Keine Spielothek – Stadt muss ja sagen zur Kultur!

Am 1. März fand die Auftaktveranstaltung zur Diskussion um die Zukunft des Wuppertaler Schauspielhauses statt. Eine Reihe von Experten aus Verwaltung und Politik gaben Auskunft über den Zustand des Graubner Baus, die zu investierenden Summen, zu erwartende Fördermöglichkeiten und informierten über Denkmalschutz und die Situation der Wuppertaler Bühnen.

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Eine Lösung für die Wupperschleife
In seiner einleitenden Moderation betonte Kulturdezernent Matthias Nocke,  dass niemand mehr den Erhalt des Sprechtheaters in Zweifel ziehe. Es müsse in der Diskussion vielmehr darum gehen, ein Konzept für den wirtschaftlichen Betrieb des Schauspielhauses zu entwickeln, bzw. für die gesamte Wupperschleife an der Kluse zu finden. Er wies darauf hin, dass Wuppertal schon andere Krisen gut überstanden habe: das Schauspielhaus sei in den 60gern mitten in der Textilkrise auf eine Industriebrache gebaut worden und sei ein Ausdruck für Selbstbewußtsein und Selbstverständnis der Wuppertaler gewesen. „Auch heute sind die Zeiten nicht einfach – insofern ist die Situation durchaus ähnlich. Nur damals ist – im Gegensatz zu heute – Eigenkapital vorhanden gewesen.“  Er rief die Wuppertaler dazu auf, die Krise als Chance zu begreifen und nach unkonventionellen Lösungen und Wegen zum Betrieb des Schauspielhauses zu suchen. Dafür habe die Stadt Wuppertal heute eine Webseite frei geschaltet, auf der jeder seine Ideen für das Schauspielhaus veröffentlichen könne.

Ein Haus für Pina Bausch
Der Vorsitzende der „Freunde der Wuppertaler Bühnen“ Günter Völker wünschte sich für das Schauspielhaus den Betrieb einer Spielstätte für den Tanz. Seine Lieblingsvorstellung sei die eines Hauses für Pina Bausch. Dort könne dann das Pina Bausch Archiv seine Heimat finden, aber auch neue Tanzstücke entwickelt werden. „Das Ganze muss lebendig sein“ konstatierte er und betonte, dass dies nicht ohne Förderung durch Land und Bund zu machen sein werde. Außerdem brauche das Sprechtheater neben der großen Bühne im Opernhaus eine weitere kleine Bühne, die – sollte das Schauspielhaus geschlossen werden – noch zu finden sei. Er wies auf den großen Erfolg der kleinen Bühne hin, die dank der Arbeit von Christian von Treskow nahezu immer ausverkauft sei.

Der arme Mann lebt teuer
Es folgten die harten Daten und Fakten. Dr. Hans-Uwe Flunkert Chef des Gebäudemanagements geizte nicht mit Zahlen. Das Haus 1966 erbaut, verfüge leider nur über eine entsprechend veraltete Technik: „Von der Elektrik über die Heizung bis zur Lüftung erinnert die gesamte Ausstattung eher an das Raumschiff Orion, als an einen modernen Theaterbetrieb.“ Eine EDV sei praktisch nicht existent. Er rechnete vor: „Um das Haus in einen betriebsfertigen Zustand zu versetzen, sind zunächst 7 Mio. Euro zu investieren. Für ein Haus von 6500 qm oder 45.000 cbm ist das eher knapp gerechnet. Die Kölner wollen 220 – 240 Mio. in die Sanierung ihres Schauspielhauses stecken. Ich weiss gar nicht wo die das alles verbauen wollen!“ Dann listete er auf, dass die fehlende Wärmedämmung zu Energiekosten von rund 1 Mio. Euro pro Jahr führten, die technischen Betriebskosten von etwa 1 Mio. dazukämen und stellte fest: „Der arme Mann lebt eben teuer. Allein der Betrieb des Hauses kostet pro Jahr 2 Mio Euro. Und bis dahin hat noch niemand gespielt. Mit einer vernünftigen Wärmedämmung könnten die Energiekosten allerdings auf ein Drittel gesenkt werden.“

1500 Plätze sind in Wuppertal nicht auszulasten
Enno Schaarwächter, Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen GmbH ergänzte die Zahlen für den künstlerischen Betrieb. „Bei der momentanen finanziellen Ausstattung der Bühnen GmbH mit 2 Mio. Euro sind 1500 Plätze nicht zu bespielen, geschweige denn in Wuppertal auszulasten.“ Die kleine Bühne im Schauspielhaus könne noch bis Ende 2012 möglicherweise bis 2013 weiter betrieben werden, weil für das Schauspielhaus Rückstellungen gebildet worden sind. „Irgendwann sind aber auch die aufgebraucht, dann müssen wir gehen.“ Er plädierte dafür, das Schauspielhaus aufzugeben, das sanierte Opernhaus für Oper und Sprechtheater zu nutzen und eine zusätzliche kleine Spielstätte zu installieren.

Denkmalschutz kann kein Dogma sein
Mit diesem Satz schloss Planungsdezernent Frank Meyer seinen Diskurs zum Thema. „Wuppertal betreibe ja einen besonders intensiven Denkmalschutz“ erklärte er. Nicht nur die Fassade des Schauspielhauses stehe unter Denkmalschutz, sondern auch Teile des Innenbereichs, wie die Decke im Publikumsraum, die hölzerne Wandvertäflung, die amphitheatralische Anordnung der Stühle, die gläsernen Lampen, Wandkacheln und der gesamte Vorplatz inklusive Sopp’scher Pavillon. „Aber Denkmalschutz kommt nur dann zum Zuge, wenn er sich einer zeitgemäßen Nutzung nicht verschließt.“ Gerade in der letzten Zeit seien mit dem Opernhaus und der Schwimmoper hervorragende Beispiele einer solchen Nutzung entstanden.

Keine Spielothek – Stadt muss ja sagen zur Kultur
Das ist die Forderung des Landtagsabgeordneten und kulturpolitischen Sprechers der Landtagsfraktion Andreas Bialas (SPD) – dann ließe sich die Fortführung des Hauses auch durchsetzen. Er betonte, dass mit der Kürzung der Ausgaben für die Kultur nichts zu erreichen sei, da sie nur 3% des städtischen Gesamthaushaltes betragen würde. Wuppertal müsse zwar weiter sparen, aber an anderen Stellen.

Sobald der Haushalt der Landesregierung genehmigt sei, stellte er einen so genannten Aktionsplan in Aussicht, der 27 Mio. Euro nach Wuppertal transferieren soll. Er mahnte außerdem die Hilfe des Bundes an, denn der sei in großen Teilen für das strukturelle Defizit der Kommunen verantwortlich. Das Schauspielhaus in ein Pina Bausch Haus umzuwandeln, halte er für eine aussichtsreiche – weil förderwürdige – Idee, denn mit Joseph Beuys sei Pina Bausch eine der einflussreichsten Künstlerinnen NRW’s. Er machte aber auch deutlich, dass ein Förderkonzept erstellt werden müsse, welches von institutioneller Förderung bis zu Projektförderung reiche. Und es müssen Profitzellen geplant werden: „Das Projekt ist so anspruchsvoll, dass Förderung allein nicht ausreichen wird, das Schauspielhaus zu erhalten.“

Die anschließenden Stellungnahmen aus dem Publikum machten deutlich dass sich die meisten einen Weiterbetrieb des Schauspielhauses wünschen und anzweifeln, dass dies nicht gehen soll:

„Wenn ich als Ritter Schloß Burg einnehmen würde und könnte mir die Heizung der ganzen Burg nicht leisten, würde ich eben nur den Rittersaal einheizen. Warum kann man den Betreib nicht auf einem niedrigen Niveau weiter führen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass alles einstürzt wenn ich die große Bühne betrete.“

Auch Verfahrensfragen wurden laut:
„Was geschieht mit den Einträgen auf der Webseite? Wie werden sie ausgewertet? Welchen Einfluss haben sie auf die endgültigen Entscheidungen?“

Es folgten Fragen zu schon vorhandenen Ideen und Äußerungen die deutlich machten, dass große Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Aktion bestehen:
„Welcher Wuppertaler hat die Zeit, die Fähigkeit und ausreichende Informationen, um überhaupt vernünftige Vorschläge zu einem solchen Projekt zu machen?“

Kulturdezernent Matthias Nocke warb zum Abschluss noch einmal eindringlich um Beteiligung: „Diskutieren Sie mit, denken Sie möglichst frei, lassen Sie sich nicht von den Zahlen beeindrucken – es geht erst einmal um eine Sammlung von Ideen.“
Er versicherte, dass alle über die Webseite eingereichten Vorschläge ausgewertet und in einer zweiten Diskussionsrunde Ende Mai vorgestellt werden sollen.

Bis zum 1. Mai können Beiträge unter www.wuppertal.de veröffentlicht werden.

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