Eine Art „Kapital“-Ausgabe letzter Hand

Es ist Karl Marx’ Hauptwerk. Zum Druck kam es nach hartnäckiger Geburtshilfe von Friedrich Engels. Eine historisch-kritische Ausgabe nicht zuletzt unter Berücksichtigung (und, wo nötig, Dokumentation) der „französischen Fassung“ legt im VSA-Verlag Thomas Kuczynski vor: Ein Jahrzehnt-Ereignis.

Die Aktualität des ersten Bandes des „Kapitals“ scheint ungebrochen, der Boom findet kein Ende. Immer wieder wurde das Grundlagenwerk in den letzten 150 Jahren neu herausgegeben. Als Meilensteine gelten die „Volksausgaben“, die vom Marx-Intimus Friedrich Engels (1890), Karl Kautsky (1914 im Auftrag des Parteivorstands der SPD), Karl Korsch (1932) und, drei Jahrzehnte später, Rudolf Hickel herausgegeben wurden. Dazu kommen die Editionen des Marx-Engels-Instituts in Moskau, die blauen Bände der MEW und – nicht zu vergessen – die MEGA.

 

 

Warum also eine weitere Ausgabe? Thomas Kuczynski hat dies in seinem Nachwort umfassend begründet und fügt dankenswerter Weise einige der Vorzüge seiner Neuen Textausgabe an: Die von dem allseits gebildeten und zahlreicher Sprachen mächtigen Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler reichlich gestreuten Zitate in Englisch, Französisch, aber auch Latinisch und (Alt-) Griechisch sind sämtlich übersetzt worden. Heutzutage „unkorrekte“ Vokabeln wie „Weiber“ oder „Neger“ wurden beibehalten, Zitierfehler des oft aus dem Gedächtnis memorierenden Marx korrigiert und veraltete Maße und Werte von Geldscheinen und Münzen umgerechnet.

Ein Triumph des gedruckten Werkes: Auf der ihm beiliegenden USB-Card sind zwei getrennt aufzurufende Dateien untergebracht: der exakte (seiten- und zeilenidentische) Text des Buchs einerseits und der historisch-kritische Apparat andererseits. Den Vergleich der diversen Ausgaben des „Kapitals“ gestattet eine so genannte Konkordanz der verschiedenen Ausgaben auf S. 790 bis 793 jetzt wieder des Buchs.

Reich geworden ist der Verfasser mit seinem Grundlagenwerk keineswegs: „Nicht was du schreibst, ist wichtig“, wandte er sich an seinen Freund und Gönner Engels, „sondern dass du Lärm machst.“

Ähnliches steht wohl auch Thomas Kuczynski bevor, dem dennoch zu seiner „Kapital“-Edition nachdrücklichst gratuliert werden muss. Er hat sich um Marx und sein Hauptwerk nicht nur im Zusammenhang mit einem Hörbuch verdient gemacht (sechs CDs, 1999), ist überdies mit einem Theaterstück über den Berühmtesten aller Trierer sowie als Autor des Marx-Engels-Jahrbuchs und der Zeitschrift „Lunapark21“ hervorgetreten. Er war der letzte Direktor des Instituts für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR. Muss eine gute Schule gewesen sein.

Marx selbst war im Übrigen großzügig mit Tipps, wie man die Lektüre des 1. Bandes des „Kapitals“ am besten – vielleicht am vergnüglichsten? – starten solle, nämlich mit den Abschnitten über „den ‚Arbeitstag’, ‚Kooperation, Teilung der Arbeit und Maschinerie’, endlich über die ‚ursprüngliche Akkumulation’“ (zit. auf S. 762). Die fehlenden 200 Seiten kann man ja nachlesen.

Also ran an den Schinken.                             MATTHIAS DOHMEN

 

Karl Marx, Das Kapitel. Kritik der politischen Ökonomie, 1. Bd., Buch I: Der Produktionsprozess des Kapitals, bearbeitet und hrsgg. von Thomas Kuczynski, Hamburg: VSA 2017, ISBN 978-3-89965-777-7, 798 S. inkl. beiliegenden USB-Sticks, Euro 19,80, www.vsa-verlag.de.

 

 

 

 

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