Das ist der Giebel!
Bumerang – mit diesem bekannten Text von Joachim Ringelnatz beginnt die CD.
War einmal ein Bumerang;
War ein weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.
Eigenwillig auch die Interpretation des Volksliedes „Wenn die Bettelleute tanzen“. In der ersten Strophe heißt es:
„Wenn die Bettelleute tanzen
wackeln Kober und der Ranzen.“
An anderer Stelle heißt es:
„Kommt ein Bauer vor die Türe
steh’n davor gleich Stücker viere“,
doch plötzlich vernimmt man einen prominenten Politiker „liebe Landsleute“ ansprechen. Wenn die Bettelleute dagegen in eine Schenke kommen, hört man, kurz eingeblendet, Stimmengewirr aus einem Wirtshaus.
Bei „Space Walk“, dem zweiten von insgesamt 17 Stücken, fühlt an sich in einen Science-fiction-Film versetzt, auf einen unbekannten Planeten. Anleihen nimmt Giebel aber auch aus der Opernmusik, wenn er in „Königssee“ Takte aus der Ouvertüre der „Lustigen Weiber von Windsor“ zitiert.
Beeindruckend die Interpretation von Christian Morgensterns Gedicht „Notturno in Weiß“:
„Die steinerne Familie,
Aus Marmelstein gemacht,
sie kniet um eine Lilie,
in Kreis um eine Lilie,
in totenstiller Nacht.
Der Lilie Weiß ist weicher,
als wie das Weiß des Steins,
der Lilie Weiß ist weicher,
doch das des Steins ist bleicher,
im Weiß des Mondescheins.
Die Lilie, die Familie,
der Mond in sanfter Pracht,
sie halten so Vigilie,
wetteifernde Vigilie,
in totenstiller Nacht“ (vigilia, lateinisch = Nachtwache).
Sehr vergnüglich ist auch das Stück „Korfs Witze“ von Christian Morgenstern respektive Reinhard Giebel über eine Art von Scherzen, die der Zuhörer erst nicht begreift, die ihn aber dann „nachts im Bett plötzlich munter“ machen. Was Hemingway damit zu tun hat: Bitte selber hineinhören!
Giebel überrascht siebzehn Mal, indem er unterschiedliche Autoren und Musiker neu interpretiert, collagiert, distanzierend zitiert oder persifliert. Sämtliche Arrangements sind von ihm selbst, der die CD seinem Vater gewidmet hat. Von Andrea Franke stammen die Fotos in dem von wppt:kommunikation gut gestalteten Booklet.
Über die Hälfte der – deutschen und englischsprachigen – Texte stammt von ihm selbst. Die Stücke auf der CD sind samt und sonders eigenhändig eingespielt, aufgenommen, abgemischt und produziert. Rainer Widmann nannte den Tonträger in der WZ eine „rundum gelungene, unterhaltsame CD“.
Seit frühester Jugend mit Musik bekannt gemacht, hat Giebel, der in mehreren Sprachen zu Hause ist, über Jahrzehnte komponiert, gesungen, gedichtet, aber auch als Lehrer gearbeitet. Mehrere LPs und CDs sind von ihm erschienen. In den letzten Jahren hat er vor allem im Nordpark-Verlag veröffentlicht.
MATTHIAS DOHMEN
Reinhard Giebel, CD Der Giebel, Wuppertal: Nordpark 2014, Texte und Musik 41 min., EAN 4-250317-401021, Euro 15,00, www.nordpark-verlag.de.
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