„Arsch nicht hoch“

In Utopia Stadt haben in der vergangenen Woche Dreharbeiten statt gefunden. Das Theatre du Pain nutzte die Location für die Produktion von drei neuen Videoclips.

Von links nach rechts: Mateng Pollkläsener, Wolfgang Suchner, Hans König

Ein Wuppertaler, zwei Bremer, – Wolfgang Suchner, Hans König und Mateng Pollkläsener, das ist das Theatre du Pain. Die drei – inzwischen etwas älter gewordenen Herren in Anzügen, Schlips und Kragen – stehen wie Orgelpfeifen vor einem ältlichen Sofa. Vor Ihnen eine Deckenleuchte Marke Gelsenkirchener Barock. Auf das Kommando „bitte“, lassen sie sich in das Sofa fallen. Mehl wirbelt auf. Das gesamte Set aus Wohnzimmertisch, Fernseher, Sideboard und Teppich ist damit eingestaubt. In Utopia Stadt wird seit drei Tagen gedreht. Regisseur Thomas Lachmann und Kamerafrau Monika Piekarz setzten das Theatre Du Pain in Szene und wer die Comedytruppe kennt weiss, dass das was zunächst so harmlos beginnt, einen merkwürdigen Ausgang nehmen wird.

Thomas Lachmann

Das Theatre Du Pain

Seit ihrer Gründung 1984 mischen die drei Herren die deutsche Off-Theaterszene mit ihren aberwitzigen und skurrilen Vorstellungen zwischen Performance, Rock’n Roll und Schauspiel auf. Sie stellen die Welt in einer Art und Weise auf den Kopf, dass dem staunenden Publikum mit offenen Mündern nur mehr ein hysterisches Lachen gelingt. Sprachlich ausgefeilt, bis zum letzten Komma durchkomponiert, prügeln sich die drei Herren um Förmchen im Sandkasten, philosophieren über den Weltgeist und das Große und Ganze, oder schmieren sich gegenseitig gebratenes Hähnchen ins Gesicht. Dazu würzen sie ihr Spektakel mit deftigen Rock’n Roll Einlagen. Mit einer unvergleichlichen Bühnenpräsenz erzählen sie ihre Geschichten mit nur wenig Ausstattung – Theater ohne Theaterdonner, dafür aber mit umso mehr Einfallsreichtum. Schwarze Vorhänge eine Reihe von Musikinstrumenten und ein paar seltsame Requisiten reichen. Das Feuilleton liebt diese anarchische Mischung aus absurdem Witz, Boshaftigkeit und einer gehörigen Portion Selbstironie.

Am Set

Zurück zum Set. „Ich krieg den Arsch nicht hoch“ … Im Playback nöhlt die Stimme von Wolfgang Suchner einen unendlich langsamen Blues:

„Ich brauche stets n’en Mahnbescheid, der vertreibt mir dann kurz meine Müdigkeit und nehm‘ ich dann endlich was in die Hand, ist Überwindungsekel darin eingebrannt! Ich krieg‘ den Arsch nicht hoch …“

Die drei Herren lümmeln auf dem Sofa und formen die Textpassagen des Songs mit dem Mund. Mit einem „Danke“, beendet Regisseur Thomas Lachmann die Szene.

„Als nächstes kommen die Hähnchen“! Gejohle von allen Beteiligten. Wolfgang Suchner stöhnt, weil er derjenige sein wird, der das meiste Fett abbekommen wird. Drei noch warme, gebratene Hähnchen werden von Assistent Phillip Bönik gebracht. Kamerafrau Monika Piekarz justiert Ihr Equipment sorgfältig für die geplanten Nahaufnahmen. Dann beginnt die Schlacht! Nachdem Mateng Pollkläsener und Hans König ihre Hähnchen zerfetzt und auf eine höchst unzivilisierte Weise geradezu verschlungen haben, wird Wolfgang Suchner zum Opfer. Mit boshafter Miene und Schadenfreude im Gesicht nehmen Pollkläsener und König ein weiteres armes Federvieh auseinander und nutzen die Reste um Suchners Gesicht, Ohren und Haare damit einzureiben! Fett läuft über Nase, Augen und Mund, bekleckert Hemd und Hose und verschmiert seine Brille. „Danke, so bleiben“, Lachmann beendet die Szene und gibt das Signal für eine neue Einstellung. Schnell wechselt die Kamerafrau den Ort und baut Stativ und Kamera hinter dem Sofa wieder auf! Während König und Pollkläsener die Szenerie verlassen, stellt Suchner erneut seine Leidensfähigkeit unter Beweis und verharrt als Statue bis zu seinem nächsten Einsatz! „Rolle 6/2226/f die Dritte – bitte“! Endlich beendet Lachmann das Martyrium und Suchner setzt die Vernichtung des letzten Hähnchens bis zum letzten Knochen fort! „Danke“ die Szene ist im Kasten.

Die Videos

Thomas Lachmann dreht im Verhältnis 10 zu 1. Er braucht 40 Minuten Material für 4 Minuten Videoclip. Hunderte von Einstellungen versprechen ein spannendes Ergebnis. In den drei Clips zu den Songs „Das weinende Kind“, „Katastrophensehnsucht“ (beides Stücke aus „Revoluzzion zum Selbermachen“) und „Arsch nicht hoch“ (Orchestre du pain) treten Gerlinde Buschermöhle aka David Becher und weitere Wuppertaler Größen auf. Anfang Mai sollen die Videos heraus kommen. Eine große Releaseparty ist geplant. Dafür werden noch Sponsoren gesucht.

Bühnen für Off-Theater in Wuppertal

Schade, dass die drei Herren mit ihren Stücken in der nächsten Zeit nicht in Wuppertal zu sehen sein werden. Außer dem ADA und dem LCB gibt es in der Stadt keine Bühne die freie Produktionen, wie die des Theatre du Pain zeigen. Die aber können sich Theater nur hin und wieder und nicht allzu häufig leisten, denn es ist ein Zuschussgeschäft. Das soll sich laut Wolfgang Suchner mit der geplanten kleinen Spielstätte der Wuppertaler Bühnen demnächst ändern. Dort sollen auch Off-Theater auftreten und für ihre Premiere proben können. Schön wäre das – denn die Kreativen außerhalb der Staatsbühnen bringen mit ihren Ideen und wenigen Mitteln frischen Wind und Spaß auf die „Bretter die die Welt bedeuten“.

http://www.theatredupain.de/

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Fotos: Wilma Schrader

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