22.12.2016Matthias Dohmen
Ein Buch über besondere Schätze
Ein schönes Buch legen die sechs Herausgeber und Redakteure sowie weitere Mitarbeiter vor. Der eine oder andere Eingeweihte – vor allem, wenn er regelmäßig das „Nachrichtenblatt“ des Vereins Alter Münstereifeler liest – wird vielleicht geahnt haben, welche Schätze in den Räumen des St.-Michael-Gymnasiums lagern, doch mit dem hier besprochenen Buch gewinnt man einen Einblick in eine Bibliothek mit überaus seltenen Bänden, ohne dass man in den Kreis Euskirchen fahren muss, was Bibliophilen und Nichtbibliophilen dennoch empfohlen sein soll.
Neue, für die Veröffentlichung in diesem Jahr geschriebene Beiträge und einige Aufsätze, die zumindest zeitlich sehr verstreut erschienen sind, haben Harald Bongart, Peter Ismar und Marius Schulten, alle drei ausgewiesene Kenner der Materie, zusammengetragen. Und passend illustriert, dass es eine Freude ist, in dem Druckwerk zu blättern.
Thematisch stechen in der Jesuitenbibliothek die Hexenverfolgungen, alte Atlanten und eine Chronik, ein erstes Buch über Krankheiten und deren Heilung, Sprüche Philipp Melanchtons und das Testament des Kardinals Richelieu hervor, die auch jeweils Gegenstand von Erörterungen sind. Daneben finden sich Handschriften aus dem 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert, Schriften der Reformation und der Gegenreformation, so genannte Jesuitendramen sowie Werke der klassischen Philologie und zur Geschichte. Ein breites Spektrum.
Beschränken wir uns auf die Hexenverfolgungen, deren Hauptstränge, ihre „Argumente“ und Gegenpositionen, Hauptverbrechen und mutigen Widersacher man im „Ort der besonderen Schätze“ kennenlernt. Zu den in Münstereifel gesammelten Schriften gehören der „Hexenhammer“ Malleus Maleficarum, ein zutiefst frauenfeindliches Machwerk, sowie die bedeutenden Reformschriften von Friedrich von Spee und von Hermann Löher, übrigens einem Münstereifeler.
Mit viel Liebe zum Detail sind die Autoren unterwegs gewesen, etwa wenn Harald Bongart die „Cronica van der hillliger Stat van Coellen“, also Köln, vorstellt oder Marius Schulten Auszüge aus dem Kapitel „Teutschland“ des „Novus Atlas“ von 1634 dokumentiert und erläutert.
„Durch Bäche von Tränen“ ist die erwähnte Kampfschrift des Friedrich von Spee entstanden, Tränen, die ihm die Beschäftigung als Seelsorger mit den ungezählten unschuldigen Opfern des Hexenwahns über Jahre abgepresst habe. Man soll sich zwar vor kurzschlüssigen historischen Analogien hüten, aber es macht den Rezensenten doch betroffen, dass schon damals „das Volk“ eine teilweise äußerst kritische Rolle spielte, „denn der Hexenwahn war eine Volksbewegung, und Spee weiß um die Macht der allgemeinen, unkontrollierbaren Volksmeinung. Er steht ihr sehr kritisch gegenüber: Mir gefallen die Geister, die nicht immer alles für unzweifelhaft wahr halten, woran das gemeine Volk glaubt“ (Ismar, Seite 162).
Der „Ort der besonderen Schätze“ hat das Zeug, ein Longseller zu werden, ein Buch, das sich lange verkaufen lässt, aber das hoffentlich auch kurz- und mittelfristig am Markt (ist an dieser Stelle doppelsinnig gemeint) erfolgreich ist. Einige editorische Unzulänglichkeiten wie der teilweise exzessive Gebrauch von den Lesefluss hemmenden Versalien sollen gleichwohl erwähnt werden. Auf die Vermisstenliste gehört auch ein Personenregister.
Kann Geschichte spannend sein? Durchaus: Hier wird der Beweis erbracht.
MATTHIAS DOHMEN
Harald Bongart/Peter Ismar/Marius Schulten (Hrsg.), Ort der besonderen Schätze. Die Bibliothek der Jesuiten in Bad Münstereifel, Bad Münstereifel: Eigenverlag 2016, ISBN 978-3-00-054626-6, 239 S., Euro 19,90, www.stmg.de/index.php/2-uncategorised/244-bibliophile-kostbarkeiten-schaetze-der-bad-muenstereifeler-jesuiten-bibliothek-vorgestellt.
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