Buch der Woche: Erika Flüshöh-Niemanns „Emma, die Kaffeerösterin“

Ein wunderschönes Buch! Die Autorin zeichnet den Lebensweg ihrer Urgroßmutter nach und vermittelt sehr anschaulich das Leben in Preußen-Deutschland von den 1830er-Jahren bis zum „Sieg“ des Faschismus.

Emma Schneider geb. Backhaus, bäuerliches Waisenkind aus Haan, kommt 1862 mit 17 Jahren nach Elberfeld, ins Bergische Land. Sie tritt dort eine Stelle als Haushaltsschülerin in der feinen Pension Krügener, Casinostraße, an. Mit ihrem späteren Ehemann Friedrich Ludwig Schneider baut sie zielstrebig und mit Fleiß den schwiegerelterlichen kleinen Kolonialwarenladen in der Luisenstraße zur Kaffee-Großrösterei Friedrich Ludwig Schneider aus.Umschlag-Kafferosterin-x3.indd

Bereits als Kind entwickelt Emma eine große Geschicklichkeit beim Rösten der Kaffeebohnen. Dank ihres vielgelobten „Kaffeezüngleins“ erlangt die Manufaktur einen hohen Bekanntheitsgrad, der Fabrikation und Laden wachsen und wachsen lässt. 1908 übernehmen der Prokurist Georg Mühlhausen und ihr Neffe Karl Backhaus die Firma. In den späten 1960er-Jahren endet schließlich die Geschäftstätigkeit der Kaffeerösterei F. L. Schneider.

Die ehemalige Lehrerin an der Else hat eine große Zahl an Dokumenten ausgewertet und gründlich die einschlägige Literatur zu Rate gezogen. Emma, Kind eines „Ackerers“, lebt mit knapp 90 Jahren in einer Villa im Briller Viertel: Eine beeindruckende Karriere vor allem für eine Frau, die früh beide Eltern verlor und aus eher ärmlichen Verhältnissen stammte.

Die Welt der Familie, der Emma entstammt, ist noch im Glauben an den lieben Gott und den preußischen König erzogen  worden und beharrt auf ihm, auch wenn Sozialdemokraten wie Ferdinand Lassalle alternative politische Optionen propagieren. Auch Friedrich Engels’, des Fabrikantensohns, Eskapaden werden beleuchtet. Überhaupt verschränkt die Verfasserin sehr geschickt die persönliche und die politische Geschichte.

Klar und deutlich nimmt sie Stellung gegen Kaisertreue, den deutschnationalen Taumel 1870 und 1914 sowie, später, den aufkommenden Nationalsozialismus und stellt gleichzeitig mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen das Denken ihrer Protagonisten dar. Das man zusätzlich viel bergisches und Haaner Platt mitbekommt, macht das Buch noch mehr zu einer vergnüglichen Bildungsreise, in der auch Bleichen, Weben und Färben, die ersten „Dampfrösser“ und die Jahrmärkte, Kinderarbeit und bedrückende soziale und Umweltverhältnisse nicht zu kurz kommen. Bis hin zu der pietistischen „Einsicht“, vielleicht seien „die Armen ja selbst schuld an ihrem Schicksal, weil sei nicht gottesfürchtig genug leben“ (Seite 93).

Das Buch wird sich sehr gut für den Geschichtsunterricht eignen oder der Arbeit anderer Bildungsträger wie des Historischen Zentrums oder des – bei Flüshöh-Niemann mehrfach erwähnten – Bergischen Geschichtsvereins neue Impulse verleihen.

 

MATTHIAS DOHMEN

 

Erika Flüshöh-Niemann, Emma, die Kaffeerösterin, Remscheid: Bergischer Verlag 2015, ISBN 978-3-943886-92-2, 221 S., Euro 12,95, www.bergischerverlag.de.

 

 

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