Herbstfarben verständlich gemacht

Viele lieben den Herbst wegen seiner bunten Farben. Stefanie Barzen, Biologin an der Natur-Schule Grund, hat sich mal inhaltlich mit dem Herbstlaub auseinander gesetzt.

Die wunderschöne herbstliche Färbung unserer heimischen Laubwälder bedeutet für den Baum eine Zeit höchster chemischer Aktivität. Gesteuert von Tageslänge, Temperatur und pflanzlichen Hormonen bereitet sich der Laubbaum auf den Winter vor. Der grüne Blattfarbstoff wird abgebaut und übrig bleiben, jetzt für uns sichtbar, rote und gelbe Farbstoffe.

Spitzahorn-Blatt im HerbstSpitzahorn-Blatt im Herbst ©Stefanie Barzen / Natur-Schule Grund

Das Blattgrün oder Chlorophyll befindet sich in den Chloroplasten genannten Strukturen der Zellen aller grünen Pflanzenteile und ist die „Nahrungsbeschaffungszentrale“ der Pflanze. Hier werden aus der Lichtenergie der Sonne, Kohlendioxid und Wasser Kohlenhydrate zum Aufbau von Blättern, Holz, Wurzeln und anderen Baumbestandteilen hergestellt und als „Abfallprodukt“ Sauerstoff an die Außenluft abgegeben.
Chlorophyll ist ein komplexes Molekül, das unter anderem aus Phosphor, Eisen, Kalium und Stickstoff besteht. Diese Bestandteile, besonders der Stickstoff, sind für den Baum zu wertvoll, um sie beim Laubfall zu opfern. Das Chlorophyll wird abgebaut und seine Bestandteile für eine spätere Verwendung in Rinde, Wurzeln oder Holz gelagert.
Carotinoide (gelb/orange), Xanthophylle (gelb) und Anthocyane (rot/violett/bläulich), die als Nebenprodukt beim herbstlichen Umbau im Blatt neu entstehen, sind weniger wichtig und dürfen zu Boden fallen.

Roteichen-Blatt im HerbstRoteichen-Blatt im Herbst ©Stefanie Barzen / Natur-Schule Grund

Bevor das Blatt zu Boden fallen kann, bildet der Baum an der Ansatzstelle zwischen Zweig und Blattstiel ein Trenngewebe aus Kork, eine Sollbruchstelle, die auch die kleine Verletzung, die beim Blattfall entstehen würde, verhindert. Buchen, Eichen und Hainbuchen bilden „Thyllen“, Zellwucherungen, die in die Nährstoffbahnen hinein wuchern und diese verstopfen. Blieben diese offen, hätte eine große Buche durch den Blattabwurf über 500.000 kleine Wunden, in die Bakterien, Pilzsporen oder Krankheitserreger eindringen könnten.

Der Abwurf der Blätter ist für den Laubbaum in vieler Hinsicht sinnvoll.
Er entledigt sich der Blätter, die durch ihren Wassergehalt bei Frost geschädigt würden, entzieht ihnen vorher wertvolle Bestandteile und betreibt durch Knospenbildung im Spätsommer/Frühherbst bereits Vorsorge für den Frühling. Er verhindert die sogenannte „Frosttrocknis“, die einträte, wenn der Boden gefroren ist, über die Spaltöffnungen der Blätter immer noch Wasser verdunstet, aus dem Boden aber kein Wasser nachgeliefert wird. Der Baum würde vertrocknen.
Er entledigt sich der alten Blätter, in denen Stoffwechsel-Endprodukte und Umweltgifte abgelagert sind, und entfaltet im Frühjahr frische, neue Blätter ohne Verletzungen und Fraßspuren. Außerdem hält ein Baum ohne Laub Schneelasten besser stand.
Der herbstliche Laubabwurf ist also einem aktiven Vorgehen des Baumes geschuldet, der Wind reißt die Blätter nicht von den Bäumen, er hat durch die Sollbruchstellen leichtes Spiel. Auch das Eigengewicht der Blätter lässt sie fallen.

Buchenblatt mit MiniergangBuchenblatt mit Miniergang ©Stefanie Barzen / Natur-Schule Grund

Einen besonders schönen Farbverlauf zeigen Roteiche, Ahorn oder Weinblätter. Werden die Nährstoffbahnen, z.B. durch eine Miniermade, durchbrochen, entstehen kleine Farbkunstwerke: das Chlorophyll kann an diesen Stellen nicht abtransportiert werden, sie bleiben grün.
Auch der komplette Ahornbaum zeigt den herbstlichen Farbverlauf, die Farbe der Blätter wechselt vom Gipfel zum Boden hin gesehen über braun, rötlich und gelb nach grün, in den unteren Blattregionen ist der Chlorophyllabbau noch im Gange.

Farbverlauf bei AhornFarbverlauf bei Ahorn ©Stefanie Barzen / Natur-Schule Grund

Immergrüne Pflanzen wie Ilex, Tannen oder Kiefern, schützen sich durch dicke Zellwände und Wachsschichten sowie kleine Oberflächen (Nadelblatt). Auch Nadelbäume wechseln ihr Kleid, werden aber nicht komplett nackt (Ausnahme wäre z.B. die Lärche), sondern verlieren immer mal wieder eine Nadel. Kiefernadeln können fünf Jahre, Tannennadeln sogar bis elf Jahre alt werden.
Und für die herbstliche Stimmung empfehle ich Rainer Maria Rilke (1875/1926), „Herbsttag“ von 1902. Aus der dritten Strophe: „…Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben. …“
Achten Sie beim nächsten Waldspaziergang doch einmal auf die Vielfalt der bunten Blattkunstwerke.
Bis zum nächsten Naturerlebnis-Tipp
Ihre / Eure Stefanie Barzen

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