Buch der Woche: Band III von Ursula Langkau-Alex’ Standardwerk

60 Seiten Namen! Im Personenregister, einem Teil von Band III des hier in Fortsetzung rezensierten Werks, finden wir das Who is who der Akteure der deutschen Volksfront, der mutigen, der zaudernden, der inspirierenden wie der wiederkäuenden.

Ein weiteres Verzeichnis listet Organisationen und Institutionen auf, die im fraglichen Zeitpunkt eine Bedeutung gehabt haben. Ein drittes schließlich erschließt die Medien (Zeitungen und Zeitschriften, Verlage, Nachrichtenagenturen und Radiosender), die in Text oder Anmerkungen Erwähnung fanden.

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Die Chronik umfasst Ereignisse zwischen dem 3. November 1918 (Massenkundgebung in Kiel) und dem 1.9.1939 („Ab 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“), einem Höhepunkt der revolutionären Aktivitäten der deutschen Arbeiterbewegung und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Aufbäumen und Niederlage.

Den Kern des Buchs bilden auf über 300 Seiten zahlreiche Dokumente, die, wie man es von der Autorin gewohnt ist, in überschaubare Kapitel einsortiert sind: Vorschläge zur Sammlung der Opposition (1935/1936 – darunter Victor Schiff und Willi Münzenberg sowie Emil J. Gumbel, Heinrich Mann, Georg Bernhard und Leopold Schwarzschild), Manifeste und Kampfprogramme (1934 bis 1936, etwa das Prager Manifest der Sopade, das Manifest der „Brüsseler“ Parteikonferenz der KPD sowie Manifest und „Kundgebung“ der Lutetia-Konferenz), programmatische Verlautbarungen (Januar 1936 bis Januar 1938 – SPD, KPD, Zwischengruppen, aber auch Freidenker, Deutsche Freiheitspartei, Schwarze Front und ein „Vorschlag zur Sammlung der Katholiken in der Volksfront“), Aktionsausschuss für Freiheit in Deutschland und Volksfrontausschuss (1936/1937). Schließlich ziehen in einem abschließenden Kapitel („Resümee dreier Akteure“) Rudolf Breitscheid, Willi Münzenberg und Leopold Schwarzschild ebenfalls 1936/1937 Bilanz.

Aus Breitscheids abgewogenen Worten sei zitiert. „Wir alle haben nicht ohne gewisse Bedenken die Fahrt angetreten, zu der uns die kommunistischen Genossen einluden“ (zitiert auf S. 293, Hervorhebungen auch im Folgenden im Original). „Wir Sozialdemokraten im Westen haben unsere anfänglichen Bedenken überwunden. Der Parteivorstand beharrt bei den seinigen, die sich zum Teil mit den unsern decken, zum Teil über sie hinausgehen“ (S. 294). „Es würde eine ganz andere Wirkung ausgeübt werden können, wenn neben den Parteileitungen der Kommunisten und der SAP auch die der Sozialdemokratie ihre ausdrückliche Zustimmung zu der ‚Volksfront’ erteilte und sich an ihrer Propaganda beteiligte. Die Geschlossenheit der marxistischen Gruppen würde die Stimmung der Hitlergegner in Deutschland heben, den Mut der Emigration erhöhen und sicher auch die antifaschistischen Kreise in der ganzen Welt zu einer stärkeren Unterstützung unserer Freiheitsbewegung ermuntern“ (ebenda). Er unterlässt es aber auch nicht, über die Wellen zu schreiben, die der Moskauer Prozess gegen Sinowjew und Genossen bis nach Paris schlug. Was für ein Fiasko!

Zum Schluss zieht Ulla Langkau-Alex auf neun Seiten ein beachtenswertes Resümee und zitiert – man hebt sich ja fürs Ende ein Zückerchen auf – aus einem 1950 in Stockholm verfassten (logo: bisher unveröffentlichten) Manuskript des deutschen Sozialdemokraten Otto Friedländer. Er schrieb: „Im ganzen kann man über die Zusammenarbeit mit den Kommunisten sagen, dass sie gar nicht so aussichtslos gewesen wäre, wenn nicht später in wachsendem Maße die Moskauer Politik ihren Griff um die deutschen Kommunisten enger gespannt hätte, und wenn nicht durch die Chamberlain-Politik jenes Misstrauen zwischen Ost und West eingetreten wäre, das später den Lauf aller Ereignisse im Großen und im Kleinen bestimmte.“ Und: „Wären die Volksfronten jener Zeit, nicht zu verwechseln mit den späteren ‚Volksdemokratien’, ein Dauergebilde geworden, was wäre uns dann alles erspart geblieben!“ Schließlich: Für die Kommunisten gab es „nur die ‚proletarische Kampfmoral’, nichts anderes, d. h. aber auch, dass für sie solche Grundsätze wie die Menschenrechte nur eine Angelegenheit der Zweckmäßigkeit waren. Daran ist dann auch schließlich die Zusammenarbeit auf allen politischen Gebieten gescheitert“ (alles S. 542).

Dass Langkau-Alex mahnt, das Aufkommen der Rechten ernst zu nehmen (S. 544), verbindet sie – ein Zufall? Kein Zufall! – mit dem Resümee, das Fritz Stern kurz vor seinem Tod zog, indem er vor deren Wiederaufstieg in Europa und vor einem „neuen Zeitalter der Angst“ warnte (FAS, 22.5.2016, S. 42).

 

MATTHIAS DOHMEN

 

Ursula Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932-1939. Zwischen Berlin, Paris, Prag und Moskau. Bd. III: Dokumente zur Geschichte des Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront, Chronik und Verzeichnisse, Berlin: Akademie 2005, 544 S. (zu Verlag, alt und neu, sowie der Verfügbarkeit siehe www.njuuz.de vom 17.5.).

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