25.09.2024Markus Kiel
Italienische Faschisten in Elberfeld 1940
Bisher wenig erforscht ist der Einfluss ausländischer faschistischer Bewegungen auf die hier im Wuppertal lebenden Staatsangehörigen dieser Länder. Bereits seit den 1920er agitierten die verschiedenen politischen Strömungen und Bewegungen auch hier bei uns im Tal.
Denn: nicht nur die NSDAP hatte in verschiedenen Ländern (selbst sogar in Palästina!) ihre Parteizellen und Aufbauorganisationen. Auch die italienischen Faschisten durften, mit Billigung Hitlers, in Wuppertal die größte Auslandsorganisation Ihrer Staatspartei implementieren.
Wie kam es dazu?
Bereits weit vor über 100 Jahren war die hiesige Steinbruch- und Bauindustrie auf Hilfs- und Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, zahlreiche Arbeiter aus den verschiedensten Ländern kamen nach Wuppertal, Wülfrath und Umgebung um hier Arbeit zu finden. Gerade die Kalk-, Straßen- und Wohnungsbauindustrie zog viele Italiener ins Bergische Land.
Viele von ihnen fanden auch in den Steinbrüchen in Dornap (bis 1974 zu Wülfrath, ab 1975 zu Wuppertal gehörend), (Haan-) Gruiten und Wuppertal Arbeit, gründeten Familien mit einheimischen Frauen, bekamen Kinder und wurden dauerhaft Teil der Vielfalt im Bergischen Land.
Zumindest waren sie Teil einer Vielfalt solange, bis nach 1933 die NSDAP an die Macht kam und im Laufe der Jahre gleichgesinnte faschistische Verbündete in Europa suchte und diese (unter anderem) bei Mussolinis „Partito Nazionale Fascista“ fand. Danach änderte sich das Leben der im Bergischen Land geborenen Kinder, denn sie waren qua Gesetz a.d. Jahre 1912 („Vererbung“ der Staatsangehörigkeit durch die Eltern) italienische Staatsangehörige.
Ein interessanter Artikel tauchte in den vergangenen Tagen bei einer Aufräum-Aktion auf. In der Mai-Ausgabe des Jahres 1940 in der von Hermann Pistor in der Elberfelder Luisenstraße 54a herausgegebenen Zeitung namens „Bergische Heimat“ wurde ein Artikel gefunden, in dem der Autor A. Mellet beschreibt, wie weit der Arm der faschistischen Partei bis in die Arbeitersiedlungen reichte.
Der dort beschriebene „alte Kämpfer“ des italienischen Faschismus, Dr. Banchér (ein promovierter Jurist, der bereits 1919 als sechzehnjähriger eine Sturmstaffel beim Sturm auf die italienische Stadt Fiume anführte), erhielt im größten Zusammenschluss der Partei außerhalb von Italien, im „Fascio“ Westdeutschland, bereits Ende 1938 ein Büro in der Bahnhofstraße in Elberfeld.
Der „mit ausserordentlichem Weitblick“ begabte, „schon früh im Kampf gegen das Judentum“ aktive und sich für die „Achse Rom-Berlin“ einsetzende Jurist Banchér eröffnete nun in den Wohnvierteln mehrere Schulen für Kinder der italienischen Arbeiter und deren Angehörigen, um durch eine Kultur- und Sozialarbeit im Sinne der faschistischen Partei eine „Verstärkung der deutsch-italienischen Freundschaft (zu) fördern“.
Auch baute er Jugendorganisationen „für die jungen Menschen bis zum 21. Jahre (…) und sogar eine Frauenschaft“ auf.
Freiwillige Sprachkurse für Deutsche und Italiener wurden „von Hunderten“ besucht, ebenso auch Vorträge über Kunst, Wissenschaft, Geografie und das Vermitteln „von den Einrichtungen des faschistischen Italiens, seiner Kolonien und deren Bedeutung für das italienische Imperium.“ Somit war klar: eine imperialistische Aggressionspolitik, wie sie Italien zu diesem Zeitpunkt bereits länger schon betrieb, wurde als Vorbild und zugleich Normalfall dargestellt.
Eine weitere Kernaufgabe Banchérs war es, „die Verbindungen zu den deutschen Behörden, zu führenden Persönlichkeiten und des gesamten öffentlichen Lebens zu pflegen.“, heute würde man ihn als „politischen Netzwerker“ bezeichnen.
Der Artikel verrät am Ende indirekt, dass die im Sinne der faschistischen Partei betrieben Kultur- und Sozialarbeit Banchérs auch anderen Dingen als der „Verstärkung der deutsch-italienischen Freundschaft“ gedient hat. So wie Banchér im „Auftrag des Duces“ in Wuppertal seine Arbeitskraft einsetzte „um hier die größte Auslandsorganisation des Faschismus in Europa aufzuziehen“ hatte er zusätzlich als des Duces politischer Soldat zukünftig „weitere“ ihm zugetragene Aufgaben zu erfüllen.
Konkret: die Kultur- und Sozialarbeit der italienischen Faschisten mit Billigung der Nationalsozialisten in Wuppertal war vorgeschoben. Sie diente zwar einerseits dazu, italienische Staatsangehörige fern der Heimat im Ausland sozialarbeiterisch zu unterstützen und kulturelle Identität zu stiften. Ebenso aber diente sie des Weiteren auch dazu um politische Missstimmungen im Sinne der Faschisten unter den italienischen Familien in Wuppertal auszuloten. Zudem sollten andererseits die jungen Männer im Rekrutenalter im Tal (da diese – siehe oben – entsprechend italienische Staatsangehörige waren) durch italienische Militärbehörden schnell erfasst und im gemeinsamen Kampf des Hitler- und Duce-Systems eingesetzt werden.
Wenige Wochen nach Erscheinen des Artikels bekräftigte Mussolini im Juni 1940 letztendlich seinen Entschluss an der Seite Hitlers gegen die Alliierten zu kämpfen, eine Allianz, die drei Jahre später endete und künstlich noch bis April 1945 am Leben gehalten wurde. Italien kündigte die faschistische Verbundenheit auf, Hitlerdeutschland verlor einen Verbündeten.
Leidtragende waren letztendlich neben der Zivilbevölkerung Italiens auch die vor Ort mit der Wehrmacht an verschiedenen Fronten gemeinsam kämpfenden italienischen Soldaten, die nun als „Verräter“ von der Wehrmacht interniert und auf übelste Weise behandelt wurden.
Über den weiteren Verbleib von Dr. Banchér und das italienische Netzwerk der Partei „Partito Nazionale Fascista“ in Wuppertal ist noch nichts weiter bekannt, ebenso auch nicht über in Wuppertal geborene und hier rekrutierte italienische Soldaten. Hier besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Anregungen hierzu aus der LeserInnenschaft sind sehr willkommen.
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