Buch des Monats: Klaus Deinets Sieburg-Biographie

Unser Autor, Germanist und Historiker, stellt am Monatsanfang ein besonderes Wuppertaler (oder bergisches) Buch vor, meist (aber nicht immer) eine Neuerscheinung. Heute präsentiert er Klaus Deinets Biographie Friedrich Sieburgs, der „eine Art Reich-Ranicki der 1950er Jahre“ war.

Das verkorkste, anstrengende Leben eines Mannes, der sich nicht zu schade war, mit dem Teufel einen Pakt einzugehen, und sich dabei einbildete, seine humanen Ideale behalten zu können, hat, in einem großartigen Buch von über 600 Seiten, der Wuppertaler Historiker Klaus Deinet beschrieben. Friedrich Sieburg diente in einem jener Freikorps, welche die Novemberrevolution erwürgten, schloss sich dann für kurze Zeit der KAPD an (der linksradikalen Schwester der KPD), legte eine beispiellose journalistische Karriere hin, die ihn, wenn auch mit Brüchen, durch die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus und die junge Bundesrepublik führte, und führte – daher der Untertitel – ein „Leben zwischen Frankreich und Deutschland“.

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Er war ein diesseits und jenseits des Rheins supererfolgreicher Schriftsteller, dessen Biographien Robespierres, Napoleons und Chateaubriands wohl immer noch lesbar sind, der aber vor allem mit den Bestsellern „Gott in Frankreich?“ (1929) und „Es werde Deutschland“ (1933), das den Nazis, für deren Verständnis er sich einsetzte, nicht geheuer war, Auflage machte, Geld und Ruhm einsackte, aber auch viele ihm unliebsame Fragen provozierte.

Diesem bewegten Leben des gebürtigen Sauerländers geht der habilitierte Frankreichkenner Deinet, im Brotberuf Studienrat am Johannes-Rau-Gymnasium, mit einer wahnsinnigen Liebe zum Detail, differenzierend bis zum Gehtnichtmehr, den roten Faden nie aus der Hand lassend und, vor allem, in einem grandiosen Erzählstil nach.

„Trotz seiner Verachtung für die Halbstarkenrituale der SA“, schreibt Deinet, „fiel er wie so viele auf Hitler herein“ (S. 10) und wusste, wie der Autor aus Dokumenten, Zeitungsberichten, Memoiren und Romanen rekonstruiert, doch immer seinen persönlichen Vorteil zu wahren. Die letzte große Auseinandersetzung lieferte er sich mit der Gruppe 47, der er als absoluter Widerling, als die „‚bête noir’ der deutschen Literaturkritik“ galt (S. 598).

Kleinere Nachlässigkeiten, die in der FAZ-Kritik aufgelistet sind, sollen hier nicht wiederholt werden, das dort angemahnte Register ist, wie man hört, in Vorbereitung. Ein wenig in die Irre führt auch Deinets Kurzcharakteristik des Versailler Friedens (S. 251).

Auf der letzten Seite des immer wieder überraschenden Werks fragt der Autor sich und uns,  was denn von Sieburg bleibe: „Er war ein Zeuge des Jahrhunderts, jenes schrecklichen 20. Jahrhunderts, für das er eigentlich nicht gemacht war“ (S. 617). Wer war das schon? Es ist eben, schrieb Brecht, der so unnachahmlich große Frauen und Männer porträtiert hat, „schade um das Land, das Helden nötig hat“.

MATTHIAS DOHMEN

Klaus Deinet, Friedrich Sieburg (1893-1964). Ein Leben zwischen Frankreich und Deutschland, Berlin: Nora 2014, ISBN 978-3-86557-337-7, 631 S., Euro 39,00, www.nora-verlag.de.9783865573377

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