05.01.2012Wilma Schrader
Korea trifft Wuppertal
Pansori ist traditionelles koreanisches Straßentheater. Im 18. Jhrh. das erste Mal belegt, wurden die von nur einem Sänger und einem Trommler zum Teil fünf Stunden lang andauernden Geschichten ursprünglich auf Marktplätzen aufgeführt. Im Verlauf der Jahrhunderte wurden die Rollen auf mehrere Personen verteilt und es kamen weitere Instrumente zum Einsatz. Achim Freyer, gerade von der Fachzeitschrift Opernwelt zum »Regisseur des Jahres« gewählt, hat mit seiner Interpretation von „Mr Rabbit and the Dragon King“ eine weitere Aktualisierung vorgenommen.
Für europäische Ohren wurde seine Pansori-Oper zu einer unglaublichen Reise in ein lebendes Kunstwerk. Erzählt wurde die Geschichte vom kranken Drachenkönig der im Meer lebt und nur durch die Leber eines Hasen geheilt werden kann. Achim Freiers Bühnenbild, seine stilisierten Kostüme, und seine Lichtsetzung entführten in eine archaische und gewaltige Bildwelt. Seltsam bis komisch wirkenden Fischwesen mit comichaft gezeichneten Masken bevölkerten seine „Unterwasserwelt“, dominiert von einer meterhohen Erzählerinnenfigur, Plastikflaschen hingen vom Theaterhimmel und verwiesen auf die Verschmutzung der Meere. Kleine elektrisch gesteuerte Hasen auf Rädern flitzten über die Bühne, die mal in kaltes blaues dann wieder in dramatisch rotes Licht getaucht war. Die zur Oper gehörende Musik: ungewohnt, die Orchestrierung exotisch und der Gesang rauh und fremdartig. Für die europäische Wahrnehmung entzog sich das Bühnengeschehen allen Einordnungsversuchen und jedem Vergleich. Wem es allerdings gelang sich auf das fremdartige Schauspiel einzulassen, der brauchte nicht einmal mehr die Übersetzung der Texte, denn die Geschichte entfaltete sich in ihren Bildern und entwickelte eine Anziehungskraft, die die drei-stündige Aufführung im Fluge vergehen liess.
Die Spielfreude und Virtuosität der 19 Schauspieler und Schauspielerinnen faszinierte. Die Hauptdarsteller Hase und Schildkröte begeisterten mit ihrem gut aufgelegten Spielwitz. Die große Erzählerinnenfigur beeindruckte, in Korea ist sie ein Star. Kostümideen liessen staunen, geistreiche Anspielungen und Regieeinfälle machten Spass. Und die Kraft des 77-jährigen Regisseurs Achim Freyer, der diese fantastische Welt erschaffen und gestaltet hat und beim Schlussapplaus wie ein kleiner Junge von links nach rechts über die Bühne lief, um seinen Schauspielern Luftküsse zuzuwerfen, öffneten das Herz. Das Publikum dankte es ihm, dem koreanischen Ensemble und den Wuppertaler Bühnen mit minutenlangen stehenden Ovationen für einen großartigen und grenzüberschreitenden Theaterabend.
Wer den Abend verpasst hat, kann sich mit den auf Youtube geposteten Filmausschnitten einen kleinen Eindruck verschaffen was ihm entgangen ist:
Ausschnitt 1 : Die große Erzählerin
Ausschnitt 2 : Die Krankheit des Drachenkönigs
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