Eine andere Zukunft ist möglich

"Es geht darum, neue Lebensstilmodelle zu entwickeln," so begann Prof. Dr. Uwe Schneidewind Präsident des Wuppertal Instituts seine Begrüßung zum Kongress "Faktor W - Wandel als Herausforderung" in der historischen Stadthalle.

Dr. Uwe Schneidewind

„Faktor W – Wandel als Herausforderung“ so lautete der Titel des Kongresses, den das Wuppertal Institut aus Anlass seines 20. Geburtstages veranstaltete. 500 Gäste folgten der Einladung in die historische Stadthalle. Sie erlebten einen Tag mit spannenden Vorträgen, Diskussionen und Workshops von hochkarätigen Wissenschaftlern und Experten.

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„Zentrale Frage ist, wie löst man den konkreten Wandel aus?“ begann Prof. Dr. Uwe Schneidewind Präsident des WI seine Begrüßung. „Denn wenn wir unseren (Ur)Enkeln einen lebenswerten Planeten hinterlassen wollen, müssen wir entschieden handeln, um den Klimawandel aufzuhalten. Das aber nur mit effizienterer oder grünerer Technik lösen zu wollen, wird nicht funktionieren, denn die Technik für eine kohlendioxidarme Energieversorgung ist »ja überwiegend verfügbar«. Es geht um mehr! Es geht darum, neue Lebensstilmodelle zu entwickeln.“

Petra Pinzler

Weniger ist mehr
Raus aus der Wachstumsspirale, weniger ist mehr, Transdisziplinarität und ein breiter gesellschaftlicher Diskurs waren dann auch die Hauptthemen und Forderungen der folgenden Vortragenden. Petra Pinsler, Moderatorin des Abends und Hauptstadtkorrespondentin der „Zeit“, formulierte ihre Haltung mit den Sätzen: „Mehr Wohlstand macht die Menschen nicht zwingend zufriedener. Es sind andere Indikatoren wie Bildung , Gerechtigkeit, Gesundheit und Zeit für die Familie die glücklich machen.“

Wir leben in einer Zuvielisation
Starredner des Abends Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesminister für Umwelt und Naturschutz und Gründungsdirektor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam (IASS) begann seinen Vortrag mit der Forderung nach Transdisziplinarität. Um die anstehenden Aufgaben der Zukunft zu lösen, müsse fach- und institutionsübergreifend in einem offenen Dialog geforscht und gearbeitet werden, „denn wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht.“ (Georg Christoph LICHTENBERG). Mit launischen Wortspielereien verstand er es, sein Publikum zu unterhalten, wenn er von einer ‚Zuvielisation‘ statt einer Zivilisation sprach und das Ende des’Golden Age‘ konstatierte das inzwischen in die Goldanlage übergegangen sei. Wieder ernst wurde er mit der Feststellung, dass die Welt spätestens seit der ersten industriellen Revolution im Anthroprozän angekommen sei: „Menschen wirken heute als quasi geologische Kraft.“ In seiner detailreichen Rede analysierte er, dass alle Indikatoren einen grundlegenden von Menschen gemachten Transformationsprozess anzeigen würden. Er kritisiere eine Politik, die nur an Kurzfristigkeit und aktuellen positiven Bilanzen interessiert sei und führte als Beispiel die Abwrackprämie und die Entscheidungen zur Lösung der Finanzkrise an – sie seien ein „Offenbarungseid der Kurzfristigkeit“. „Unsere Gesellschaft ist eine Nebenfolgengesellschaft, die sich nur mehr mit Problemlösungen für die Nebenfolgen beschäftigt, als mit den Ursachen der Probleme selbst … begleitet von dem Kopfschütteln der Millionen, die nicht mehr glauben, dass das noch lange gut geht.“

„Auf Sicht fahren“
Prozesshaftes Vorgehen welches auf „Sicht fährt“ sei notwendig, meinte Töpfer, denn zu groß, zu holistisch gedachte Lösungsansätze führten nicht weiter. Regional denken und arbeiten sei effizienter. „Den Anforderungen einer von Globalisierung und transnationalen Konzernen geprägten Welt kann nur mit tastenden, experimentierenden Schritten entgegengetreten werden, um sich einer konkreten Utopie zu nähern,“ und mit Karl Popper forderte Töpfer „eine offene Gesellschaft, die sich in einem fortwährenden Prozess von Verbesserungsversuchen und Irrtumskorrekturen evolutionär fortentwickelt.“ Mit Blick auf die Politik schloss er seine Rede: „Die Politik ist ein Ort an dem Änderungen initiiert werden können! Der Prozess braucht eine parlamentarische Bindung, einen breiten zivilgesellschaftlichen Diskurs, das Projektmanagement eines Großkonzerns und neue rechtlich abgesicherte Entscheidungsprozesse.“ Der lang anhaltende Beifall zeigte, wie sehr das Publikum mit seinen Thesen und Forderungen einverstanden war.

Dr. Manfred Fischedick, Dr. Uwe Schneidewind, Petra Pinzler

Die Angst vor Wachstumsfeindlichkeit ist eine der größten Barrieren für den Wandel
In den sich anschliessenden Diskussionen fiel besonders Prof. Dr. Angelika Zahrnt, Mitglied des Rates und Ehrenvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf, die viel Beifall erhielt, als sie einen „bottom up“ Prozess forderte. Sie argumentierte gegen Claudia Langer von der Plattform für grünen Konsum „utopia.de „ die den Konsumenten als „träge und fordernde Masse beschrieb, die nicht bereit sei, zu geben“ und daher den Einsatz der Eliten forderte. Zahnt war es auch, die „die Angst vor Wachstumsfeindlichkeit als eine der größten Barrieren für den Wandel“ fest machte. Ein nachhaltiges Wachstum könne es jedoch nicht geben, so die BUND-Ehrenvorsitzende. Vielmehr, so Zahrnt, müssten wir uns im ökologischen Rahmen bewegen, „um die Zukunftsfähigkeit unserer Zivilisation zu gewährleisten.“ Klimaschutz als Volkssport, ressortübergreifendes Arbeiten in Behörden und Politik, die Einbeziehung der Schulen, dezentrales und regionales Arbeiten, Verzicht als Gewinn und eine Verbreitung der Informationen „denn eine Bewegung entsteht nur dann, wenn die Bewegung weiss dass es sie gibt“ – die vielen Ideen und die Zustimmung des Publikums für die Diskutanten auf dem Podium sorgten im Verlauf des Tages für eine nahezu euphorische Stimmung und das Gefühl, dass der Wandel gelingen könne.

Bottrop beginnt den Wandel
Dass der tatsächlich gelingen kann, diese Zuversicht vermittelte der Oberbürgermeister von Bottrop Bernd Tischler. Seine Stadt hatte den 2010 vom Initiativkreis Ruhr ausgeschriebenen Wettbewerb um die „InnovationCityRuhr“ gewonnen. In 10 Jahren soll Bottrop modellhaft durch den Einsatz moderner Technologien und Projekte zur Klimastadt und zum Vorbild für andere Städte entwickelt werden. Eine überdurchschnittlich engagierte Bevölkerung und der ebenso engagierte Oberbürgermeister hatten die Jury überzeugt. Bernd Tischler: „1984 habe ich meinen Diplom in Raumplanung in Dortmund abgelegt. Mein Schwerpunkt dabei war der ökologische Aspekt. Glauben Sie mir, es geht mir gut. Ich bin jetzt genau an der richtigen Stelle und kann endlich umsetzen, was ich damals dachte!“ Das sagte er mit spürbarer Begeisterung, so dass er jubelnden Beifall erntete. Das Wuppertal Institut berät und begleitet den Prozess. Prof. Dr.-Ing. Fischedick stellvertretender Leiter des Wuppertal Instituts konstatierte: „Was in Bottrop oder Wuppertal funktioniert, funktioniert auch in anderen Städten.“

Shrinking Cities, copyright Kyong Park

Detroit
Eine etwas andere Sichtweise des Themas brachte die künstlerische Arbeit des koreanischen Architekten Kyong Park. Er beschäftigt sich mit der Stadt als lebendem Organismus und zeigte Ausschnitte seiner Werke „Shrinking Cities“ und „Exploding Cities“. Jahrelang hat Park in Detroit gelebt – der Stadt – die als das Symbol einer schrumpfenden Stadt gilt. Sein Film zeigt eine Millionenstadt, dessen Zentrum inzwischen menschenleer ist – aufgebrochenes Pflaster, leere Ruinen, schwarze Fensterhöhlen, verlassen wie eine Wild West Stadt, nachdem die Bodenschätze geplündert sind und die wilde Horde weiter gezogen ist. Innerhalb von 50 Jahren ist Detroit von 1.8 Mio. Menschen auf etwa 900.000 Mio. Einwohner geschrumpft und gilt inzwischen als die gefährlichste Stadt der USA.

Nach dem Kongress, im Mittelpunkt Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker

EfficientCity Wuppertal
Einer der am Nachmittag stattfindenden Workshops stellte das Projekt EfficientCity Wuppertal vor. (njuuz berichtete) Ressourceneffizienz soll dabei zum Motor für die Stadtentwicklung werden. Bestandteile des Konzepts sind die Stärkung von Unternehmen die bereits im Bereich grüne Technologien arbeiten, die Entwicklung von ressourcenschonenden Herstellungsprozessen und Angebote an Bürger und Bürgerinnen, ressourcenschonender zu leben. In einem großen Schulterschluss zwischen Wuppertal Institut, WSW, der Bergischen Universität Wuppertal, der Stadt Wuppertal und der Wirtschaftsförderung soll gemeinsam mit den Unternehmen der Stadt eine Modellregion im NRW-Maßstab entstehen. So lautetete die Theorie. Dass die Wuppertaler schon längst auf dem Weg sind, zeigte der anschließende Dialog mit dem Publikum. Mitgliedern einer Wuppertaler Solargenossenschaft die sich zu Wort meldeten und um Beratung baten, wurde die Unterstützung durch das Wuppertalinstitut zugesagt. Ein Solarkataster für Wuppertal hat den Nachweis geführt, dass die Photovoltaik allen Unkenrufen zum Trotz, auch in der regenreichsten Stadt Deutschlands die Selbstversorgung der Stadt mit Strom gewährleisten kann. Mobilität: Der Individualverkehr macht aktuell 51% der Gesamtmobilität aus und soll mit einer Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs (aktuell 16%) und dem Angebot von Pedelecs (Elektrofahrräder)(Fahrräder aktuell 0,9%) um 50 % reduziert werden. Erste Versuche laufen. Und erstaunlich: Wuppertal ist eine Fußgängerstadt. Mit 32% an der Gesamtmobilität liegt der Anteil im Städtevergleich sehr hoch. Weiterbildung: Die Bergische Universität wird sich öffnen und plant für den Herbst ein Studium Generale. Schulen: Mit dem VDI entwickelt die Bergische Universität ein didaktisches Konzept – so genannte „Wissensfloater“ – für den Einsatz an Schulen.

Mit dem Ende des Kongresses ging ein informationsreicher Tag zu Ende – einer, der alle Beteiligten optimistisch entließ. Unsere Welt braucht mehr davon, denn nur der Optimismus, dass der Wandel gelingen kann entfacht die Energie, die notwendig ist, die bevorstehenden Herkulesaufgaben zu bewältigen.

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