16.02.2022caritaswsg
Noch mehr Kinder mit suchtkranken Eltern
Rund drei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Das rechnet NACOA, die bundesweite Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V., vor. Auf Wuppertal heruntergerechnet dürften das hier rund 13.500 Mädchen und Jungen sein. Die Situation vieler Betroffener hat sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft.
Einhellig berichten die Suchtberatungsstellen von einer deutlichen Zunahme bei den Erwachsenen, die aus einer latenten Suchtgefährdung in eine Sucht geraten sind oder eine Abstinenz nicht haben durchhalten können. Isolation und durch die Folgen der Pandemie erhöhte Existenzsorgen machen sich in drastischen Zahlen bemerkbar und treffen insbesondere auch die Kinder. So vermeldet das Blaue Kreuz einen Anstieg von Anfragen von Angehörigen um 68 Prozent und eine Verdopplung der Zahl von Kindern und Jugendlichen, die während der Pandemie Kontakt zur Beratung hatten. Fabienne Kroening vom Blauen Kreuz nennt Gründe: „Quarantänen belasten Kinder zunehmend. Es fehlen entlastende soziale Kontakte im Freundeskreis. Je länger diese Situation dauert, umso mehr zeigen die Kinder Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression oder Angst.“
Die Beratungsstelle für Drogenprobleme lenkt den Blick auf Kinder von Menschen, die aufgrund von Drogendelikten inhaftiert sind. Geschäftsführerin Bianca Euteneuer: „Vor Corona gab es circa einmal monatlich die Möglichkeit eines drei- bis vierstündigen Besuchs mit dem anderen Elternteil bei dem Inhaftierten. Das wurde in der Pandemie unmöglich. Für die betroffenen Kinder war es schlimm, über einen langen Zeitraum ihren Vater oder ihre Mutter nicht sehen zu können.“
Vom Freundes- und Förderkreis Suchtkrankenhilfe berichtet Ingolf Dauber von einer Art Spirale: „Während der Pandemie waren die Kinder mehr zu Hause. Deshalb gab es in den Familien mehr Stress, was häufig wiederum zu mehr Suchtmittelkonsum bei den Erwachsenen und zu noch schwierigeren Lebensumständen für die Kinder geführt hat.“
Gerald Palme und Claudia Stratmann-Pickartz vom Caritasverband beschreiben die Überlastung der betroffenen Kinder, die durch die Pandemie weiter verschärft wurde: „Die Kinder fühlen sich häufig verantwortlich für die suchtkranken Eltern und für Geschwister. Fehlt den Kindern ein starker Ansprechpartner – das kann jemand in der Schule sein, die Großeltern oder der andere Elternteil –, wächst ihnen diese gefühlte Verantwortung über den Kopf und sie hungern innerlich förmlich aus.“
Trotz der Pandemie haben sich die Beratungsdienste bemüht, den Kontakt zu den betroffenen Kindern aufrecht zu erhalten. Durch Jugendsprechstunden wie beim Blauen Kreuz oder beim Caritasverband, durch die speziell an Kinder und Jugendliche gerichtete blu:app des Blauen Kreuzes, durch Gruppenangebote wie die „Drachenflieger“ beim Caritasverband oder durch telefonische Ansprechbarkeit wie beim Freundes- und Förderkreis. Dabei sind sich alle Träger einig, dass grundsätzlich noch viel mehr für Kinder aus suchtbelasteten Familien getan werden muss: „Wir brauchen weitere gezielte Angebote, die für Kinder leicht zugängig sind. Wir brauchen mehr Entlastung für suchtkranke Eltern zugunsten ihrer Kinder und einen leichteren Zugang zu Entgiftungen und stationären Therapieangeboten für suchtkranke Eltern mit ihren Kindern.“
Dass solche Maßnahmen nachhaltig wichtig sind, machen Fakten deutlich: Kinder suchtkranker Eltern sind die größte bekannte Sucht-Risikogruppe. Ihr Risiko, als Erwachsene selbst suchtkrank zu werden, ist im Vergleich zu Kindern aus nichtsüchtigen Familien bis zu sechsfach erhöht. Etwa ein Drittel dieser Kinder wird im Erwachsenenalter alkohol-, drogen- o
der medikamentenabhängig.
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