25 Jahre Berufskollegs: Vorbereitung auf Leben und Beruf

Die Wuppertaler Berufskollegs tragen durch berufliche Bildung zur Fachkräftesicherung bei. Unterschätztes Potenzial bietet die Schulform in ihrer Rolle als Berufliches Gymnasium.

Das Schuljahr 1998/1999: Die Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen öffnen zum ersten Mal ihre Tore. „Pädagogisches Leitziel des Berufskollegs ist der Erwerb einer umfassenden beruflichen, gesellschaftlichen und personalen Handlungskompetenz und die Vorbereitung auf ein lebensbegleitendes Lernen“, heißt es in der Definition der NRW-Ministeriums für Schule und Bildung. Dieses Jahr feiert die Schulform das 25-jährige Jubiläum ihrer aktiven Lehre.

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An wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgerichtet
Die klare Orientierung an wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem damit einhergehenden engen Kontakt zur Realwirtschaft bilden das Alleinstellungsmerkmal dieser Schulform. „Durch die berufliche Qualifizierung und die Vorbereitung auf konkrete Berufsfelder sind die BKs ein wichtiger Treiber für die ökonomische Entwicklung in der Region. Hier werden die Fachkräfte von morgen ausgebildet“, so Elke Stapff von der Kommunalen Koordinierung im Übergang Schule-Beruf.

Das unterstreicht auch Matthias Flötotto, Schulleiter des Berufskollegs Werther Brücke. „Schüler*innen sehen sich heute einer Arbeitswirklichkeit gegenüber, welche auf der einen Seite eine Vielfalt herausfordernder Ansprüche an sie stellt, andererseits aber auch enorme Chancen für die freie persönliche Entwicklung und die eigene berufliche Karriere bietet. Unsere Aufgabe als Berufskolleg ist es, unseren Schülerinnen und Schülern heute das wertvolle Rüstzeug für ihre zukünftige Karriere zu stellen und damit gleichzeitig der Wirtschaft kompetente Fachkräfte zu vermitteln. Fachkräfte, die sie dringend braucht, um weiterhin erfolgreich im globalen Wettbewerb bestehen zu können“. Deshalb werden am BK Werther Brücke die Lehr- und Lerninhalte stets auf Aktualität sowie Wirtschaftsbezug überprüft und bei Bedarf angepasst. „Unsere Klassenräume sind technisch auf Stand, unsere Anlagen und Maschinen betreiben wir auf Industrieniveau. Erst kürzlich haben wir zwei brandneue CNC-Fräsen angeschafft. Das nenne ich Lehren und Lernen auf Augenhöhe mit den Prozessen in Industrie und Handwerk”, so Flötotto.

Abi am BK lässt alle Möglichkeiten offen
Die Schulform bietet ein breites Spektrum an Bildungsgängen und die Möglichkeit, sämtliche Abschlüsse zu erwerben. In Wuppertal gibt es fünf Berufskollegs, die unterschiedliche Themenschwerpunkte bedienen. Die Berufskollegs Barmen und Elberfeld bereiten ihre Schüler*innen auf kaufmännische Berufe vor. Das BK am Haspel legt den Fokus auf Chemie, Elektro, IT, Holz-, Bau- und Textiltechnik sowie Gestaltung, während das BK Kohlstraße für den sozialen Bereich steht. Am BK Werther Brücke steht die Lehre in Metall- und Kfz-Technik, Maschinenbau sowie ebenfalls Wirtschaft und Verwaltung im Vordergrund. Insgesamt waren im Herbst 2023 laut städtischem Schulamt 9.477 Schüler*innen an den Wuppertaler BKs gemeldet.

Die Berufskollegs bereiten ihre Schüler*innen aber nicht nur auf eine Ausbildung oder den Berufseinstieg vor. Laut einer Studie des NRW-Ministeriums für Schule und Bildung und der RuhrFutur gGmbH von 2022, wurde jede dritte Berechtigung für den Zugang zu einem Hochschulstudium am BK erworben. Etwas mehr als die Hälfte geht den Weg über das Gymnasium, 14 % über die Gesamtschule.

Hier sieht Schulleiterin Gunda Kempken vom Berufskolleg am Haspel Potenzial, das es noch stärker auszuschöpfen gilt. „Viele Jugendliche wollen nach der zehnten Klasse weiter zu Schule gehen. Sie streben das Abitur und ein anschließendes Studium an. Auf der anderen Seite haben es Betriebe zurzeit schwer, ihre Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerber*innen zu besetzen“, weiß Kempken. „In diesem Interessenskonflikt bieten die Berufskollegs noch unentschlossenen Schulabgänger*innen eine erfolgversprechende Perspektive, indem sie ihre gewünschte schulische Ausbildung und das Abitur zeitgleich mit einer beruflichen Qualifikation kombinieren können. Anschließend stehen ihnen alle Möglichkeiten offen. Sie können ein Studium oder eine berufliche Ausbildung anfangen”, so Kempken.

Mit beruflicher Qualifikation auf die Uni
Das Angebot der BKs als sogenanntes „Berufliches Gymnasium“ scheint allerdings (noch) wenig bekannt zu sein. In der NRW-Studie war die Belegung des Bildungsgangs Berufliches Gymnasium mit knapp 7 % unterdurchschnittlich. Häufig begegnen Kempken und Flötotto der Annahme, dass das Abitur am BK kein vollwertiges Abitur sei. „Das stimmt natürlich nicht, es gibt nur ein Abitur, egal ob man dieses am Gymnasium, am Beruflichen Gymnasium oder der Gesamtschule erwirbt“, so Flötotto. Er und Kempken sehen sogar einen wachsenden Bedarf an der Schulform Berufliches Gymnasium. Denn, so analysieren sie, in einer sich immer schneller verändernden Arbeitswelt müssten die Schüler*innen, die die Fach- und Führungskräfte von morgen darstellen, bereits früh in die Wirtschaftswirklichkeit eingeführt werden. Solche praktischen Einblicke würden ihnen in ihrer Vorbereitungszeit auf das Abitur nur am Berufskolleg vermittelt.

Diese fokussierte Vorbereitung der Schüler*innen könnte nach Meinung Kempkens und Flötottos auch dazu beitragen, die hohe Anzahl an Studienabbrüchen zu verringern. Laut Studie hat sich die Zahl der Studienabbrecher*innen, die anschließend an ein BK gewechselt sind, im Zeitraum von 2013 bis 2020 in NRW verdreifacht. „Durch die praxisnahe Ausbildung und die frühzeitige Auseinandersetzung mit konkreten beruflichen Perspektiven könnten die Abiturient*innen ihre Interessen und Fähigkeiten besser einschätzen und somit fundiertere Entscheidungen für ihre weitere Bildungs- und Berufslaufbahn treffen“, sagt Kempken. „Den Weg andersherum zu gehen, also erst zum BK und dann zur Uni, könnte vielen Schüler*innen helfen, ihre eigenen beruflichen Perspektiven zielgerichtet und damit erfolgreicher zu formulieren.”

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