Buch der Woche: Wieschers Geschichte der Südhöhen
Der 1949 in eine seit Alters her in Barmen wohnende Familie hineingeborene Autor, Prof. Dr. Michael Wiescher, ging in Wuppertal zur Volksschule beziehungsweise auf das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium, machte sein Abitur im Oberfränkischen, kehrte zurück in die alte Heimat, studierte dann in Münster Physik, Mathematik und Astronomie sowie Geschichte. Dem Zivildienst in Wuppertal folgten die Promotion in Münster und eine wissenschaftliche Karriere, die ihn über Ohio, Mainz und Genf schließlich zur University of Notre Dame in Indiana führte, wo er heute das kernphysikalische Institut leitet. Über die Naturwissenschaften hinaus beschäftigen ihn wissenschafts- und – von Barmen komm’ ich, nach Barmen geh’ ich – lokalgeschichtliche Themen. An den Böhler Weg 40, wo er die ersten Lebensjahre verbracht hat (Foto auf S. 205) und wo heute Schwägerin und Bruder wohnen, kehrt er mehrmals jährlich zurück. Verheiratet ist er mit einer Deutschen – seine beiden erwachsenen Kinder sind dagegen „richtige Amerikaner“.
In Kern befasst er sich in dem vom Bergischen Geschichtsverein und dem Bürgerverein Hochbarmen mitfinanzierten Werk mit der „Höchster Rotte“, also Lichtscheid als dem höchstgelegenen Teil Wuppertals zwischen den ehemals selbständigen Städten Barmen, Ronsdorf und Elberfeld, und zwar vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Im Titel deutet sich schon die hauptsächliche soziale Entwicklung an, die zuerst kleinbäuerlich geprägt war, dann im Zusammenhang mit der Garnnahrung, dem Färben und Bleichen zum Aufschwung letztlich der zumeist selbständig betriebenen Textilwirtschaft führte und schließlich im Zuge der industriellen Revolution Firmen hervorbrachte, die in großem Stil Lohnarbeiter beschäftigten. Beherrschend ist in diesem Zusammenhang die Vorwerk-Dynastie und deren Fabrik auf den Barmer Südhöhen, wo Adolf Vorwerk zudem das bis heute bestehende Villenviertel am Toelleturm begründete (S. 114 f.). Wer weiß heute noch, dass es auf Lichtscheid bis zum Ersten Weltkrieg einen volksmündlich Lunapark geheißenen Großrummel mit Achterbahn, Schießständen, Bierhallen und einem „Kongodorf“ gab, in dem der „weiße Neger Ama“ ausgestellt wurde (S. 132).
Heute sind die ehedem das Landschaftsbild und die wirtschaftliche Situation beherrschenden Hofschaften wie Dausendbusch, Gockelsheide, Kapellen und Unterlichtscheid sowie die bäuerlichen Existenzen an der Ronsdorfer Straße, am Lichtscheid, am Lichtenplatz und am Birken sowie in der Marpe nur noch Geschichte – aber eine Historie, die mit vielen, vielen Tabellen, Übersichten und auf historischen Abbildungen und Fotos erstmalig zusammenhängend beschrieben und dokumentiert ist. Heute beherrschen der gewaltige Überflieger sowie Bau- und Discountermärkte das Bild.
Souverän operiert der „Barmer Jong“ an der Grenze von Wissenschaft und populär gehaltener Darstellung. Umschlag und Buchgestaltung sind gut gewählt, so dass das Buch auch von daher seinen Preis wert ist. Im Vorwort dankt der Verfasser ausdrücklich einem nimmermüde lektorierenden und korrigierenden Martin Stadtler. In seltenen Fällen ist ein Punkt an die falsche Stelle gerutscht, oder die Zitierweise ist nicht ganz einheitlich. Nicht nur für den wissenschaftlichen Gebrauch wäre ein Personenregister sehr nützlich gewesen. Diese kleinen Einschränkungen ändern jedoch nichts an dem positiven Gesamteindruck, dass die Barmer Südhöhen mit Wieschers Werk bleibende Spuren hinterlassen haben, so dass „Bauern, Weber, Arbeiter“ in den Bücherschrank jedes Wuppertalers gehört, den das Interesse an der Stadtgeschichte umtreibt. MATTHIAS DOHMEN
Michael Wiescher, Bauern, Weber, Arbeiter. Zur Geschichte der Südhöhen in Barmen, Wuppertal: Momberger 2014, ISBN 978-3-940439-60-4, 457 S., Euro 28,90, Momberger-Verlag@gmx.de.
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… und hier in der Nordrhein-Westfälischen Bibliographie finden Sie auch das Inhaltsverzeichnis des Buches:
http://lobid.org/nwbib/HT018548991