02.06.2016Literaturbiennale
Aus der Komfortzone
Flucht ist leider kein veraltetes Gedanken-Relikt europäischer Krisenherde und vergangener Weltkriege, sondern gegenwärtig wieder aktuell und reißt uns verwöhnte Europäer aus unserer Komfortzone.
Möchte man konstruktiv über Flucht und die, die fliehen, sprechen, dann muss man Grenzen überschreiten. Nicht bloß geographische, sondern auch politische, sprachliche und vor allem menschliche – dann muss man aus seiner Komfortzone raus. Dann begibt man sich ebenfalls auf eine Reise, wenngleich eine gepolsterte. Und somit ist Fliehen kein Alleinstellungsmerkmal für eine Gruppe, sondern etwas, was verbindet und das nicht bloß historisch, sondern vor allem menschlich. Der, der in der Lage ist, geographische, politische und sprachliche Barrieren zu überwinden, der ist mehr als ein Geflohener, der ist Mensch und muss auch Menschlichkeit erwarten können.
Das Theater am Engelsgarten war voll bis unters Dach und zwischen Einheimischen saßen da Neuheimische, die trotz ihrer zum Teil noch vorhandenen Sprachbarrieren, sich die ins Deutsch übersetzten Texte ihrer Weggefährten anhörten.
In den Geschichten bewegten nicht nur Folter und Verfolgung, sondern gerade auch Erkenntnisse über uns und unsere Kultur. Wenn man sich durch die Augen der anderen sieht, entsteht eine Verbindung.
In Europa sind Hunde der beste Freund des Menschen, in Syrien als Wachhund die beste Abschreckung. Und wenn das mal nicht symbolisch, eine einladende Geste ist! In Syrien, da sei die alte Dame auf der Straße „die Tante“, da ginge Familie über das Blut hinaus und wenn das in sozialmedialen Zeiten mal keine Freundschaftsanfrage ist!
In der anschließenden multilingualen Gesprächsrunde, war „Dankbarkeit“ eines der am häufigsten benutzten Worte, eines das – so scheint es – schnell gelernt werden wollte.
Jan Budde
Student der Buchwissenschaft und Germanistik an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz
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