Buch der Woche: Eberhard Rondholz’ Länderporträt „Griechenland“
Politik und Gesellschaft, Geschichte und Geschichten, Alltag, Literatur und Sport des modernen Griechenlands beleuchtet Eberhard Rondholz, der als 17-Jähriger erstmals den Staat der Hellenen besuchte und dabei Feuer fing, das bis zum heutigen Tag anhält. Er schreibt aus der Position eines Menschen, der Athen und Thessaloniki, die Insel und kleinen Dörfer des Elf-Millionen-Volkes liebt, ohne die für eine nüchterne Betrachtung nötige Distanz aufzugeben.
Die Deutschen und ihr Griechenland-Bild: Es ist ein ständiges Angezogen- und wieder Abgestoßensein. Als sich die Nachkommen der Hellenen 1821 gegen die türkischen Besatzer erhoben, war ihnen die Sympathie der europäischen Nationen gewiss, doch beruhte sie auf einem fatalen Irrtum. Rondholz zitiert den deutschen Gräzisten Wilhelm Wagner, der es 1878 auf den Punkt brachte: Die in hellen Scharen ins Land eilenden „Philhellenen wurden bald durch die nackte Wahrheit von ihren unklaren Schwärmereien geheilt und kehrten meist gründlich ernüchtert, oft mit Ingrimm und Hass gegen diese Griechen erfüllt, in die Heimat zurück“ (Seite 19). Von der enttäuschten Liebe bis zur billigen Häme ist es oft nicht weit: Populär wurde der Südtiroler Philologe Jacob Philipp Fallmerayer, der zu ganz anderen Ergebnisse als die Verklärer der griechischen Mythenwelt kam: Viele Bewohner des Landes sprächen albanisch, zahlreiche Ortsnamen (Paradebeispiel: Peleponnes) seien slawischen Ursprungs, kurz: in der Griechen Adern fließe „auch nicht ein Tropfen edlen und ungemischten Hellenenblutes“ (S. 20).
Da war ja auch noch Karl May: „Wo in der Türkei ein Halunkenstreich verübt wird, da hat ein Grieche seine schmutzige Hand im Spiele“ (zitiert auf S. 22). Undsoweiter undsofort. Entgegen den ursprünglich Griechen-freundlichen Ansichten Adolf Hitlers folgte der „Führer“ bald den Rassevorstellungen seines Chefideologen Alfred Rosenberg, die sich im Wüten der deutschen Wehrmacht gegenüber den Partisanen, in Mord und Brandschatzen ihre Fortsetzung fanden. Billige Vorurteile propagierte bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ein Autor wie Erhart Kästner, der immerhin im Insel-Verlag publizierte.
Den wahren Helden setzt Rondholz ein literarisches Denkmal – vom „ungeliebten Visionär“ Rigas Velestinles bis zu Melina Merkouri, der widerspenstigen, „die als Kämpferin gegen die Putschobristendiktatur von 1967 um die Welt reiste“ (S. 49). Aber auch sie haben nicht verhindern können, dass der griechische Staat schnell ein Opfer der großen, wohlhabenden Familien wurde, die die Führung sei es der PASOK, sei es der Neuen Demokratie nicht aus der Hand gaben, sondern vom Sohn auf den Vater auf den Enkel weitervererbten. Papandreou ist so ein Name.
Dies alles führt uns der Autor vor Augen, begleitet den Leser in Taverne, Ouzeri und Kafenion, erklärt die neue griechische Weinkultur, gibt Tipps für literarisch Interessierte, stellt die Theaterlandschaft und neue Filme vor. Viel Türkisches ist im Griechischen, viel Hellenisches in der Sprache der Bewohner des Bosporus.
Es ist wahr, dass der Eintritt in die Eurozone von zahlreichen griechischen Institutionen und Parteien als ein Gang ins Paradies missverstanden wurde, auch wenn die geschönten Zahlen aus Athen den Eurokraten in Brüssel und den geschäftstüchtigen Franzosen und Deutschen durchaus bekannt waren (S. 18). Man wollte sie nicht zur Kenntnis nehmen. Wie auch heute die Schlagzeilen der „Bild“-Zeitung weitgehend das Griechenlandbild der Deutschen bestimmen. Bei Rondholz erfährt man mehr – nicht zuletzt in einer ausführlichen Zeittafel (S. 186-194) oder den „Basisdaten“ (S. 200). Viel mehr. – Wer noch mehr in Erfahrung bringen will, kann mit Rondholz in der Politischen Runde auf Tuchfühlung gehen, die sich am 24. August mit Griechenland beschäftigt.
MATTHIAS DOHMEN
Eberhard Rondholz, Griechenland. Ein Länderporträt, Berlin: Ch. Links 2011, ISBN 978-3-86153-630-7, 200 S., Euro 18,00, www.rondholz.de, www.christoph-links-verlag.de.
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