Buch der Woche: Erwin Grosches „Kurze Strecken gehen Vögel auch zu Fuß“

Manches ist einfach nur komisch – und auch dafür sollte man ihm dankbar sei, anderes dagegen tiefsinnig und politisch.

Aphorismen, Alltagsbeobachtungen, Wahrheiten und Weisheiten umfasst das handliche Bändchen, das, von Frank Becker herausgegeben, jetzt im Nordpark-Verlag herausgekommen ist. Der Gag mit den kurzen Schritten, die auch Vögel zu Fuß erledigen (Seite 11), ist übrigens zuerst in den „Musenblättern“ erschienen, die ein breites Angebot des Paderborner Kabarettisten, Autors und Filmemachers vorhalten (www.musenblätter.de – ja, richtig, mit ä).

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Wie bei Hanns Dieter Hüsch, der große Stücke auf ihn gehalten haben soll, sind es vielfach Betrachtungen des Alltäglichen, die Ausgangspunkt witziger Vorschläge sind. Wie im Brötchenstreit: „Warum bieten Bäcker nicht Brötchen an, / die aus zwei oberen Hälften bestehen? / Manches Frühstück könnte viel friedlicher verlaufen“ (S. 64). Manches auch vorteilhafter für den Beobachter, wenn er denn frühzeitig den Braten gerochen hätte: „Mir prophezeite mal eine Wahrsagerin einen schweren Verlust, und dann war mein Goldring verschwunden und sie auch“ (S. 75).

Und welchen Ort sucht Grosches alter Ego, Padermann aus Paderborn, auf, wenn er ruhebedürftig ist, den Friedhof, was sonst: „Da ist es wirklich still und da sind mal keine Motorradfahrer, wenigstens keine lebenden“ (S. 107). Und mancher Einfall, siehe etwa auf S. 63, tritt im Gespräch mit Frank Becker zu Tage.

grosche

Gewiss doch, in einem derart tiefsinnigen Werk dürfen auch Gedanken über den Sinn des Lebens nicht fehlen wie im „Trinkerlied“ auf S. 50: „Nehmt Abschied Brüder, ungewiss / ist alle Wiederkehr / das Leben ist ein Pausenschiss / und danach kommt nichts mehr.“

Unentwegt nehmen Aperçus und kleine Geschichten Zeitgeistiges aufs Korn: „Ich hatte mal einen Ausländer als Nachbarn, der hatte sich hier total eingelebt, der war so was von integriert, der schimpfte sogar auf Ausländer. Irgendwann bekam ich dann mit, der kam aus Detmold. Es gibt auch Menschen ohne Migrationshintergund, die sich hier fremd fühlen“ (S. 111).

Hübsche Zeichnungen hat Dagmar Geisler beigesteuert, die schon mehrfach Grosches Werke illustriert und im Übrigen in Riga „weltberühmt“ ist (S. 129). Leicht irritierend, aber womöglich Teil der Inszenierung: Der Autor taucht erst im Untertitel des Buchs, der Herausgeber erstmalig im Impressum auf. Eben ein komisches Buch, das sich – Weihnachten ist ja nun vorüber – vorzüglich zu Geburtstagen oder wichtigen und, horrido, unwichtigen Besuchen überreichen lässt. Vielleicht bei dem ins Auge gefassten Friseur des Vertrauens (vgl. S. 89).

 

MATTHIAS DOHMEN

 

Erwin Grosche, Kurze Strecken gehen Vögel auch zu Fuß. Letzte Erkenntnisse und wichtige Anmerkungen. Hrsgg. von Frank Becker, Wuppertal: Nordpark 2015, ISBN 978-3-943940-14-5, 129 S., Euro 15,00, www.nordpark-verlag.de.

 

 

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