Buch des Monats Juli: Klohs’ „Für Elise“
Felix Mendelsohn (mit einem S in der Mitte) ist Musikjournalist und muss (oder will) dieses Land verlassen. Zuvor jedoch beschreibt er in 14 Briefen seine eindringlichsten Erlebnisse mit Musik. Er addressiert diese Episteln an seine Nachbarin, die er heimlich liebt und der er seine äußerst umfangreiche Musiksammlung vermacht. Sieben dieser Briefe haben die klassische Musik zum Thema, die andere Hälfte bezieht sich auf den Jazz.
Das Haus des Herrn viele Wohnungen. Bei Mendelsohn stehen die Tonträger mit den Titeln von Richard Strauss neben denen von Johann Strauß (Seite 24). Beide haben ihren Wert. Und Spuren in der Kulturgeschichte Deutschlands und Österreichs hinterlassen. Welche Art von Musik komponierte Vaughan Williams, fragt Klohs’ alter ego den britischen Experten G. Myers und erhält eine mehrdeutige Antwort: „‚Welche Art von Musik gibt es schon?’, fragte der Weißhaarige. ‚Gute und schlechte.’“ Williams, den Mendelsohn noch nicht kennt, gehört aber dann doch zu den wirklich exzellenten Tonschöpfern (S. 118).
Der Musikenthusiast wie der blutige Laie lernen Künstler verschiedener Zeiten und unterschiedlicher Stilrichtungen kennen und folgt Klohs’ Erkundungen der fachlichen und menschlichen Qualitäten bekannter Tonsetzer. Etwa von Herbert von Karajan oder Richard Wagner: „Ich weiß, dass er ein verdammter Antisemit gewesen ist. Aber vielleicht, verstehe mich richtig, vielleicht ist das nicht wichtig. Es ist vielleicht gar nicht wichtig, ob Karajan ein Arschloch ist oder nicht. Ich kenne keinen, der Brahms so herzzerreißend dirigiert hat. Und Wagner hat Bewegendes geschrieben“ (S. 87).
Der 1955 in Velbert geborene Klohs kennt sie alle, vor allem aber Klassik, Jazz und Blues. Er liebt die Musik und gibt seine Leidenschaft an den Leser weiter. Am Ende des Buches steht für denjenigen, dessen Hör- und Einkaufsliste nach Lektüre der Briefe noch nicht voll genug ist, ein Empfehlungskanon, auf dessen ersten vier Positionen Johann Sebastian Bach, Ludwig von Beethoven, Edward Grieg und Gustav Mahler stehen (S. 245-247), von dem es heißt, seine Musik sei „wie die Literatur Kafkas“ (S. 74).
Bonusmaterial, so heißt das ja heute, findet man auf Klohs’ Homepage, auf der es zu jedem Brief den passenden Soundtrack gibt (www.peterklohs.de/musik-inspiration/die-musik-zum-buch), übrigens bis auf den letzten, der die Musik Artur Vanmolls beschreibt, bei dem es sich um eine Phantasiegestalt mit realem Vorbild handelt.
Schon die schiere Zahl der erwähnten Musiker und Gruppen ist überwältigend. Desungeachtet liegt die Stärke des Romans darin, dass es dem Autor gelingt, auch dem musikalisch Unbelasteten große Schöpfungen und Richtungen nahe zu bringen. „Musik zum Lesen“ nennt er das selbst auf seiner Internetseite.
An wenigen Stellen hätte ein etwas gründlicheres Lektorat dem Buch gut getan (ein Frühling, der mit den Füßen scharrt, durch den Nebel waren die Hotels gut ausgelastet usw.). Die Umschlaggestaltung – Kompliment an den Verlag – muss man dagegen kongenial nennen. „Es sind Kleinigkeiten, an denen man erkennt, ob die Musik etwas taugt“ (S. 119). Wer diesbezüglich seine Sinne schärfen will, ist mit Klohs’ Werk mehr als gut bedient.
MATTHIAS DOHMEN
Peter Klohs, Für Elise. 15 Briefe, Bedburg: Verlag 3.0 2014, ISBN 978-3-95667-101-2, 247 S., Euro 16,90, www.peterklohs.de, www.buch-ist-mehr.de.
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