10.08.2016Wilma Schrader
Der Trassen-Rave (Jam) und der Lärm
Wie schon im vergangenen Jahr, haben die Organisatoren von Utopiastadt die Trasse in einen offenen Open-Air Dancefloor verwandelt. Einmal, um den in Wuppertal lebenden Fans elektronischer Beats und in diesem Jahr neu, auch denen des Reggae ein gut organisiertes, feines Sommer-Festival zu bieten. Gefeiert wurde an zwei Samstagen von 12.00 bis 22.00 Uhr, einer Zeit also, in der die meisten Menschen wach sind, ihren Tätigkeiten nachgehen und eine Stadt sowieso Lärm produziert, an zwei Tagen unterlegt mit rythmischen Beats. Vom Wind getragen, waren sie noch auf den Südhöhen der Wuppertaler Berge zu hören und gaben der Stadt den Puls eines veritablen Sommer-Festivals. Bei beiden Veranstaltungen wurde auf Eintritt und Zugangskontrollen verzichtet, um möglichst vielen Menschen Teilhabe und Begegnung zu ermöglichen und Neugier auf Neues zu wecken. Die Organisation lief perfekt, Gäste, Polizei und andere Beteiligte waren zufrieden, ja glücklich. Nur einige wenige, die sich in ihrem Ruhebedürfnis beeinträchtigt sahen, beschwerten sich via Leserbrief über Dauerbeschallung und Lautstärke. Diesen Umstand nehmen die Utopisten nun zum Anlass, um für ihr Anliegen zu werben. In einem offenen Brief verdeutlichen sie, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind und alles Erdenkliche tun, um Lärm- und andere Belastungen in Grenzen zu halten. Gleichzeitig legen sie dar, dass sie es als kultur- und gesellschaftspolitische Aufgabe begreifen, dem Bedürfnis nach Begegnung, Verständigung und kultureller Vielfalt eine Plattform zu bieten:
Liebe Menschen des Mirker Quartiers, liebe Wuppertaler,
gerne nehmen wir stellvertretend für die Utopisten Stellung zu ihrem Schreiben, möchten uns in diesem Zuge aber auch noch einmal grundsätzlich positionieren.Zunächst möchten wir auf die gesetzliche und regularische Komponente der Beschwerde eingehen:
Beide Veranstaltungen, der „TrassenJam“ (23.07.2016) und der „TrassenRave“ (06.08.2016) waren angemeldet und von städtischer Seite genehmigt. Wir haben uns zu jeder Zeit an die Auflagen, welche mit einer Meldung einer solchen Veranstaltung einhergehen, gehalten. Diese Auflagen umfassen Sicherheitsauflagen, sowie Lärmschutz- und Gastronomieauflagen.
Gerade um die Lärmschutzauflagen einzuhalten, haben wir während der Veranstaltung regelmäßig Dezibel-Messungen an mehreren Punkten auf dem Gelände, sowie an den Geländegrenzen vorgenommen. Diese sind protokolliert und die Beschallung immer wieder so nachgeregelt worden, dass die Messwerte zu jedem Zeitpunkt den gesetzlichen Vorgaben entsprachen. Hier ist besonders hervorzuheben, dass der offizielle Grenzwert an der Grundstücksgrenze des Bahnhofs zum Wohngebiet mit 70-75dBA vorgegeben wird. Dieser Wert wird auch ohne Veranstaltung – alleine schon durch die neben dem Gelände befindliche Autobahn – erreicht. Die offiziellen, von der Stadt registrierten Werte, lassen sich in diesem Zusammenhang jederzeit und transparent für den Bürger, auf dem Geoportal der Stadt Wuppertal nachlesen (http://geoportal.wuppertal.de/). In diesem Sinne ändert sich also nur was der Anwohner hört, nicht aber die Lautstärke des Schalles insgesamt.Über die regulatorischen Vorgaben hinaus, sehen wir in unserem Handeln aber auch noch einen gesellschaftlichen Auftrag und Ansatz: Utopiastadt ist ein Ort der Begegnung, des gesellschaftlichen Diskurses, aber auch ein Raum, den Menschen mit ihren Leidenschaften und Bedürfnissen gestalten sollen und dürfen. Kultur gehört da ebenso dazu. Hier ist Musik – wie immer im gesellschaftlichen Kontext – eine Frage des Geschmacks. Da wir versuchen mit unserem Programm einen kulturellen und gesellschaftlichen Querschnitt abzubilden, genauso wie wir es in allen Teilprojekten der Utopiastadt tun, wird es immer so sein, dass wir nicht mit jeder einzelnen Aktion den Geschmack eines jeden treffen. Und ja: Uns ist wichtig, dass sich Menschen begegnen. Und eben auch, dass sie dies im Tanz, im Feiern, im Austausch von körperlicher Dynamik tun. Und wenn es geht auch unter freiem Himmel. Auch dazu benötigt es Räume.
Von diesen hat unsere schöne Stadt leider immer noch zu wenig. Noch mehr: Sie werden zunehmend durch Bebauung oder manchmal auch durch ein Brachliegen beschränkt. Wir sind davon überzeugt, dass solche Veranstaltungen die Stadt und besonders das Quartier beleben und bereichern. Gerade in Zeiten, in denen die Herausforderung, heterogene Gesellschaftsbestandteile zusammenzuführen und sie sich kennen lernen zu lassen, nie größer waren als jetzt!
Da auch eine Stadt und ihre Verwaltung in diesem Sinne eine kultur- und gesellschaftspolitische Aufgabe hat, besteht genau diese Möglichkeit zur Genehmigung von Veranstaltungen im Sinne einer Ausnahmegenehmigung zu besonderer Lautstärke innerhalb städtischer Gebiete. Die Gesamtzahl der genehmigungsfähigen Veranstaltungen in einer Stadt, ist deshalb erst in diesem Jahr durch den „Freizeitlärmerlass“ von Minister Johannes Remmel, sogar noch einmal erhöht worden. Nämlich von 10 auf 18 Veranstaltungen im Jahr. Info dazu hier: https://www.umwelt.nrw.de/…/2016-04-25-neuer-erlass-zu-aus…/Wir versuchen, um dem ebenfalls berechtigten Erholungsbedarf unserer Quartiersbewohner entgegen zu kommen, schon vieles. Deshalb gestalten wir unsere Veranstaltungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten moderat. Wir legen solche Veranstaltungen zum Beispiel auch bewusst auf Samstage, statt auf Sonntage. (Zum Vergleich: In Köln finden ähnliche Veranstaltungen mit bis zu 10.000 Menschen auch am Wochenende in innenstädtisch liegenden Parks bis zu 3 Tage statt.) Zusätzlich informieren wir mit langem Vorlauf per Flugblatt das Quartier und eröffnen Kontaktmöglichkeiten. Nicht zuletzt, laden wir jeden ein, mit uns zu feiern und uns, die Nachbarn und das Projekt kennen zu lernen. Genau aus diesem Grund verzichten wir auf Eintritt und Zugangskontrollen, versuchen alle Veranstaltungen auch physisch niederschwellig zu halten.
Aus unserer Sicht verzichtet jemand, der die Möglichkeit zu diesen gesellschaftlichen Zusammenkünften an den betreffenden, wenigen Terminen im Jahr nicht wahrnimmt, auf die Möglichkeit zur Teilhabe und Gestaltung unserer Stadt. Deshalb begreifen wir diese Beschwerde erneut als Chance, eben dazu aufzurufen.
Wir bauen eine Stadt! Wir bauen Utopiastadt!
Johannes Schmidt und Matthias Müller in Stellvertretung für die Utopisten.
Weiter mit:
Sehr schade, dass Wuppertal immer noch nicht in der Lage ist, solche Evans entsprechend zu würdigen. Bürgerinnen und Bürger der Stadt müssen endlich verstehen dass die Zeit des grauen Regentals vorbei gehen muss. Die Stadt präsentiert sich mittlerweile als bunt und vielfältig und wird international immer mehr gesehen. Solche Events tragen dazu bei dass dies auch in Zukunft bestand haben wird. Wir Wuppertaler sollten alle gemeinsam stolz darauf sein, was Utopia Stadt möglich macht. Leute, geht zum nächsten Trassenrave. Leute, trefft euch auf genau solchen Veranstaltungen! Leute, beschwert euch nicht wie die Spießbürger über diejenigen, die Wuppertal lebenswerter machen.
Vollkommen richtig!