Armin Foxius erklärt Goethe

„1749 wurde Johann Wolfgang von Goethe geboren. 1949 ich“, so lautet der zweite Satz des hier zu besprechenden Werkes. Eines Tagebuchs von 1999, erschienen 2024.

Ein sperriges Buch, schon wegen der fehlenden Seitenzahlen. Auf 372 Seiten, so hat es jedenfalls Amazon ausgerechnet, schreibt der Kölner Lehrer und Autor Armin Foxius über Deutschlands berühmtesten Schriftsteller. In Tagebuchform. Pro Tag eine Seite, oben meist ein Zitat aus dem Kalender „Mit Goethe durch das Jahr 1999“ von Effi Biedrzynski. Sie gilt, entnimmt man wikipedia, als die „Grande Dame der Goethe- und Weimar-Literatur“, gefolgt von einem kürzeren oder längeren Kommentar Foxius‘ über Goethe und die Welt, das literarische Leben, die Rezeption des Weimarer Genies und Reflexionen allgemeiner Art. Zu Beginn etwas holperig, als müsste sich der Autor selbst daran gewöhnen, Tagebuchnotizen zum „Kollegen“ Goethe zu formulieren.

In einer Art Vorwort heißt es: „Mit dem Alter zunehmend und nun gerade vor so einem Ereignis wie der Jahrhundert-/Jahrtausendwende fragt man: Was bleibt? (Tagebuch v. 22.12.1999).“ Es folgt der auszugsweise bereits zitierte Absatz: „1749 wurde Johann Wolfgang von Goethe geboren. 1949 ich; ein Abstand also von 200 Jahren. Das muss nichts heißen, gar bedeuten; mir ist das aber viel. Fast täglich lese ich und schlage nach in Die Goethe-Chronik von Rose Unterberger (Insel), die fast Tag für Tag des Goethe Leben aufzeichnet.“

Foxius zitiert aus diversen Quellen unterschiedlicher Provenienz. „Goethe bediente viele“, räsoniert er mit Datum vom 2. März, Christen wie Agnostiker, Linke und Rechte, Freunde der späteren Weimarer Klassik und deren Verächter. Goethe nimmt im deutschen Bildungskanon eine herausragende Position ein. Sein Enthusiast aus der Domstadt relativiert das ein wenig: „Für – sagen wir – französische Verhältnisse war Goethe ein herausragender Intellektueller, aber diese exorbitante und überragende Stellung konnte er wahrscheinlich nur in diesem provinziellen und kleinstaatlichen Deutschland haben“ (3.4.).

Aber die Begeisterung lässt kolossal nach oder ließ kolossal nach, insonderheit das Verhältnis zu den „Klassikern“. Ironisch zitiert Foxius aus dem Berliner „Tagesspiegel“, der wiederum eine Londoner Buchhändlerin zu Wort kommen lässt, die sich „den Namen Goethe buchstabieren“ lässt, um ihn in ihrem ISBN- oder sonstigen Verzeichnis nachzuschlagen (14.10.).

Der Autor hält „das Reaktionäre, Metternichhafte in Goethe“ ebenso fest wie, ironisch gebrochen, den „Kampftrinker“, den ein Leser der FAZ ausgemacht hat (1.12. und 18.5.). Dass Foxius Böll nicht mag (8.3. und 30.9.), dagegen die Trommel für Heinz Küpper rührt (17.4.) und Treffendes zu Bach und Beethoven bemerkt (20.4.), sei ebenfalls erwähnt. Otto Rehagel und Wladimir Nabokov tauchen ebenfalls auf.

Ob „ein alter, intellektueller weißer Mann bei den derzeitigen Diskursen“ als „Hauptfigur taugt“, ist anderwärts gefragt worden, und eine bemerkenswerte aktuelle Goethe-Würdigung hat der Rezensent in der „jungen Welt“ vom 28. August diesen Jahres gefunden. Armin Foxius, am 31. März 1949 geboren, demnach 75 Jahre alt, blickt anerkennend-launisch auf den Klassiker Goethe zurück. Es lohnt sich zu lesen.                                        MATTHIAS DOHMEN

 

Armin Foxius, Jahrtausendwende. Mein Goethe-Tagebuch 1999, Frankfurt am Main/Köln: Amazon 2024, ISBN 979-8-32096519-2, 372 S., 9.95 Euro. www.amazon.de, www.foxius.de.

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