01.06.2016

Passgenaues Miteinander

Hans Magnus Enzensbergers Text „Die Große Wanderung“ (1992) und Bertolt Brechts „Flüchtlingsgespräche“ (1942) erwiesen sich als erschreckend aktuell und im Vortrag von Nina Hoger, Angela Winkler, Bernd Kuschmann und Hans Richter umso eindringlicher.

Passgleich zeigten die Zuschauer an der Kasse ihre Eintrittskarten vor und begehrten Einlass in die Immanuelskirche, die während der Wuppertaler Literatur Biennale fast schon traditionell ein Versprechen für gute Inhalte ist.

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Hans Magnus Enzensbergers Text „Die Große Wanderung“ (1992) und Bertolt Brechts „Flüchtlingsgespräche“ (1942) erwiesen sich als erschreckend aktuell und im Vortrag von Nina Hoger, Angela Winkler, Bernd Kuschmann und Hans Richter umso eindringlicher. Manchmal wirkten sie nicht nur vorhersagend, sondern gegenwartsnah wie Tatsachenberichte.

Brecht treibt die Perversion auf die Spitze, spricht vom Patienten, ohne den der Chirurg sowie ein Pass ohne Mensch nichts sei, sowie ein Künstler ohne Publikum, sowie eine Eintrittskarte ohne Zuschauer ebenfalls nichts ist.

Da ist Ordnung wichtig, Struktur, und dies alles durchbrach Ron Williams, von Michael „Muffti“ Ruff am Klavier begleitet, und warb in den Liedern, um Menschlichkeit, Liebe, Frieden und um die Gunst des Publikums. Was wäre ein Publikum ohne solche Künstler, die diese Inhalte vermitteln? – Kein Publikum. Nur eine Menschenmasse, die grundlos irgendwo Einlass begehren würde – ja, es ging und geht um Inhalte.

Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass jeglicher Raum nicht nur von einer Ordnung lebt, sondern vor allem von einer Idee des richtigen Miteinanders. Denn dort, wo man ist, hat man eine Funktion so wie Organe im Körper. Und so braucht auch jeder Mensch eine Funktion, ansonsten geht er namenlos in der Masse des Fleisches unter.

Ron Williams war das Herz, die Kirche der Klangkörper, Enzensberger und Brecht das Gehirn, Hoger, Winkler, Kuschmann und Richter die Stimmbänder, das Publikum der Magen, der auf Inhalte reagierte, und die Eintrittskarten sind die Erinnerung, an eine beeindruckende Veranstaltung und ein wunderbares Miteinander, die hoffentlich bleibt.

 

Jan Budde

Student der Buchwissenschaft und Germanistik an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz

Ron Williams in der ImmanuelskircheRon Williams in der Immanuelskirche ©Jo Budde

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