„Schwebeblumen“ von Peter Hohberger
Hohberger wurde 1939 in der Nähe von Görlitz (Schlesien) geboren, verlor Mutter und Bruder bei einem Bombenangriff, machte eine Handwerkslehre, ging zur Schauspielausbildung nach München und lernte die Bildhauerei. Was er in der letztgenannten Disziplin, an Skulpturen und Malereien, hervorgebracht hat, davon vermittelt ein Bildteil, der in der Mitte des Buches zu finden ist, einen Eindruck.
Das „Mehrfachtalent“, als das er im Vorwort beschrieben wird, war viel unterwegs, vor allem im Süden Europas. Und hat hier das eine und dort das andere zu Papier gebracht und – zu unserem Glück – aufbewahrt.
Der Fluss Somme, der Ort Verdun: „Somme ist auch das französische Wort für Summe. Die Summe: Über eine Million Tote, Verstümmelte und Verwundete“ (S. 80). An einem einzigen Ort. Die Birke als Baum Russlands (S. 62), wie sich Trauer zusammensetzt bei einem Mann, der sich umbringt (S. 56-59), Paul, der getrunken hatte (Ausgezählt, S. 19-24). Kluge Beobachtungen in einer bildhaften Sprache.
Ein sehr starker Text Hohbergers: „Für einen Dollar“. Über Beobachtungen 1988 in New York, einen alten Präsidenten, der das, was er sich vorgenommen hatte, nicht erreicht, und den gegenwärtigen, an dem alles „irgendwie Übergröße“ besitzt und der „für Verlierer nicht viel übrig“ hat. Die „Dollars der Großsammler“ haben „die angenehme Eigenschaft, sich von selbst zu vermehren“, aber die Revolution, die viel ersehnte, „geht meist schief – eigentlich immer“ (S. 104-111).
In Port Bou (auch Portbou) steht eine kleine Gedenkstätte, die „keiner mehr besucht“ und die an den deutschen Antifaschisten Walter Benjamin erinnern soll, der, die vielleicht rettende Grenze zu Spanien vor Augen, den Freitod wählte. „Das damalige Deutschland hatte ihn zum Selbstmord getrieben, das damalige Deutschland war sein Mörder“ (S. 60 f.). Wenn wir heute Hohberger lesen, erinnern wir uns neu des Philosophen, Schriftstellers und Übersetzers Benjamin.
Tiefsinnig-Philosophisches hat er auch anzubieten, indem er auf S. 118 Einsteins Frage an einen Theologiestudenten zitiert: „Kann Gott einen Stein erschaffen, den er nicht zu heben vermag?“
Hohberger hat am Münchener Residenztheater gespielt, in Münster, Essen und Köln, Bad Godesberg, das heute zu Bonn gehört, und Neuwied. Seit 1980 wandte er sich verstärkt der Bildhauerei zu. Und ging mit offenen Augen durch die Welt, die er heute an der Seite seiner Frau Renate von Wuppertal aus betrachtet.
Seine „Schwebeblume“, die dem Band den Titel gegeben hat, ist übrigens die Cosmea (S. 91 und 137). Wir möchten noch mehr von Ihnen sehen, hören und lesen, Herr Hohberger.
Matthias Dohmen
Peter Hohberger, Schwebeblumen. Texte und Bilder, Wuppertal: Nordpark 2019, ISBN 978-3-943940-60-2, 156 S., 16,80 Euro.
NACHBEMERKUNG: Dies ist seit längerem wieder eine Rezension von mir und an dieser Stelle. Ab sofort werde ich mich wieder regelmäßig auf www.njuuz.de zu Wort melden.
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