Gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende
Die deutsche Energie- und Klimapolitik war in den vergangenen Jahren durch ein Nebeneinander von Erfolgen und Misserfolgen geprägt. Auf der einen Seite konnte der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich weiter vorangetrieben werden; andererseits wird konstatiert, dass die Klimaziele der Bundesregierung nicht erreichbar sind, sofern die CO2-Minderungen im Gebäude- und Verkehrssektor nicht forciert werden. Hinzu kommen öffentliche kontroverse Diskussionen um politische Instrumente, wie die 2. Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) – auch Heizungsgesetz genannt –, das Verbrenner-Aus bis zum Jahr 2035 sowie die immer wieder aufkeimenden Debatten, erneut in die Kernenergie einzusteigen. Im Bundestagswahlkampf im Februar 2025 wurde zudem von einzelnen Parteien gefordert, das nationale Klimaschutzziel (Treibhausgasneutralität bis 2045) um fünf Jahre nach hinten zu verschieben. Dies führt zu einer großen Verunsicherung von Gesellschaft und auch der Wirtschaft hinsichtlich der weiteren Ausrichtung sowie des richtigen Ambitionsgrads von Energie- und Klimapolitik.
Damit ist klar: Nach der Bundestagswahl stehen hinsichtlich der Umsetzung der Energiewende im Gebäude- und Verkehrssektor wichtige Entscheidungen an und es werden klare Aussagen von der neuen Bundesregierung erwartet. Diese sind für den langfristigen Erfolg essentiell, drohen jedoch ohne Rückhalt und das Mitmachen in der Gesellschaft zu scheitern.
Um diese kontroverse Gemengelage besser verstehen zu können und eine belastbare Datengrundlage für Handlungsempfehlungen zu haben, entwickelte das Wuppertal Institut im Auftrag der Westenergie AG im Dezember 2024 eine bundesweite Befragung von 2.062 Personen quotiert nach Alter, Geschlecht, Bildung und Bundesland.
Der gesellschaftliche Rückhalt ist ernsthaft gefährdet
Im Mittelpunkt der Befragung standen die Zufriedenheit der Menschen mit der bundesdeutschen Energiepolitik, die Einstellung zu ökonomischen Effekten der Energiewende und das Vertrauen in die Entscheidungen der Akteur*innen, die mit der Weichenstellung und Umsetzung der Energiewende betraut sind.
Auf Basis der Befragungsergebnisse lässt sich festhalten, dass der Klimawandel von über 70 Prozent der Befragten als Bedrohung für das Leben in Deutschland wahrgenommen wird – insbesondere junge Menschen (18- bis 29-Jährige) empfinden so. Dementsprechend wird auch die Energiewende als relevant bewertet; etwa 60 Prozent der Befragten geben an, dass die Energiewende langfristig ein notwendiges und sinnvolles politisches Ziel ist.
Auch wenn die Unterstützung für die Energiewende grundsätzlich groß ist, werden bezüglich ihrer realen Umsetzung jedoch zahlreiche Probleme ausgemacht. Besonders sticht hervor, dass nur 20 Prozent der Befragten angeben, die Ziele und Maßnahmen der Energiewende transparent und verständlich wahrzunehmen. Besonders gravierend: 60 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass die ökonomischen Lasten der Energiesystemtransformation nicht gerecht verteilt sind – die ungleiche Lastenverteilung wird damit zum echten Prüfstein für die Akzeptanz der Energiewende. Insbesondere niedrige Einkommensgruppen spüren den Kostendruck heute schon deutlich, der neben der allgemeinen Inflation auch durch steigende Energiepreise ausgelöst wird. Interessant ist, dass jüngere Altersgruppen weniger pessimistisch bezüglich der zukünftigen Entwicklung sind, so geben über ein Drittel der Personen der über 60-Jährigen an, dass sie davon ausgehen, die Energiewende habe in den nächsten fünf Jahren sehr negative Auswirkungen auf ihre Heizkosten; bei den 18- bis 29-Jährigen sind es nur circa 11 Prozent.
Die Befragung befasste sich weiterhin mit dem Vertrauen in die handelnden Akteure bezüglich der richtigen Weichenstellungen und Umsetzungsmaßnahmen. Das ernüchternde und eindeutige Ergebnis: Die Akteure der Energiewende aus Politik und Wirtschaft stecken in einer ernstzunehmenden Vertrauenskrise. Der Politik trauen die Befragten eine gerechte, partizipative und konsensorientierte Umsetzung der Energiewende derzeit nicht zu; über die Hälfte der Befragten geben an, dass sie der Bundespolitik nicht vertrauen das Richtige im Umgang mit der Energiewende zu sagen oder zu machen. Hinzu kommt, dass etwa ein Drittel bundespolitischen Akteur*innen, und 45 Prozent den Industrieunternehmen sogar eine Blockadehaltung unterstellen. Keine gute Grundlage, wenn es darum geht, die Menschen für ambitionierte Energiepolitik und Klimaschutzmaßnahmen zu gewinnen.
Politik muss alles daransetzen, die Gesellschaft für die Mitgestaltung der Energiewende zu gewinnen
Um das Vertrauen wiederherzustellen und die Frage zu klären, wie die ökonomischen Effekten sozial-gerecht verteilt werden können, sind Lösungsansätze notwendig, die von einer großen gesellschaftlichen Breite getragen werden können und mit der es gelingt, die in Konflikt stehenden Parteien zu einem Konsens zu bewegen. Hierzu sollten Akteur*innen außerhalb der politischen und ökonomischen Ebenen, wie Verbraucherverbände, Umweltschutzorganisationen, Energieversorgungsunternehmen sowie die Wissenschaft ein größeres Gehör finden.
Zum Umgang mit den ökonomischen Effekten zeichnen sich dabei drei Handlungsansätze ab:
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Instrumente zur gerechten Verteilung der ökonomischen Lasten, die insbesondere für einkommensschwache Haushalte den Kostendruck abfedern. Ein Umsteuern, weg von klimaschädlichen Subventionen, hin zu klimafreundlichen Unterstützungsmechanismen und eine soziale Staffelung respektive Kompensation der Energiepreise (etwa durch das Klimageld), verbunden mit intensiver Beratung zu Effizienzmaßnahmen und der Implementierung klimafreundlicher Technologien sind notwendige Schritte.
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Steigende spezifische Kosten müssen in den richtigen Kontext gestellt werden. Das heißt, dass die tatsächlichen Ursachen für steigende Energiepreise benannt werden müssen. So sind steigende Strom- und Gaspreise nicht ausschließlich ein Effekt der Energiewende, sondern auch und gerade auf andere Entwicklungen, wie den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, zurückzuführen. Weiterhin ist hiermit gemeint, dass mittel- bis langfristige Betrachtungen erforderlich sind, um die Kosten richtig einzuordnen (zum Beispiel Amortisationszeiträume von Wärmepumpen vor dem Hintergrund steigender CO2-Preise). Daher sollten Zusatzinvestitionen nicht mit Zusatzkosten gleichgesetzt werden.
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Die Kosten des Nicht-Handelns müssen ebenfalls berücksichtigt werden, denn für die Abwendung bzw. die Beseitigung von Klimawandel-Schäden sind sie bereits heute ein wesentlicher Faktor. Die Kosten werden in Zukunft auch noch deutlich steigen und je länger ambitionierter Klimaschutz aufgeschoben wird, desto höher fallen sie letztendlich aus.
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Die Politik steckt in einer ernstzunehmenden Vertrauenskrise, die zu einem Kippmoment für die Akzeptanz politischer Maßnahmen – nicht nur aus dem Energiebereich – werden kann. Die Menschen treibt zudem die Sorge hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Situation um und sie fragen sich, ob und wie sie das erreichte Wohlstandsniveau halten können. Um auch weiterhin ambitionierte Klima- und Energiepolitik umsetzen zu können, bedarf es gesellschaftlichen Rückhalts. Dieser lässt sich nur durch klare Strategien, Transparenz und Teilhabe sowie die adäquate Berücksichtigung der ökonomischen Sorgen der Menschen sowie umfassende und für alle nachvollziehbare Informationen und Aufklärung erreichen.
Dieses Statement von Dr. Johannes Venjakob und Aileen Reichmann vom Wuppertal Institut wurde am 11.02.2025 veröffentlicht.
Hier die vollständige Studie zum Download.
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