07.05.2015

Minimalismus und Gänsehaut

Eine Kritik des Stücks "Die Bürgschaft" - aufgeführt vom integrativen Theaterensemble unter der Leitung von Markus Höller.

Bürgschaft Foto von Uwe SchinkelEs ist ungewöhnlich, dass die Aufführung der Ballade „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller im Wuppertaler Opernhaus gefeiert hat, denn das Stück wird von einer integrativen Theatergruppe aufgeführt. Sie wagt sich an ein Stück deutscher Hochkultur, nicht irgendein Stück, sondern das Paradestück für Freundschaft und Treue, die von Friedrich von Schiller 1798 geschriebene Ballade „Die Bürgschaft“.

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Die Hingabe an die Freundschaft hat das Theaterensemble, unter der Leitung des Theaterpädagogen Markus Höller, zur zentralen Aussage seiner Interpretation der Ballade gemacht. In ruhigen klaren Bildern, erzählt es mit wenigen Worten von echter Freundschaft, die in der Lage ist, Böses zum Guten zu kehren.

Die Inszenierung ist die achte Produktion dieser Theatergruppe und die erste als Kooperation mit der „Glanzstoff – Akademie der inklusiven Künste“, dem Verein „Mit-Menschen Wuppertal“ und den  „Wuppertaler Bühnen“.  Markus Höller ist es wieder einmal gelungen, nicht nur an den Erfolg der letzten Inszenierung „Die zertanzten Schuhe“ anzuknüpfen, sondern auch noch eine sichtbare und spürbare Verbesserung des Spiels der Gruppe zu erreichen.  Es sind die Bilder, wunderbar mit Licht und Musik in Szene gesetzt, die beeindrucken und als Standbild im Gedächtnis  des Zuschauers bleiben.

Es braucht für die Ballade nur wenig Bühnenbild, stattdessen viel Phantasie und Symbolik. Das Bühnenbild ist schlicht, viel Dunkelheit, ein Pult und ein großes schwebendes Tuch über dem Geschehen. Alle Schauspieler sind weiß gekleidet, die Haare mit weißer Farbe kunstvoll „angeklebt“ und nur kleine, aber feine Unterschiede zeigen Stellung oder Position der Figuren an. Mit Jason de Schrevel ist die Rolle des Damon eindrucksvoll besetzt worden. Großartig die Stelle, als er von Räubern überfallen wird, wieder Zeit verliert und ruft „Was wollt ihr? Ich habe nichts als mein Leben. Das muss ich dem König geben!“ Als die Räuber nicht ablassen, erzeugt Jason Gänsehautfeeling mit dem Satz: „Um des Freundes willen, erbarmet euch!“

Dirk Mertinat als Tyrann Dionysios entwickelt souverän die Rolle des gefühllosen, unbarmherzigen anmutenden Despoten. Den Freund verkörpert Aline Blum würdevoll, voll Zuversicht auf die Treue des Freundes mit den einfachen Worten: „Er wird kommen“. Die Rolle des Freundes mit einer Frau zu besetzten, fordert dem Zuschauer einiges ab. Nach dem Volksspruch: „wahre Freundschaft gibt es nur unter Männern“ provoziert den eigenen Kopf auch für andere Möglichkeiten zu öffnen.

So bunt, wie die Menschen in ihren Charakteren und Fähigkeiten auf der Bühne, so bunt war auch das Publikum an diesem Abend im Opernhaus. Das Stück um Liebe, Treue und Freundschaft hat mit dieser Inszenierung eine zusätzliche Dimension bekommen: es geht um Wahrhaftigkeit und nicht um leere Floskeln, es geht um das Mensch sein in der Gesellschaft.

Text: Sabine Nagl / Foto: Uwe Schinkel

 

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