05.12.2017Matthias Dohmen
Schuld und Liebe
Drei Frauen, drei Generationen, wilde Geschichten aus einer alten und neuen Heimat: Die Münchener Historikerin hat einmal mehr ein packendes Opus zustande gebracht und ist diesmal der Jetztzeit näher denn je. Bislang ist sie mit mehreren gut verkauften Romanen über Themen hervorgetreten, die ein paar Jahrhunderte zurückliegen.
Doch dieses Mal befinden wir uns in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg und in der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit.
Marlene, die titelgebende Hauptperson, hat die Vertreibung aus der Heimat nach dem Krieg längst hinter sich gelassen. Vor mehr als siebzig Jahren begann sie mit ihrer Mutter Eva am Bodensee ein neues Leben. Eine florierende Schnapsbrennerei, die die Früchte der Region verarbeitet („ins Obst gehen“), ist ihr ganzer Stolz. Erst als ihre Nichte Nane kurz nach Evas Beerdigung die Aufzeichnungen der Großmutter liest, bricht die Vergangenheit ohne Vorwarnung herein. Und ein lang gehütetes Geheimnis kommt zutage …
Riebe hat eine klare Haltung zu den nationalsozialistischen Verbrechen an Tschechen und anderen Völkerschaften des Ostens, an Juden, Minderheiten und an Oppositionellen. Das ist nicht selbstverständlich, muss doch diese antifaschistische Einstellung in jeder Generation neu erarbeitet werden.
Je differenzierter die Sicht auf die Dinge, um so besser und um so überzeugender. Zu differenzieren, heißt auch, das Unrecht beim Namen zu nennen, das an Deutschen verübt wurde, die nach der Befreiung – und um eine solche handelte es sich zweifellos – böse abgestraft wurden und übergangsweise, vor ihrer Vertreibung, eine weiße Armbinde mit einem N zu tragen hatten – N für Nemec (Seite 175).
Man könnte das Werk einen zeitgenössischen Liebesroman nennen, bei dem die Autorin hier und da die Grenze zum Melodramatischen streift. Einen Roman, dem man jeden Erfolg gönnt, auch weil er Menschen politische Tatsachen nahebringen kann, die jedem Sachbuch über das Dritte Reich aus dem Weg gehen.
MATTHIAS DOHMEN
Brigitte Riebe, Marlenes Geheimnis. Roman, München: Diana 2017, ISBN 978-3-453-29205-5, 432 S., Euro 19,99, www.randomhouse.de/Verlag/Diana-Verlag/31000.rhd.
Demnächst:
Bücher für den Gabentisch 3: Reinhard Giebel, Rein akustisch
Bücher für den Gabentisch 4: „Frauen im Tal“
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen