Jobcenter Wuppertal weiterhin für Leistungsberechtigte kaum zugänglich

Auch nach anderthalb Jahren Pandemiebetrieb hat das Jobcenter offenbar noch kein Konzept, um seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen und einen barrierearmen Zugang zu Sozialleistungen zu ermöglichen.

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Tacheles – Pressemitteilung    5.9.2021

Bereits im März 2021 monierte der Erwerbslosenverein Tacheles e.V. in einer öffentlichen Problemanzeige[1], dass das örtliche Jobcenter seit Beginn der Pandemie im März 2020 völlig unzureichend für die rund 50.000 leistungsberechtigten Personen in Wuppertal erreichbar ist.

Die Folgen waren und sind nicht verwirklichte Leistungsansprüche und existenzielle Notlagen wie Mittellosigkeit, Verschuldung, Energiesperren, Wohnungskündigungen und -räumungen etc. Antragsverfahren ziehen sich weiterhin in Einzelfällen bis zu sechs Monate hin.

Konkretisiert wurde die Problemanzeige nochmals durch eine Erwiderung auf die Stellungnahme des Jobcenters vom 25.03.2021[2] und abschließend wurden am 15.04.2021 vom Verein Tacheles Empfehlungen an das Jobcenter Wuppertal[3] herausgegeben.

Hauptkritikpunkt war, dass der persönliche Zugang, der bisher in den Eingangszonen der Geschäftsstellen des Jobcenters möglich war, seit Beginn der Pandemie nicht mehr gegeben sei. Dadurch haben Hilfebedürftige, um z.B. Leistungen zu beantragen, lediglich die Möglichkeit per E-Mail oder Telefon Kontakt zum Jobcenter aufzunehmen. Persönliche Vorsprache ist nur in dringenden Fällen und nach vorheriger Vereinbarung möglich“, so der Verein in seiner Problemanzeige. „Die Möglichkeit des persönlichen Kontakts in den Eingangszonen der Jobcenter bedeutet einen niedrigschwelligen und schnelleren Zugang zu existenzsichernden Leistungen, für viele Leistungsbeziehende und Antragsstellende außerdem die einzig praktikable Möglichkeit der Kommunikation mit der Behörde und der (nachweisbaren) Einreichung von Anträgen und Unterlagen.“ Wohnungslose und andere Menschen ohne Zugang zu digitalen Medien sowie Migrant*innen bleiben bei diesen Zugangshürden auf oft der Strecke. „Das Jobcenter ist gesetzlich verpflichtet, einen barrierefreien Zugang zur Behörde sicherzustellen,“ erklärt Harald Thomé vom Verein Tacheles. „Dass sich hier in den vergangenen Monaten kaum etwas bewegt hat, deutet auf mangelndes Problembewusstsein der Jobcenter-Leitung hin.“

Fast ein halbes Jahr nach der öffentlichen Problemanzeige hat der Verein die persönliche und telefonische Erreichbarkeit des Jobcenters überprüft und musste feststellen, dass sich an der Problematik nichts geändert hat:

In keiner der acht Geschäftsstellen steht aktuell eine offene Eingangszone für Leistungsberechtigte zur Verfügung. Mitarbeiter*innen des Jobcenters oder eines Sicherheitsdienstes können (z.T. über Gegensprechanlage) angesprochen werden. Bei den meisten Geschäftsstellen muss geklingelt werden, damit ein*e Mitarbeiter*in zur Tür kommt.

Die Verfügbarkeit von Antragsformularen ist in den Geschäftsstellen sehr uneinheitlich geregelt: z.T. wird auf die Internetpräsenz verwiesen oder es soll ein Termin vereinbart werden, bei anderen liegen Formulare (mehr oder weniger vollständig) an der Eingangstür aus.

Beratung und Hilfestellung beim Ausfüllen von Anträgen ist nur sehr eingeschränkt möglich, es wird auf Beratungsstellen (Diakonie, Tacheles, Café Berlin etc.) verwiesen.
Eine Eingangsbestätigung für eingereichte Unterlagen durch einen Stempel sei momentan nur in Ausnahmefällen möglich. Nur in einer einzigen Geschäftsstelle wurde dies grundsätzlich angeboten. Stattdessen wurde auf die Möglichkeit verwiesen, Unterlagen ohne Eingangsnachweis in den Briefkasten des Jobcenters zu werfen. Dass Unterlagen verschwinden, die in die Briefkästen des Wuppertaler Jobcenters geworfen werden, ist ein Phänomen, welches Leistungsbeziehenden und Beratungsstellen in Wuppertal schon lange bekannt ist. Vor der Schließung der Eingangszonen konnten die eingereichten Unterlagen vor Ort eingescannt und der Eingang durch Stempel bestätigt werden,“ schrieb Tacheles zu diesem Thema in seiner Problemanzeige im März 2021.

Auch die telefonische Erreichbarkeit war nur teilweise gegeben: fünf der acht Geschäftsstellen waren telefonisch auch nach mehreren Versuchen nicht erreichbar. Teilweise brachen die Anrufe nach mehreren Minute Warteschleife ab.
Der aktuelle Bericht zur Erreichbarkeit wurde nun auf der Webseite des Vereins veröffentlicht.[4]

Tacheles e.V. fordert das Jobcenter auf, den gesetzlich vorgeschrieben, niederschwelligen Zugang der Behörde unverzüglich sicherzustellen. Zudem fordert der Verein den Oberbürgermeister, den Vorsitzenden des Verwaltungsrats des Jobcenters und auch die Parteien im Rat der Stadt dazu auf, mit dafür Sorge zu tragen, dass das Jobcenter und andere Wuppertaler Behörden ihren Fürsorgepflichten und ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen. „Schließlich hat eine bürgerfreundliche Verwaltung darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,[5]“ erläutert Harald Thomé die rechtliche Grundlage.

Hintergrund: Bericht zur Erreichbarkeit des Jobcenter Wuppertal, Download: https://t1p.de/xup0

 

                

 

1 öffentliche Problemanzeige (https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2758/)

2 Erwiderung auf die Stellungnahme des Jobcenters vom 25.03.2021 (https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2758/)

[3] Empfehlungen an das Jobcenter Wuppertal (https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2769/)

[4] Bericht zur Erreichbarkeit der Jobcenter vom (https://t1p.de/xup0)

[5] § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I

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Kommentare

  1. Lieselotte Bhata sagt:

    indirekt sind von den Sanktionsmassnahmen und plötzlichen Streichungen der Zahlungen die Vermieter betroffen. Ich habe zwei HartzIV-Kunden (haha) in meinem Haus wohnen. Die Miete+mtl.Nebenk.Vorauspauschale wurde anfangs vom Jobzenter direkt an mich überwiesen. Plötzlich und aus unerfindlichen Gründen kamen keine Zahlungen. Die MieterInnen konnten mir keine Auskunft geben, das Jobzenter wollte keine Stellung nehmen wg. Datenschutz. Die Kosten für das Haus laufen aber weiter: Wasser, Strom Müllabfuhr, Versicherung, Grundsteuer, diese werden von meinem Konto eingezogen. Eine Antwort bekam ich vor Monaten von Herrn Lenz: ob mir das System des Datenschutzes nicht bekannt sei. Seinem Schreiben beigelegt war eine hübsche Broschüre in der nachzulesen ist, das meine Forderungen alleine meine Sache sind, und was das Jobcenter außerdem an tollen Sachen machen kann. Fazit: Diesen Chef austauschen und jemanden an seine Stelle setzen, der sich um seine Kunden zeitnah kümmert, mit seinen Mitarbeitern, unter denen auch mal ausgesiebt werden muß. Arroganz u. Hochmut ist dort nicht angebracht.
    An Harald Thomé: bitte unbedingt den OB zu dieser Veranstaltung einladen und aufklären über die Lage.

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