21.03.2014StadtbildDeutschlandWuppertal
Historismus 7 – Der Übergang zur Moderne und das Ende des Historismus
Am Wort „Modern“ erkennen wir bereits, dass auch hier eine Mischform aus Historismus und Moderne vorgelegen hat. Zwar gab es schon im „Gründerzeitlichen Historismus“ unter den Schinkelschülern Persius oder Stüler etc. Rückgriffe auf den Klassizismus (Spätklassizismus; siehe z. B. die Alte Nationalgalerie in Berlin oder auch die Eisenbahndirektion in Wuppertal-Elberfeld), aber deren war noch näher am Original, als der „Moderne Neoklassizismus“.
Expressionismus, Art déco, Bauhaus-Moderne und Moderner Neoklassizismus standen kurz vor, aber überwiegend nach dem 1. Weltkrieg in Konkurrenz zueinander. War der Expressionismus im Grunde eine Weiterführung des Jugendstils und die Bauhaus-Moderne eine ganz neue Stilrichtung, so war der „Moderne Neoklassizismus“ eine Fortsetzung des klassischen Bauens, allerdings unter Hinzunahme moderner Aspekte. Die verschnörkelte Ornamentik des Jugendstil tritt völlig zurück, es werden aber noch einmal die Ideen der griechischen und römischen Antike, teilweise auch des Barock sowie der Renaissance (Palladianismus) aufgenommen, die sich im monumentalen und eher modernen Erscheinungsbild, z. B. in Säulenanordnungen, abstrakt offenbaren.
Die ersten Bauten dieses Stils entstanden um 1910, zum Beispiel mit dem Mannesmann-Verwaltungsbau von Peter Behrens in der Düsseldorfer Carlstadt, diversen Verwaltungsbauten von Wilhelm Kreis oder auch den Bauten Karl Roths, etc. Diese kann man noch zum letzten Teil des Historismus dazugehörig bezeichnen, theoretisch aber auch schon der Moderne zuordnen. In den Vereinigten Staaten von Amerika war der Moderne Neoklassizismus in den 1920er und 1930er Jahren ebenfalls ein beliebter Baustil. Die Faschisten in Italien sowie die Nationalsozialisten übernahmen ihn ebenso, und übertrieben teilweise bis ins Gigantomanische. Ein gut erhaltenes Beispiel dafür ist das Olympiastadion in Berlin, was aber im Verhältnis zu den irrwitzigen Pläne zur Umgestaltung Berlins noch sehr zurückhaltend ist. Ein expliziter Baustil der Nazis war der Neoklassizismus aber dennoch nicht, auch in demokratischen Staaten (USA, Frankreich, etc.) der 1930er Jahre ist er sehr beliebt gewesen. Nach dem 2. Weltkrieg war es im sozialistischen Ostblock teilweise üblich, nach sowjetischem Vorbild weiterhin neoklassizistisch zu bauen, allerdings nannte man diese Ausrichtung dann „Sozialistischen Neoklassizismus“. Ein bekanntes Beispiel dafür in Deutschland ist die Berliner Karl-Marx-Allee. In Westdeutschland jedoch galt der Stil lange Zeit als ideologisch belastet, da er sowohl von den Nazis, als auch von den Kommunisten im Osten Verwendung fand, hier setzte man im öffentlichen Bauen deswegen voll auf die Bauhaus-Moderne. Mittlerweile hat sich die Sichtweise auf den Historismus im Hinblick auf das „Klassische Bauen“ schon etwas liberalisiert. Schließlich war es nicht der Baustil, der die Gräueltaten der Nazis bzw. der Stalinisten begangen hatte, sondern die Menschen selber. Architektur ist zwar auch etwas politisches, aber vielleicht sollte man trotzdem weniger ideologisch an sie herantreten.
In Wuppertal ist das Rathaus ein typischer Bau des Modernen Neoklassizismus. In Barmen wurde 1908 der Entschluss gefasst, dass ein neues Rathaus gebaut werden sollte, welches den Ansprüchen einer prosperierenden Großstadt gerecht würde. Bis dato saß die Verwaltung und der Rat der Stadt nämlich noch im alten Amtshaus, welches viel zu klein geworden war und 1913 abgerissen wurde. Außerdem wollte man das um 1900 errichtete neugotische Elberfelder Rathaus in Stil und Größe übertrumpfen. So wurde Karl Roth, der auch die Rathäuser von Dresden und Kassel errichtet hatte, mit dem Neubau betraut. Von 1913 bis 1923 hat man die Dreiflügelanlage dann im Stil des Neoklassizismus errichtet. Die lange Bauzeit erklärt sich aus dem 1. Weltkrieg, während dieser Zeit ruhten die Bauarbeiten zeitweise. Auch aufgrund des Krieges verzichtete man seinerzeit leider auf den 100 Meter hohen Hochhaus-Bau, welcher hinter dem Haupttrakt als Verwaltungsbau angedacht war. Er wäre eines der ersten Hochhäuser Deutschlands geworden. Sehr bedauerlich, denn der Hochhaus-Bau hätte neben der Schwebebahn sicherlich zu einem ebenso bedeutenden Wahrzeichen unserer Stadt werden können. Besonders sehenswert und typisch klassizistisch ist der Portikus mit seinen ionischen Säulen und der breiten Freitreppe. Die Zerstörungen des 2. Weltkrieges wurden überwiegend beseitigt und das Rathaus 1958 wieder seiner eigentlichen Nutzung übergeben. Leider hat man auf den Wiederaufbau des ursprünglichen Satteldaches verzichtet. Seit der Gründung der Stadt Wuppertal, im Jahre 1929, tagt im Barmer Rathaus der Wuppertaler Rat und es ist Sitz der Oberbürgermeisters.
Sind wir mit dem Historismus in Wuppertal jetzt am Ende angelangt? Eine Frage, auf die es hundertfach die Antwort ‚Nein!‘ gibt. Denn Wuppertal ist reich an Sehenswürdigkeiten aus der Gründerzeit. Wer alles erfassen will, braucht sehr viel Zeit! Letztlich muss auch immer noch etwas da sein, das jeder für sich selbst entdeckt und als persönlichen Schatz in seinem Herzen hütet. Bald beginnt der Frühling und dann ist es meist besonders spannend durch die zahlreichen Gründerzeit-Viertel, Parkanlagen (z. B. die Hardtanlage) oder auch Friedhöfe Wuppertals (besonders der Unterbarmer Hauptfriedhof) zu spazieren. Entdecken Sie Ihre Heimatstadt neu und seien Sie ruhig einmal ein bisschen stolz auf das Tal der Wupper! Das wäre keineswegs unangebracht, im Gegenteil!
Dies war unsere letzte Folge der Historismus-Serie auf „njuuz“. Man findet uns bekanntlich auch auf Facebook unter: Stadtbild Deutschland e. V. Wuppertal. Wir würden uns sehr über Ihren Besuch dort freuen!
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen