Ein opulentes Werk über eine große Frau und Revolutionärin
Sie war, so zitiert der Spross des gleichnamigen Verlages Theodor Heuss, den ersten Bundespräsidenten, „eine ungewöhnlich intelligente Frau“, mit „einem scharfen Verstand, der dem dialektischen Spiel die sicherste Form zu geben wusste“ (Seite 10).
Wohin sie sich im linken Weimarer Parteienspektrum orientiert hätte, wissen wir nicht: Die MSPD wird es kaum gewesen sein, in der USPD waren ihr auch nicht alle grün. Luxemburg zählte zu den maßgeblichen Führern der Spartakusgruppe, aus der die KPD hervorging. Mit der Oktoberrevolution war sie nicht ganz im reinen. Oft zitiert ist ihr gegen die Bolschewiki gerichtetes Diktum, die Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden. Die DDR brauchte 15 Jahre, um fünf Bände mit ihren „gesammelten“ Werken herauszugeben. Sie hatte ihre liebe Not mit Luxemburgs polemischer Haltung gegenüber Lenins „Nachtwächtergeist“ und dessen „absoluter Gewalt des Zentralkomitees“ (S. 241).
Kenntnisreich arbeitet Piper auch die Auseinandersetzungen heraus, die aus den Verbündeten Kautsky und Luxemburg Gegner machte – sehr zum Leidwesen des Parteivorsitzenden August Bebel, der Victor Adler schrieb: „Trotz aller Giftmischerei möchte ich das Frauenzimmer in der Partei nicht missen. In der Parteischule wird sie als die beste Lehrerin von Radikalen, Revisionisten und Gewerkschaftern verehrt. Dort ist sie die Objektivität in höchster Potenz. Natürlich lacht alle Welt über den Konflikt zwischen Rosa und Karl, die man für eine Art siamesische Zwillinge hielt“ (zit. auf S. 358).
Piper geht in seinem Werk, „das für lange Zeit die maßgebliche Studie bleiben wird“ (NZZ), breit auf den Mord an Liebknecht und Luxemburg ein und beleuchtet auch den Umstand, dass es keiner wahnsinnigen Recherche bedurfte, um Ross und Reiter zu nennen. Leo Jogiches gelang es quasi im Alleingang, aber es brachte ihm den sicheren Tod. Bitter sind die Worte Harry Graf Kesslers mit Blick auf die „Noske-Truppen“: Alle „geistig und ethischen anständigen Menschen“ müssten „einer so leichtsinnig und frech mit dem Leben ihrer Mitbürger spielenden Regierung den Rücken kehren“ (zit. S. 680 f.). Zu Noske gibt es noch mehr Erschütterndes in Pipers Werk.
Deutschland war zu Beginn der 1950er-Jahre „geteilt in die antikommunistische Bundesrepublik und die stalinistische DDR“ (S. 14), keine günstigen Voraussetzungen für eine adäquate Rezeption von Rosa Luxemburgs Werken. Im Grunde genommen, hat sie noch zu erfolgen. „Rosa Luxemburg. Ein Leben“ kommt also goldrichtig.
MATTHIAS DOHMEN
Ernst Piper, Rosa Luxemburg. Ein Leben, München: Blessing 2018, ISBN 978-3-89667-540-4, 832 S., Euro 32,00, www.randomhouse.de.
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