Mein Freund, der Bücherdrache

Traum, Schaum, wem – Der neue Moers ist da. Mit Wortwitz und tausend Anspielungen, mit einem einleitenden Comic (gezeichnet hat der Meister wieder himself) und der Leseprobe für das nächste Buch, das „Die Insel der 1000 Leuchttürme“ heißen wird.

Hildegunst von Mythenmetz widerfährt etwas, von dem auch prominente Autoren nur träumen können: Ihm tritt – aus dem Spiegel, natürlich – Hildegunst II entgegen, „der Buchling, der mein gesamtes Werk auswendig lernt“ (S. 16).

 

 

Hildegunst und ein sechsköpfiger Geheimbund, genannt die Klassiker, rücken dem Bücherdrachen Nathaviel, der noch vier andere Namen trägt, auf den Leib – und das darf man wörtlich verstehen. „Der Drache soll druckreif gesprochen haben. Auf Zuruf sogar in Reimen von jedem beliebigen Versmaß.“ Doktor Allwissend weiß auf jede Frage eine Antwort und passt in jede Talkshow von „Hart aber fair“ bis „Anne Will“: „Erschöpfend, endgültig und so makellos formuliert, dass man seine Antworten gleich in Stein meißeln konnte. Ohne Lektorat“ (S. 24).

Auf dem Weg in den Ormsumpf – das Orm, quasi der Hegelsche Weltgeist, haben wir schon früher kennengelernt – begegnet Hildegunst II den bei Moers obligatorischen phantastischen Wesen, wozu im gegebenen Fall auch Fische auf Beinen und solche mit Haaren gehören oder Bäume mit erhängten Büchern. Die Tierwelt ist nicht ganz so vielgestaltig, wie die Freunde von Walter Moers es gewohnt sind, dafür äußert sich das Schuppentier über Jungfrauen, in die es „reingebissen“ und ein „bisschen drauf rumgekaut“ hat (S. 61). Kein Fall für Lieferando. Schließlich traktiert einen der Drache mit Allerweltsweisheiten. von denen die fünf schönsten hier zitiert werden sollen (S. 76 f.): Der Ruhm mag schwinden, aber die Vergessenheit währt ewig. Und: Solange du flüssig redest, spielt es keine Rolle, was du sagst.Oder: Ein Spatz in der Hand ist besser als ein giftiger Pfeil im Auge. Aphorismus Nummer Vier: Der Zeitraum, nach dem man etwas dringend braucht, was man gerade weggeworfen hat, beträgt durchschnittlich zwei Wochen. Letztes Beispiel: Man sollte sich nur rasieren, wenn ein Bart vorhanden ist.Nein, doch noch eine Lebensweisheit: Eine Schnecke ohne Haus ist wie ein Tiger ohne Streifen (S.89). Wahlweise auch „im Haus“ oder „Streifen ohne Tiger“, aber jetzt geht dem Rezensenten die Phantasie durch.

Gern sinniert der Bücherdrache über das Schicksal von Schriftstellern, die unentwegt Angst haben: „Angst vor dem leeren Blatt Papier! Angst vor dem vollen Blatt Papier! Angst vor dem Publikum! Angst vor zu wenig Publikum! Angst vor zu wenig Ideen! Angst vor zu vielen Ideen! Angst vor Rezensionen! Angst vor keinen Rezensionen“ (S. 111). Sieht man von Schriftstellern ab, „unterhalten sich nur Kinder und Geisteskranke in Gedanken mit Figuren, die sie sich selber ausgedacht haben“ (S. 110). Die schönste Charakteristik des Schreibenden steht – und wird hier nicht zitiert – auf S. 113, siebte bis neunte Zeile.

Was wirklich Melancholie ist, die an Orhan Pamuks hüzün erinnert, steht auf S. 78 und wird hier nicht wiedergegeben, dagegen ein Sinnspruch, der den Leser leichter älter werden lässt: „Des Lebens Lust genießen darfst du doppelt im Alter, je näher dir der Tod“ (S. 32).

Kauft, Leute, kauft!                                                                   MATTHIAS DOHMEN

 

Walter Moers, Der Bücherdrache. Ein Roman aus Zamonien mit Hildegunst von Mythenmetz, München: Randomhouse/Penguin 22019, ISBN 978-3-328-60064-0, 165 S., Euro 20,00, www.penguin-verlag.de, www.zamonien.de.

Anmelden

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert