenden, die auf Schweinefleisch als Proteinquelle angewiesen sind, finden sich in einer Ernährungskrise wieder. Alle in Asien endemischen Schweinearten sind bereits durch den Verlust des Lebensraumes und andere menschliche Aktivitäten von der
Ausrottung bedroht, eine zusätzliche extrem akute Bedrohung stellt jetzt das ASP-Virus dar. Bisher gibt es keine effizienten Maßnahmen um die Ausbreitung der Erkrankung in der Region einzudämmen. Es gibt außerdem weder eine wirksame Behandlung noch Impfung gegen ASP. Ohne einen wirksamen, oral zu verabreichenden Impfstoff drohen diese Arten innerhalb der nächsten Jahre in der Natur auszusterben.
Situation in Südostasien dramatisch
Nur von wenigen Arten leben kleine Reservepopulationen in Zoos. Innerhalb des europäischen Zooverbands EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) gibt es Zuchtprogramme (EEP / EAZA Ex situ programmes) für bedrohte asiatische Hirscheber und Visayas-Pustelschweine, sowie die nicht als bedroht geltenden afrikanischen Pinselohr- und Warzenschweine. Auch in Asien gibt es einige Erhaltungszuchtzentren, vor denen das Virus aber auch nicht Halt macht. Beispielsweise verendeten im Juni 2023 alle Visayas-Pustelschweine eines Zuchtzentrums auf der philippinischen Insel Negros innerhalb von zwei Wochen an der Seuche.
In Afrika kommt ASP bei Pinselohr- und Warzenschweinen natürlicherweise vor, führt bei diesen jedoch durch eine lange gemeinsame Evolution nicht zu einer Erkrankung. In Afrika wird das Virus über Lederzecken von einem Tier auf das andere übertragen. Für andere Schweine, wie das Eurasische Wildschwein und das daraus gezüchteten Hausschwein, sowie die zwölf nur in Südostasien vorkommenden Schweinearten verläuft die Viruserkrankung jedoch rasant und so gut wie immer tödlich. Das Virus kann bei diesen Arten direkt von einem Schwein auf das andere übertragen werden, beispielsweise bei freilaufenden Hausschweinen und in der Umwelt mehrere Monate überleben.
Die Übertragung kann aber auch durch verunreinigtes Schweinefutter, Ausrüstung, verendete Schweine oder gar ein Salamibrot geschehen. Tatsächlich spielt der Eintrag über virushaltige Lebensmittel wie unzureichend durcherhitzte Produkte aus Schweinefleisch einen der Hauptübertragungswege außerhalb Afrikas. Warum die afrikanischen Schweinearten nicht an dem Virus erkranken, ist bisher nicht bekannt. Der zugrundeliegende Mechanismus im Immunsystem könnte jedoch entscheidend in der Bekämpfung des Virus und für den Artenschutz sein.
Gemeinschaftsprojekt zur Rettung der Schweine
Aus diesen Gründen haben sich die IUCN SSC Wild Pig Specialist Group, das Friedrich-Loeffler-Institut,
der europäische Verband der Zoo- und Wildtierärzte (EAZWV / European Association of Zoo and Wildlife Veterinarians), sowie die Spezialistengruppe für Tapire und Schweineartige (Tapir and Suiform Taxon Advisory Group) der EAZA zu einem Gemeinschaftsprojekt zusammengeschlossen. So sollen die weitere Erforschung des Virus, der Erkrankung bei wilden Schweinen und die Entwicklung von Impfstoffen vorangetrieben werden. Aufgrund der Dringlichkeit, der dramatischen Situation in Südostasien und der Bedrohung der Reservepopulationen auch in europäischen Zoos hat die EAZA nach intensiven Abwägungen beschlossen, der Abgabe von Pinselohr- und Warzenschweinen aus Mitgliedszoos an das Friedrich-Loeffler-Institut zuzustimmen.
Im Oktober 2023 wurden deshalb bereits sechs in Zoos geborene Pinselohrschweine an das FLI abgegeben; Anfang Februar 2024 folgten vier, ebenfalls in Zoos geborene Warzenschweine. Dabei ist eine solche Entscheidung für die Zoos und alle Mitarbeitenden keinesfalls einfach. Ziel ist es immer die Tiere für den Artenschutz zu züchten und im Rahmen der Zuchtprogramme zwischen den Zoos auszutauschen oder teils für Auswilderungsprojekte zur Verfügung zu stellen. Nun ist der Beitrag dieser Individuen, zu denen viele Zoomitarbeitende eine enge Bindung haben, ein ganz anderer zum Schutz der bedrohten Arten. Der erhoffte Erkenntnisgewinn durch das Forschungsvorhaben ist dabei so groß und wichtig für die Entwicklung eines Impfstoffes, sodass hier zwischen diesen vergleichsweise wenigen Individuen und dem Überleben von Millionen wilder Schweine und ganzer Arten abgewogen werden muss.
Unter Quarantänebedingungen werden die Tiere im Friedrich-Loeffler-Institut entsprechend der Haltungsrichtlinien gehalten und von TierpflegerInnen, BiologInnen und TierärztInnen versorgt. Dabei wird ihr Gesundheitsstatus ständig überwacht und ihnen wird das aus den Zoos bekannte Beschäftigungsmaterial angeboten. Im Rahmen des Forschungsprojektes werden die Schweine mit dem ASPVirus infiziert und sie werden in regelmäßigen Abständen zur Beprobung narkotisiert. Am Ende der Versuche werden die Tiere tierschutzgerecht euthanasiert und pathologisch untersucht. Die Studien sind Teil des von der EU geförderten, genehmigten und überwachten Forschungsprojektes ASF-RASH
(African Swine Fever pathogenesis and immune responses in Resistant And Susceptible Hosts). Der Versuchsteil mit den Pinselohrschweinen ist bereits abgeschlossen und die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend.
Um schnell und effektiv der Entwicklung eines Impfstoffes näher zu kommen, werden die Proben international mit Forschungseinrichtungen aus sechs weiteren europäischen Ländern geteilt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Friedrich-Loeffler-Institutes arbeiten seit vielen Jahren mit internationalen Partnern an einem Impfstoff gegen das ASP-Virus. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf Impfstoffen, die man als Schluckimpfung auch wildlebenden Schweinen verabreichen kann, da eine Injektion von freilebenden Wildschweinen nicht im erforderlichen Maße umsetzbar wäre. Als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit beobachtet das FLI die weltweite Ausbreitung der ASP genau –und mit zunehmender Sorge.
„Ein optimierter, über eine Köderimpfung einsetzbarer Impfstoff gegen die ASP wäre auch für den Artenschutz von unschätzbarem Wert“, sagt die Leiterin des nationalen Referenzlabors für ASP, Privatdozentin Dr. Sandra Blome. Mit einer Schluckimpfung für wildlebende Schweine gelang es 2009, den bisher letzten Ausbruch der Klassischen Schweinepest in Deutschland einzudämmen, sodass zu hoffen ist, dass dies auch mit der ASP gelingt.
„Nahezu alle asiatischen Wildschweinarten sind auf der Internationalen Roten Liste der IUCN als ‘gefährdet‘ gelistet“, sagt Dr. Johanna Rode-White, Vorsitzende der Expertengruppe für wildlebende Schweinearten (IUCN SSC Wild Pig Specialist Group) und Kuratorin im Kölner Zoo. „Das Virus verschärft die Situation der bereits dezimierten kleinen und oft auf Inseln vorkommenden Arten. Wie wir bereits am Beispiel von Bartschweinen und Visayas-Pustelschweinen sehen konnten, geht das Virus wie ein Lauffeuer durch die Populationen. Das betrifft nicht nur die lokale und indigene Bevölkerung, die auf die Schweine angewiesen sind, sondern beispielsweise auch andere bedrohte Raubtiere, die sich vor allem von Wildschweinen ernähren.“
Doch das Virus ist auch eine Bedrohung für Schweine in europäischen Zoos. „Die durch die menschliche Globalisierung beschleunigte Ausbreitung der Seuche macht auch vor Zoos nicht halt. Die Sicherheit unserer Zoobestände bedrohter Schweinearten und –rassen ist deshalb für uns umso wichtiger. Um sie zu gewährleisten, arbeiten in unseren Zoos speziell für Zootiere ausgebildete Tierärztinnen und Tierärzte. Die europäische Zoovereinigung EAZA verfügt zusätzlich über spezialisierte Veterinäre, sogenannte Veterinary Advisors, die sich mit den verschiedenen Schweinearten besonders gut auskennen. Wir müssen in diesem Bereich noch mehr Forschung betreiben, um der Seuche wirksam entgegentreten zu können“, sagt Dr. Arne Lawrenz, Mitglied des EAZA Veterinary Committee, der EAZWV und Direktor des Grünen Zoo Wuppertal.
Die in Zoos als Reservepopulation gehaltenen Schweine sollen der Sicherung der Arten dienen. Stirbt eine Population oder sogar eine Art in der Natur aus, beispielsweise durch eine Naturkatastrophe oder eine Seuche, so können Zoos Tiere für die Wiederansiedelung zur Verfügung stellen. Die ASP stellt jedoch Zoos und Artenschutz vor Ort vor neue Herausforderungen. „Mit der ASP haben wir nun zum ersten Mal eine Bedrohung, die zeitgleich die Wildpopulation und die sogenannte Reservepopulation in den Zoos betrifft“, sagt der stellvertretende Direktor des Tiergartens Nürnberg, Jörg Beckmann. Er ist zugleich Vorsitzender der EAZA Fachgruppe für Tapire, Flusspferde und Schweineartige (Tapir and Suiform TAG) und Koordinator des Erhaltungszuchtprogrammes für die ebenfalls von ASP bedrohten Hirscheber und Mitglied der IUCN SSC Wild Pig Specialist Group.
Auch der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) stellt sich hinter die Entscheidungen der einzelnen Zoos: „Wenn wir eine Chance haben, diese weltweite Seuche einzudämmen, dann sollten wir diese auch nutzen und die Wissenschaft bei der Entwicklung eines Impfstoffs für alle Schweinearten weltweit unterstützen. Dies ist ein wichtiger Schritt für den internationalen Artenschutz und auch für unsere Schweine hier vor Ort“, erklärt Volker Homes, VdZ-Geschäftsführer.
Quelle: Grüner Zoo Wuppertal
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen