30.12.2015makoge wuppertal
45 Minuten bestimmen die Integration
Ein Mittwoch Nachmittag Mitte Dezember. Ganz nach dem Motto: Musik verbindet und kennt keine Grenzen. Integration im Herzen von Wuppertal. Eine Reportage.
Ein leises Klopfen kündigt die zwei Flüchtlinge an. Ihre Lehrerin öffnet ihnen die Zimmertüre, sie treten ein. Sie bringen ihre Gitarren mit, und keine Schultaschen auf dem Rücken. Kostenlos erhalten sie Instrumentalunterricht — ein Projekt, dass von der Mandolinen-Konzertgesellschaft Wuppertal e.V. (makoge) in Kooperation mit der Bergischen Musikschule ins Leben gerufen wurde.
Behailu steht das Lachen ins Gesicht geschrieben. Man merkt dem 30-Jährigen deutlich an, dass er sich auf die 45 Minuten dauernde Unterrichtseinheit freut. Es mache ihm sehr viel Spaß und es sei etwas besonderes, Gitarre zu spielen, sagt er in gebrochenem Deutsch. Der Äthiopier erzählt: Ein Instrument habe er noch nie gespielt. Doch sechs Unterrichtseinheiten und ein Auftritt bei einem Konzert haben anscheinen schon viel bewegt. „Die ersten Stunden waren sehr hart, jetzt wird es einfacher“, sagt Gitarrenlehrerin Fani Papadopoulou. Sie sei sehr zuversichtlich und sehe Behailu und Tedros schon auf einem guten Weg.
Mit vollem Eifer bei der Sache
Die beiden Flüchtlinge wollen das sechssaitige Instrument erlernen — das ist auf den ersten Blick bereits erkennbar: Konzentriert schauen sie abwechselnd auf das zweizeilige Notensystem und auf das Griffbrett, und richten anschließend ihre Finger. Sie folgen dem orangeroten Bleistift, den Papadopoulou hält, mit dem sie den richtigen Takt anzeigt. Zwischendrin kritzelt sie immer wieder in das rote Notenheft, auf dessen Einband sich ein Hase bemüht, Gitarre zu spielen. Tedros bedankt sich für die Hilfestellung, Behailu fragt noch einmal nach: „Muss man das mit dem Daumen spielen?“ Seine Lehrerin nicht und lächelt ihn freundlich an.
Die Flüchtlinge sprächen besser deutsch als englisch. Deswegen gebe es normalerweise keine Probleme mit der Verständigung, sagt die Gitarristin. Ihr Unterricht laufe ganz nach Plan.
Weihnachtslieder lassen Herzen höher schlagen
„Ich möchte mit Euch heute zwei neue Noten lernen. Das F und das D“, sagt Fan Papadopoulou. Für das Weihnachtsfest möchte sie mit ihren Schülern das Lied „Jingle Bells“ einstudieren.
Bei diesen Worten leuchten die Augen von den Beiden auf. Sie würden das Lied kennen, schließlich seien sie auch Christen und hätten in ihrer alten Heimat auch Weihnachten gefeiert, sagt einer der beiden. Tedros schlägt seinen abgewetzten beigen Turnschuh am rechten Fuß mit dem neuen weißen Schnürriemen immer wieder auf den blau-gräulichen Teppichboden der Musikschule. Der Eritreer klopft schon mal den Rhythmus mit. Tap-Tap-Tap, Tap-Tap-Tap, Tal-Tip-Tap-Tap-Ta.
Noch ist es aber noch nicht so weit. Vorher steht noch ein anderes Lied auf der Agenda: Die Flüchtlinge müssen sich noch am _ für sie gänzlich unbekannten — „Ich kenne einen Cowboy“ versuchen. Behailu stöhnt nach den ersten zwei taten laut auf. Ganz vertraut wirken die Bewegungen in der linken Hand mit dem Gitarrenhals noch nicht. Er sei sich nicht sicher, welche Töne er als nächstes greifen müsse. Schließlich seien zwei Dinge gleichzeitig zu tun: Die einzelnen Noten auf der Saite greifen und dann auch noch die Finger wechseln. Da müsse er immer hinschauen. Er sagt es nicht explizit, aber man erkennt: er ist neidisch auf die „Profis“ und die Fortgeschrittenen, die dieses Stück wohl mit Leichtigkeit spielen könnten.
Papadopolou schaut auf die Uhr, die Dreiviertelstunde ist vorbei. Angefangen habe sie „Jingle Bells“ dann doch nicht — dafür sei die Zeit zu knapp gewesen. In der letzten Stunde vor Weihnachten würden sie aber noch so weit kommen, verspricht sie. Dennoch verlassen Behailu und Tedros fröhlich die Musikschule. Sie summen gemeinsam: Jingle Bells, Jingle Bells, Jingle all the way…
weitere Informationen zu diesem Projekt:
www.makoge-wuppertal.de
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Das finde ich großartig!!!
So kommen sich fremde Menschen (auch in ihren Herzen) näher.
Im Kopf werden (unabhängig von den weiteren Entwicklungen)
überaus positive Erinnerungen bleiben. Da bin ich mir ganz sicher.
Vielen Dank für dieses völkerverständigende Engagement !!!
….was sollten wir nur ohne Flüchtlinge machen…..