Buch des Monats: „Kindheit und Jugend“ in Wuppertal nach 1945
Glückwunsch an die fünf Frauen und fünf Männer, die sich an ihre Kindheit und Jugend im Tal erinnert haben, und den Herausgeber, der die Schreibwerkstatt geleitet hat, deren Ergebnis dieses Buch ist, von dem man fast ohne Einschränkung sagen kann, dass es eine spannende Lektüre bietet. Das Experiment hat sich gelohnt und wird ja auch, mutatis mutandis, wiederholt.
In das Leben der zehn Zeitzeugen griff der von den deutschen Faschisten angezettelte Weltkrieg tief ein. Vor allem die Folgen der beiden Großangriffe auf Barmen und Elberfeld waren im Wortsinn verheerend. Den Grundakkord schlägt gleich im ersten Beitrag Ursula de Bruyn Ouboter (Jahrgang 1931) an, die über einen Soldaten schreibt, der mit bloßen Händen in den Trümmern nach Menschen gräbt: „Auf seinen ausgestreckten Armen trug er den starren, seltsam verrenkten Körper unseres Nachbarkindes. Meine Kindheit war längst zu Ende“ (S. 31).
Es war ein „einziges Flammenmeer“ (Martin Lücke, Jg. 1935, S. 61), mit „Menschen, die wie Fackeln brannten (wörtlich), weil Phosphorbomben geworfen worden waren“ (Horst W. Tüsselmann, Jg. 1936, S. 81). Thematisiert werden die Verfolgung von jüdischen Mitbürgern wie Wolfgang Weyl, der noch als Soldat in Polen und Belgien eingesetzt wurde, bevor er „aufgrund der Rassengesetze von der Gestapo verhaftet“ wurde und angeblich bei einem Luftangriff das Leben verlor (Klaus Schumann, Jg. 1940, S. 164 f.), und das Konzentrationslager an der Kemna. Zur Sprache kommt auch der gnadenlose Egoismus, den Wolfgang Borchert beschrieben hat und der die Menschen in großer Not ergreift: „In diesen Zeiten war sich jeder selbst der Nächste“ (Schumann, S. 160).
Verständlich, dass die 1950er-Jahre teilweise verklärt werden, die doch „eine Zeit des Gehorsams, der Anpassung und nicht des Aufbegehrens, sondern des sich Fügens“ waren (Ursula Linke, Jg. 1934, S. 53), verspäteter Sedanfeiern (Udo Schneider, Jg. 1937, S. 111) und der „Lore“-Romane (Monika Werner, Jg. 1944, S. 200).
Die beeindruckendsten Schilderungen stammen von Joachim Dorfmüller (Jg. 1938), dessen Vater, ein mutiges Zeichen setzend, noch Ende der 1930er-jahre jüdischen Kindern Klavierunterricht erteilte (S. 117), und von Ulrike von Staehr (Jg. 1943), die ihren antifaschistisch eingestellten Eltern ein kleines Denkmal setzt (S. 181-183).
Den Stand der Literatur verbindet der Herausgeber und promovierte Historiker Stephen Pielhoff mit einer Einführung in die Erinnerungsliteratur. Auch das Cover ist gut gelungen und hoffentlich verkaufsfördernd. Sehr unzureichend mitgespielt hat der Verlag, der es zugelassen hat, dass einzelne Beiträge unter einer bösen Häufung von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und anderen Fehlern leiden, die in einer hoffentlich notwendig werdenden zweiten Auflage der Berichtigung harren.
MATTHIAS DOHMEN
Kindheit und Jugend zwischen Zerstörung und Aufbruch. Wuppertal in den vierziger und fünfziger Jahren – Autobiographische Annäherungen. Im Auftrag des Bergischen Geschichtsvereins (Abteilung Wuppertal) hrsgg. von Stephen Pielhoff, Remscheid: Bergischer Verlag 2014, ISBN 978-3-943886-61-1, 218 S., Euro 14,95, www.bergischerverlag.de.
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Sehr geehrter Herr Dohmen,
wir freuen uns ganz besonders für den Herausgeber Dr. Pielhoff über die wohlmeinende Rezension.
Als Verlag erfreut uns Ihr Urteil …“Sehr unzureichend mitgespielt hat der Verlag,…“ natürlich nicht besonders. Allerdings möchten wir auch klarstellen, dass wir keinerlei inhaltlichen Einfluss, auch nicht auf die Orthografie, hatten. D.h., das Buch ist nicht vom Bergischen Verlag lektoriert worden. In diesem Fall zeichnet der Verlag nur für Produktion und Vertrieb verantwortlich, wie auch im Impressum nachzulesen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst-Wilhelm Bruchhaus
Buchherstellung
Bergischer Verlag
RS Gesellschaft für Informationstechnik mbH & Co. KG
Konrad-Adenauer-Straße 6
42853 Remscheid
Germany
Ein schönes Geburtstagsgeschenk für meinen Onkel, der in dieser Zeit aufwuchs. Danke für den Tipp!