11.01.2016Matthias Dohmen
Autoren der Woche: Fuchs und Funke
Die in Bonn lebende Ex-Wuppertalerin hat sich einen Namen in der Poetry-Slam-Szene gemacht, in der die Punkte weniger über Auflagenhöhen als über das Messen des Beifalls realisiert werden. Aus mehreren Wettbewerben ist sie als Siegerin, oder jedenfalls gut platziert, hervorgegangen. Ihre CD heißt „rasendlangsam“ und enthält das gesprochene Wort über Liebe, Reste und Heimat, um drei ihrer Themen zu nennen: Reste der Liebe, der Sonnencreme, des Geschmacks des Butterbrots, Wo die Liebe hinfällt – beispielsweise auf einen Sonntag, oder eben Heimat: „Wo die Dinge an ihrem Platz sind“ oder: „Heimat ist überall das, was wir verteidigen“ (Texte nach der Fassung auf der Compactdisc).
Falk Andreas Funke ist bislang mit den beiden Gedichtbändchen „tier und tor“ und „ballsaal für die seele“ hervorgetreten. Dort finden sich kurze Gedichte über „reißwolf und darmverschluss“ oder „zwei häusliche meisen“, die an Ringelnatz erinnern, aus dessen Sprachwitz auch Funke Honig saugt. Vieldeutig kommt etwa seine „amsel“ daher: „lieber / für die katz’ / gesungen als / in den morgen / geschwiegen“.
Großartig ist auf jeden Fall Funkes alter ego, Krause, der wie sein Schöpfer „seine welkende spröde Stadt“ Wuppertal liebt: „In ihr ist er aufgewachsen und geblieben.“ Treue auch gegenüber seinem Arbeitgeber, als der schnell die Bundesagentur für Arbeit auszumachen ist. Dort erleben Krause und Funke lauter absonderliche Dinge, die an Franz Kafkas Erlebnisse in seiner halbstaatlichen Versicherung denken lassen: „Als Krause am Morgen das Amt betritt, sind alle Gegenstände veraltet.“ Gott sei gelobt, steht sein Schreibtisch nicht dicht an dicht mit anderen: „Krauseseelenallein. Alle ausgeflogen. Aber er hat ja zum Glück ein Einzelbüro.“
In den von ihm selbst mit Zeichnungen versehenen Miniaturen ist viel vom Tod die Rede, der keine Sportschau verpasst („Er kann ja hinterher immer noch nachmähen. Neunzig Minuten von der Ewigkeit: Da wird kein Kunde jammern, wenn er, der Tod, sie ihm abknapst. Die halten sein Kommen meist eh für verfrüht“) und über sein Geschäftsmodell sinniert. Oder sich aufregt über allerlei Nachrufeverfasser: „Ja, soll er sich denn vorher schriftlich ankündigen? Einen Bescheid zustellen? Mit Rechtsfolgebelehrung?“
Originell sind Krauses Erfindungen wider die Handysprachlosigkeit, „das belanglose Zeug, das die Handymenschen pausenlos von sich geben. Sie kommen von hier und fahren nach dort, und das sagen sie ihrem Telefon. Krause denkt sich eine Erfindung aus: den Schweigerzähler“ („Damit zählt man schweigende Menschen. Hier im Zug wären sie wohl in der Minderheit“). Und so weiter und so fort. Langweilig wird es nie.
„Tand, Tand ist das Gebilde aus Menschenhand“ heißt es bei Theodor Fontane, und Krause, äh! Funke dichtet: „Was, fragt sich Krause, soll er mit der Welt? – Was, fragt sich die Welt, soll sie mit Krause?“
Antworten auf diese und viele weiteren ungelöste Rätsel der Menschheitsgeschichte oder – schalten wir einen Gang herunter – der Historie der Stadt und des Tals also demnächst im Kulturcafé Ada, wo Falk Andreas Funke und Anke Fuchs Rede und Antwort stehen werden. Bühne frei!
MATTHIAS DOHMEN
Anke Fuchs, rasendlangsam (CD), Paderborn: Lektora 2011, ISBN 3-938470-62-3, Euro 10,00, www.lektora-verlag.de, www.rasendlangsam.de.
Falk Andreas Funke, Krause, der Tod und das irre Lachen. Krause Geschichten, Aschaffenburg: Thomas Tonn 22012, ISBN 978-3-937821-06-1, 93 S., Euro 9,90, www.thomastonn.de.
Falk Andreas Funke, ballsaal für die seele. tierminiaturen, Stockheim: Turmhut 2010, ISBN 978-3-936084-88-7, 71 S., bei Amazon und antiquarisch erhältlich, www.turmhut.de.
Falk Andreas Funke, tier und tor. miniaturen des täglichen überlebens, Mellrichstadt: Turmhut 2004 (= format quer, 1), ISBN 3-936084-49-1, 100 S., antiquarisch erhältlich, www.turmhut.de.
Alle Angaben auch zu Verlagsorten und ISBN-Nummern nach den Büchern.
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