22.01.2014StadtbildDeutschlandWuppertal
Die Friedrich-Ebert-Straße und ihre Entwicklung
Als die heutige Friedrich-Ebert-Straße um 1824 angelegt wurde, trug sie noch den Namen „Königsstraße“. – „Des Königs Straße zwischen Elberfeld und Düsseldorf“. Sie war eine der ersten größeren Verkehrsadern in Westdeutschland, seit dem 18. Jahrhundert existierte ferner eine Verbindung zwischen Elberfeld-Barmen und Hagen. Wir merken bereits, dass sich aus dieser Konstellation die heutige „Bundesstraße 7“ entwickeln sollte. Aber davon später mehr! Im Jahre 1938 bekam die Königstraße den ideologisch verblendeten Namen „Straße der SA“, 1945 zurück benannt in Königstraße, erhielt sie 1946 den heutigen Namen nach Reichspräsident Friedrich Ebert.
Ebert, geboren 1871 in Heidelberg, lebte zwischen 1890 und 1912 zeitweise in Elberfeld-Barmen und war dort politisch aktiv, bevor er 1913 die Nachfolge August Bebels als SPD-Vorsitzender in Berlin antrat. Im Elberfelder Thalia-Theater hielt er eine pathetische Rede deren Kernaussage folgender Satz war: „Lang genug ist das Volk Amboss gewesen, es wird Zeit, dass es Hammer wird, dass es selbst seine Geschicke in die Hand nimmt!“. Das kam bei der damals sehr links-proletarisch orientierten SPD im Wuppertal gut an, und so setzte man Ebert auf die Abgeordneten-Liste des Elberfeld-Barmer Wahlkreises. So links war Ebert eigentlich gar nicht und während des 1. Weltkriegs stand die SPD unter seiner Führung im Rahmen der Burgfriedenspolitik hinter der Regierung Bethmann-Hollwegs und den Kriegskrediten, Ebert sagte: „Der Krieg mit Russland und Frankreich war zur Tatsache geworden. England lag auf der Lauer, um unter irgendeinem Vorwand ebenfalls loszuschlagen. Italien macht nicht mit, und Österreich ist eben Österreich. Die Gefahr ist groß, auch unsere Leute standen unter diesem Eindruck.“ Im Jahre 1918 übernahm Friedrich Ebert die Regierungsgeschäfte von Reichskanzler Maximilian von Baden und 1919 ernannte man ihn zum ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik: „Ich will und werde als der Beauftragter des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei. Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin.“
Doch zurück ins Tal: der Bereich Friedrich-Ebert-Straße zwischen Robert-Daum-Platz und Pestalozzistraße war lange Zeit geprägt von den großbürgerlichen Stadtpalais der Industriellen und Patrizier, welche in diesem Teil der Stadt ausreichend Platz für ihre Grundstücke fanden, auf denen möglichst eine Fabrik, eine Villa oder ein Stadtpalais sowie eine Remise Platz fanden mussten. Die Villen und Palais entstanden in den typischen Stilrichtungen des Historismus: Klassizismus, Neobarock oder Neorenaissance. Äußerlich waren sie meist preußisch-protestantisch schlicht, aber vornehm, im Inneren entfaltete sich jedoch eine ungeahnte Pracht: Prunktreppenhäuser, Stuckdecken, neobarocke Glasmalereinen, Kuppelverglasungen und in einem Fall sogar eine Sternwarte. Besonders deutlich wird dies am Wohnhaus Friedrich Bayers, das Außen relativ unscheinbar ist, im Inneren aber – bis heute – neugotische Repräsentationsräume aufweist. Im Fall des Palais Esser sind Fabrik, Prokuristen-Villa und Remise noch vollständig erhalten. Und bei der Villa Schlieper findet sich im Gartenbereich ein antikisierender Tempel mit Tuffstein-Grotte und Springbrunnen. Wer heute mit dem Auto oder dem Bus über die Ebert-Straße fährt, ahnt kaum an welchen Schätzen er gerade vorbeirauscht. Stünden diese Häuser in Italien, jeder deutsche Tourist würde sie unbedingt besichtigen wollen! Tragisch interessant ist die Entwicklung der Friedrich-Ebert-Straße – von einer Prachtstraße über ihren totalen Niederdang als eine schmuddelige Durchgangsstraße hin zu einer zarten Reurbanisierung seit den 1980er Jahren. Doch wie konnte es zu einem derartigen Wechselspiel kommen?
Dazu blicken wir zunächst auf die Geschichte des Autos zurück: bereits ab 1882 experimentierten im württembergischen Bad Cannstatt die Herren Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach und Carl Friedrich Benz an der Erschaffung eines motorbetriebenen Fahrzeuges, um 1886 gelang ihnen der Durchbruch, das Automobil war geboren. Aber erst nach 1900 schaffte es das Auto, sich zu etablieren. Kaiser Wilhelm II. war vorerst skeptisch und es wird ihm der Ausspruch nahe gelegt: „Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung!“ Später verfügte der Kaiser ebenfalls über einen ausgedehnten Fuhrpark! Auch der Elberfelder Unternehmer Friedrich Bayer, der seinerzeit in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße lebte, war einer der ersten Autofahrer im Tal der Wupper. Bayer lies sich gegenüber seines Stadtpalais eine Remise für die Unterstellung der Kutschen, die nach wie vor als standesgemäßes Fortbewegungsmittel angesehen wurden, z. B. für den sonntäglichen Kirchgang, und der neumodischen Kraftfahrzeuge errichten. Dieses Gebäude entstand 1907 unter der Leitung des schweizerischen Architekten Ernst Ruppel in typisch bergischen Formen. Die großen Garagentore an der Remise erzählen bis heute von ihrer Funktion als Unterstellplatz für Autos. Interessant ist ferner der sogenannte „Englische Stall“, eine große Halle, welche der Fuhrunternehmer Franz Mörth 1897, als Unterstellplatz für seine Lieferwagen, Fuhrwerke und Pferdchen, errichten ließ. Schaut man von der Schwebebahn auf die Rückseite des „Englischen Stalls“, kann man noch heute die Rampe vom Parterre in die 1. Etage sehen, über die die Pferde einst in ihre Stallungen hinaufgeführt wurden.
Kurz nach der 1900er-Jahrhundertwende war auf der heutigen Friedrich-Ebert-Straße alles noch weitestgehend wie gehabt, aber nach und nach zogen die ersten Industriellen fort, denn der ansteigende Verkehr der Straße, der Lärm und ungefilterte Gestank der Autos wurde immer unerträglicher. Kutschen, Kraftfahrzeuge, Straßenbahnen, Fuhrwerke, Reiter und Fußgänger gaben sich ein buntes Stelldichein. Ab 1932 entstand die „Reichsstraße No. 7“ zwischen Leuth-Schwanenhaus und Dresden. Diese führte auch durch Wuppertal und so tat man in ihrem Bereich einiges dafür, den Verkehr möglichst flüssig zu gestalten. Die Unternehmer mit Gefolge waren inzwischen komplett weggezogen, man wohnte nun lieber auf den Höhen: im Brill, auf dem Boltenberg, am Freudenberg oder im Zooviertel. Da war die Luft besser! Ein Nadelöhr des Autoverkehrs blieb in den Zentren Elberfelds und Barmens bestehen, auf der Friedrich-Ebert-Straße aber rollte der Verkehr nun schon recht flüssig. Nach dem 2. Weltkrieg entsorgte man die im Krieg beschädigten historischen Wohngebiete Aue und Bökel (dort standen Schiefer- und Fachwerkhäuser) vollständig und schaffte 1954 Platz für die Bundesallee, denn der Verkehr hatte stark zugenommen. Ähnliches geschah in Barmen mit der Höhne. Um 1961 verabschiedete man sich von den letzten Resten des Schmuckplatzes am Elberfelder Brausenwerth sowie vom alten Hotel Kaiserhof zu Gunsten des autogerechten Döppersberg. Wo einst der schönste Platz Elberfelds die City mit dem Hauptbahnhof verband, zerschneidet nun ein zehnspuriges Straßen-Tohuwabohu diese Verbindung. Bis heute! Von da an konnte man die ganze Stadt ohne Hindernisse durchrasen. Ein Slogan des nunmehr strauchelnden ADAC lautete 1974: „Freie Fahrt für freie Bürger!“ Das gewachsene Stadtbild wurde dafür willig geopfert…
Aus den zahlreichen Remisen waren inzwischen Tankstellen und Autowerkstätten geworden, aus dem „Englischen Stall“, den man 1933 im Stil der neuen Sachlichkeit umbaute, eine der ersten Groß-Garagen Deutschlands. Der BTC unterhielt dort gleichzeitig einige Tennisplätze. Die Friedrich-Ebert-Straße hatte die höchste Tankstellen-Dichte in Deutschland vorzuweisen. Schließlich kamen über die „Bundesstraße 7“ zahlreiche Geschäftsleute und Sonntagsausflügler entlang gefahren, deren Autos Benzin-durstig waren. Ihren Kaffeedurst stillten die Insassen lieber an lauschigen Plätzen in Burg an der Wupper oder am Altenberger Dom, wo nicht so viel Verkehr war… Die Bundesstraßen trugen bis zum Bau / Ausbau der Autobahnen die Hauptlast des Fernverkehres in der Bundesrepublik. Die historischen Palais der Friedrich-Ebert-Straße wurden parzelliert und es entstanden wenig beliebte Mietwohnungen und sogar einige Bordell-Betriebe hinter verwahrlosten Fassaden. Auch zahlreiche Leerstände gab es zu beobachten. Wenig erquicklich muss die „B7“ in Wuppertal auf den Durchgangverkehr der 1960 und 1970er-Jahre gewirkt haben. Auch war sie bei Autofahrern stets gefürchtet, denn das Tal blieb trotz aller Bemühungen beengt. Es entstand der landesweite Mythos Wuppertal sei eine enge, verpestete Stadt mit heruntergekommenen Haus-Fassaden! Hier wollte man nur schnell durchsausen um sich dann im Bergischen Land an den Fachwerk- und Schieferhäusern zu erfreuen, welche man in Elberfeld aufgrund der neuen Durchgangsstraße abgerissen hatte. Groteske Situation! Zu dieser Zeit waren auch die „Sternfahrten-Bücher“ aus dem Leske Verlag zu Opladen sehr beliebte Reiseführer für Mercedes-Fahrer, und solche die es gerne sein wollten. Im Band 2 der Serie „Deutschland – Die Mitte: von Xanten bis Fulda“ verfasste der Journalist und Schriftsteller Hans Eberhard Friedrich (Axel-Springer-Verlag) Anno 1971 auch einen Text über Wuppertal, aus dem ich den Anfang gerne zitieren möchte:
„Die nun zu Wuppertal vereinigten Gewerbestädte Barmen und Elberfeld – zusammen 415.000 Einwohner – haben im letzten Krieg schwer gelitten; sie weisen heute kaum erregende Bauwerke und Kirchen auf. Jedoch gehört die über dem Laufe der Wupper mehr als 13 km lang hingeführte Schwebebahn nach wie vor zu den technischen Sehenswürdigkeiten, mag sie heute auch noch so museal anmuten; möge sie als Denkmal immer erhalten bleiben; sie zu benutzen ist ein Erlebnis.“
Man beachte dabei, wie sehr der Verfasser ein Kind seiner Zeit war, den Gründerzeitbauten – die zugegeben sicherlich in keinem guten Zustand waren – und Kirchen brachte er überhaupt keine Wertschätzung entgegen. Und auch die Schwebebahn war für ihn nur ein antiquiertes Verkehrsmittel, das im Grunde nur noch ein rollendes Museum darstellte. Er hätte sich sicher nicht vorstellen können, dass im Jahre 2015 noch neue Fahrzeuge angeschafft würden. So sehr ist der Mensch doch in seiner Zeit beschränkt! Damals war es die Zeit der autogerechten und modernen Stadt, der aber auch heute noch viele Zeitgenossen anhängen, obwohl diese Zeit anderenorts längst Geschichte ist. Es ist schon erstaunlich, wie sehr der Deutsche an seinem Auto klebt, und wie viel Kultur er dafür geopfert hat. Noch heute gibt es einen überdimensionalen Aufschrei in der Stadt, wenn darüber nachgedacht wird, die Bundesallee eine Zeitlang zu sperren, damit eine Baustelle schneller und kostengünstiger ablaufen könnte. Wenn hingegen in Sonnborn drei gründerzeitliche Häuser für einen Discounter abgerissen werden sollen, regt sich kaum Widerstand… Aber das ist eine ganz andere Geschichte!
Ab 1975 führte der Durchgangs-Verkehr über die neue „Bundesautobahn 46“ um Wuppertal herum, aber der oben erwähnte Mythos über die Stadt Wuppertal hielt sich dennoch wacker. Auch glauben viele Wuppertaler selber daran, und das ist das Tragische an der Sache! Nicht unerwähnt bleiben soll, dass beim Bau der Autobahn wieder ein Stück altes Wuppertal verschwand, besonders im Bereich Sonnborn, wo sogar die alte Remigiuskirche weichen musste. Aber: „Kein Nachteil ohne Vorteil!“ Die Friedrich-Ebert-Straße lag Anfang der 1980er Jahre wie ausgebrannt da, viele Häuser standen leer und waren vom Abriss bedroht. Hätten nicht beherzte Wuppertaler für den Erhalt gekämpft, wäre manch baulicher Schatz verloren gegangen. Die Straße profitierte von der A46, denn mit der Verkehrsberuhigung setze hier peu à peu eine Verbesserung der Lebensqualität ein. Zwar ist das Verkehrsaufkommen immer noch relativ hoch, aber im Vergleich zur Zeit vor der A46 vernachlässigbar. Man fragt sich, warum nie jemand auf die Idee einer Tunnel-Lösung gekommen ist. Wenn man z. B. bedenkt, dass im österreichischen Graz die gesamte Stadt-Autobahn unter Tage verläuft. Aber wie wir ja alle wissen, ist in einem der reichsten Länder der Erde kein Geld vorhanden…
Die allgemeine Wiederentdeckung der historischen Häuser als stilvoller Lebens- und Schaffensmittelpunkt führte auch in Wuppertal in den vergangenen Jahren zu einer schrittweisen Reurbanisierung der alten Stadtviertel. So auch in unserer Friedrich-Ebert-Straße und dem gesamten Quartier Arrenberg. Mehr und mehr verschwanden die Tankstellen und Bordell-Betriebe, dafür kamen Firmen, Künstler, Eigentümer und Mieter zurück. Die Alte Elberfelder Papierfabrik mittendrin ist eine der interessantesten und schönsten Event-Locations der Stadt. Auch die künftigen „Elba-Lofts“ in der angrenzenden Moritzstraße, die Arrenberg’schen Höfe in der Simonsstraße, das Café Simons, die herrlichen Fassaden in der Treppenstraße oder der „Aufbruch am Arrenberg“ sind positive Indizien zur weiteren Entwicklung des gesamten Viertels westlich der City. Hoffentlich wird dieser Trend fortgesetzt und die alte Königsstraße erlebt bald ihren zweiten Frühling als innenstadtnahe Wohn- und Geschäftslage. Unserer Stadt sei es gegönnt!
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Sehr gut beschrieben. Hoffentlich stzt sich dieser Trend auch am Döpperberg fort und wird nicht durch diese unsägliche Initiative Mopps 105 verbaut.