Buch des Monats: Laufbekanntschaften

Unser Autor Matthias Dohmen, Germanist und Historiker, stellt jeweils am Monatsanfang ein besonderes Wuppertaler (oder bergisches) Buch vor, meist (aber nicht immer) eine Neuerscheinung. Heute präsentiert er einen Band mit Erzählungen der besonderen Art.

Laufbekanntschaften

Wolf Christian von Wedel Parlow schreibt seine Geschichten am realen Leben entlang, aber immer mit einer gehörigen Portion Phantasie. Zwölf Kurzgeschichten enthält die hier anzuzeigende Sammlung, nicht wenige davon sind in der ersten Person erzählt.

Eine der bemerkenswertesten Storys heißt „Von wogendem Buchenlaub“. Es geht um einen literarischen Abend, in dessen Mittelpunkt Getrud von le Forts „Magdeburgische Hochzeit“, die 1938 in Deutschland erschien, und Bertolt Brechts „Leben des Galileo Galilei“ stehen, dessen erste Fassung 1939 im Exil, also zeitgleich, entstand. So weit die Realität, die man jedem guten Konversationslexikon entnehmen kann.

Doch Wedel lässt die le Fort und Brecht aufeinandertreffen. Im Rahmen einer Diskussion, die in Westberlin stattfindet und zu der auch die noch junge Christa Wolf erscheint. Es kommt zu einem Showdown, an deren Ende mehr Gemeinsamkeiten der katholischen Dichterin und des DDR-gläubigen Dramatikers deutlich werden, als man auf Anhieb vermutet hätte. Das alles ist pure fiction, Erfindung Wedelscher Provenienz, eher beiläufig erzählt, wie man es von Siegfried Lenz kennt. Es ist der ironische Blick von Menschen und auf Menschen, die aufgehört haben, sich für wichtiger zu nehmen, als sie es in Wirklichkeit sind.

Wedel selbst stammt ursprünglich aus dem Osten, wo die Familie über große Güter verfügte und die Söhne entweder Herr von Haus und Hof, Berufsoffiziere oder hohe Beamte wurden (bis auf die Missratenen, zu denen unser Erzähler nicht zu rechnen ist). Er selbst ging in der Tradition der von Wedels zur Bundeswehr, arbeitete – die vorgegebenen Wege bereits verlassend – auch im Sudan und in Weißrussland, schließlich an der Bergischen Universität, Fachrichtung Ökonomie, bevor er in einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen, einen Roman („Drahomira“), Gedichte und Geschichten zu schreiben begann. Sie stecken voller Anspielungen und regen – was kann man mehr von einem „guten Buch“ erwarten – die Phantasie an. Einige Geschichten kreisen um verpasste erotische Abenteuer wie in „Ach Andrea“, bei der die männliche Hauptperson die zeitweise Angebetete nach ein paar Jahren wiedersieht, „da hatte sie schon zwei Kinder und war noch immer die stille, geduldige Frau mit dem amüsierten Lächeln“.

Wolf Christian von Wedel Parlow, Laufbekanntschaften. Erzählungen, Lüneburg: Unibuch 2013, ISBN 978-3-934900-13-4, 75 S., Euro 18,00. www.wolfvonwedelparlow.de, www.unibuchverlag.zuklampen.de.

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