09.12.2023Axel Sindram
Klimaschutz ? Können andere bezahlen…
Das Bündnis „Mobiles Wuppertal“ und der Fahrgastverband ProBahn befürchten auch künftig jahrelange Stagnation und Rückschritte bei der Weiterentwicklung des ÖPNV, wenn am 18.11. auch der Stadtrat nur das allerkleinste Szenario aus dem Entwurf des Nahverkehrsplans beschließen sollte.
In der Beschlussvorlage wird ein „Szenario Null“ vorgeschlagen, welches das vorhandene mittlerweile lückenhafte Angebot fortschreibt und nach Aussage der Planer keinerlei Klimaschutzwirkung erzeugt. Die ambitionierteren Szenarien 1 und 2 werden nur noch als „langfristiges Ziel“ unter dem Vorbehalt auskömmlicher Finanzmittel erwähnt.
Eine solche Formulierung dürfte rechtlich nicht zulässig sein: Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 3 ÖPNV-Gesetz sind bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans u.a. die Belange des Klimaschutzes zu berücksichtigen. Mit Auswahl eines „erfolgsneutralen“ Szenarios Null wird der Belang Klimaschutz ebenfalls auf „Null“ gesetzt. Die weitergehenden Szenarien sollen nur unter dem Vorbehalt zum Zug kommen, dass von dritter Seite (Bund/Land) Geld zugeschossen wird. Damit entledigt sich die Stadt unzulässigerweise ihrer eigenen Verpflichtung zum Klimaschutz. Dies bedeutet. einen eindeutigen Abwägungsfehler so dass der OB den Beschluss nach § 54 Abs. 2 der Gemeindeordnung vsl. beanstanden muss.
Ein derart verzagter und unengagierter Umgang mit dem ÖPNV trägt nicht zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei. Wenn nicht in Wuppertal und im gesamten Bundesgebiet der Pkw-Anteil am Gesamtverkehr durch deutlich verbesserte ÖPNV-Angebote erheblich gesenkt werden kann, drohen eine klare Verfehlung der Klimaziele und hohe Strafzahlungen an die EU. Für unsere Stadt würde dies einen nutzlosen jährlichen Geldabfluss von 50 Mio.- € mit steigender Tendenz bedeuten.
Das Szenario Null bedeutet eine langjährige Festschreibung des Fahrplanangebotes aus der Vor-Corona-Zeit also aus dem Jahr 2019. Schon dieses stellt lediglich den vorläufigen traurigen Schlusspunkt einer Reihe von Angebotsreduzierungen dar, die seit etwa 10 Jahren ausschließlich durch unternehmensinterne Wirtschaftlichkeitserwägungen und nicht durch Fahrgastabwanderungen initiiert wurden. Im Ergebnis gingen durch diese ständigen Rückschritte jährlich 10-15 Mio. Fahrgäste verloren! Andere Städte, auch in vergleichbarer finanzieller Situation, konnten dagegen in dieser Zeit ihr Fahrgastaufkommen erheblich erhöhen. In Wuppertal wurden zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Attraktivität des Busverkehrs vorgelegt, u.a. eine deutliche Beschleunigung und eine zumindest Abmilderung der gröbsten Planungsfehler.
Das Argument „kein Geld“ kann in diesem Zusammenhang nicht mehr akzeptiert werden. Geld wäre vorhanden, es wird nur entweder nicht eingenommen, nicht erspart/erwirtschaftet oder nicht zweckentsprechend verwendet. In der Vergangenheit und bis heute wurden erhebliche Mittel eingesetzt, die letztlich stets zu Lasten des ÖPNV gewirkt haben:
- Mitte der 1990`er Jahre wurden die LSA flächendeckend erneuert und, um die Maßnahme aus ÖPNV Fördermitteln finanzieren zu können, mit Ampelvorrangschaltung für Linienbusse ausgerüstet. Tatsächlich wurde diese Signalanforderung aber kaum einmal wirksam betrieben.
- Die Maßnahmen des sog. „Green City Plan“ verflüssigen ausschließlich den Autoverkehr , die Signalanforderung für Busse wurde dafür endgültig abgeschaltet.
- Die Neugestaltungen des Döppersberg und der Linienführungen am Alten Markt haben die Betriebsbedingungen des Busverkehrs erheblich verschlechtert. Durch die Verlängerungen der Fahrzeiten um bis zu 10 Minuten müssen auf zahlreichen Linien Zusatzkurse eingesetzt werden um den Fahrplan halten zu können. Der am Döppersberg und Alten Markt entstandene Mehraufwand liegt bei jährlich 2-3 Mio.-€.
- Die nach wie vor vorherrschende Haltestellenform ist die nicht barrierefreie Busbucht, die den Ablauf des Busverkehrs massiv behindert und aus anderen Städten inzwischen vollständig verschwunden ist. Das Umbauprogramm kommt nur zögerlich voran.
- Darüber hinaus hatten wir noch weitere 50 kostenneutrale bzw. preisgünstige Beschleunigungsmaßnahmen vorgeschlagen, die sämtlichst abgelehnt wurden.
- Das Projekt einer Seilbahn zur Uni wurde trotz eines sehr guten NKI von 1,8 und eindeutiger Zustimmung im Bürgergutachten nochmals einer fragwürdigen „Bürgerbefragung“ unterzogen.
- Das Parken in unserer Stadt ist nach wie vor konkurrenzlos günstig. Auch die WSW müssen Parkhäuser zu nicht auskömmlichen Parkgebühren betreiben. Das Geld fehlt dem ÖPNV.
- In einem umgehend verworfenen Szenario 3 des Nahverkehrsplans wurde u.a. auch die Wiedereinführung einer Straßenbahn angedacht. Tatsächlich wirkt sich der Fahrpersonalmangel, der wohl auch mittelfristig nicht behebbar sein wird, besonders bei einem personalintensiven Busbetrieb wie in Wuppertal aus. Der voreilige und leichtfertige Ausschluss von Systemen mit besserem Personalwirkungsgrad zeugt nicht gerade von verkehrspolitischem Weitblick der Akteure.
Der Rat der Stadt muss daher zumindest die Szenarien 1 und 2 mit einer größeren Verbindlichkeit und einem Zeithorizont bis zum Jahr 2035, dem Jahr, an dem die Stadt klimaneutral werden soll beschließen. Ein Beschluss entsprechend der vom Verkehrsausschuss beschlossenen Vorlage könnte beanstandet und schließlich aufgehoben werden.
Weiter mit:
Wenn die WSW in der Aue ihre Fernwärmeleitung verlegt haben, will die Stadt 4 Millionen Euro für die 500 m lange Straße „im Namen des Klimaschutzes“ (und vom Bund gesponsert) ausgeben. Der Eigenanteil liegt noch bei 20 Prozent entsprechend 800.000 Euro.
Ganz schöne Summe, um den WSW die Baugrube zu asphaltieren und ein paar Bäume nebenher zu setzen.
Bei solchen Gießkannenprojekten und einer „Vision Zero“ (also null Projekte für die Verkehrswende) kann die Auswahl nur wirr oder willkürlich erfolgen.
Es gibt auch in der Verkehrsplanung Kipp-Punkte: In Wuppertal liegt dieser Punkt hinter uns. Einen öffentlichen Nahverkehr, der diesen Namen verdient, wird es in der Stadt Wuppertal nicht mehr geben.
Es ist wie in der Altenpflege: Noch so viel Geld macht das System nicht besser. Die Bürgerin muss sehen, wo sie bleibt und organisiert ihren Alltag mit dem eigenen PKW, Mitfahrgelegenheiten, auf dem Rad oder auf dem eRoller.
Kipp-Punkt bedeutet auch: Es lohnt sich nicht mehr, sich für eine Sache zu engagieren, die nur Zeit kostet und kaum Resultate vorzuweisen hat. Das ist eine Sache für Frührentner, Teilzeitkräfte und Privilegierte. Oder für Grüne Politiker beim Betteln um Wählerstimmen. Der Rest fährt … siehe oben.