Sensationsfund eines Wuppertaler Historikers

Auf einem Flohmarkt fand Markus Kiel eine Dissertation, in der 1937 die Euthanasie rechtfertigt wurde.

Die Dissertation heißt „Bemerkenswertes zu den bisher unfruchtbar gemachten Erbkranken der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Gießen. (Von Inkrafttreten d. Ges. z. Verhütung erbkranken Nachwuchses bis Ende Mai 1936)“ und stammt von einem Willers Jessen.

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Dieser wurde in Gießen 1937 mit einer nicht einmal 25 (!) Seiten umfassenden Arbeit zum Dr. med. promoviert und verwendete ganze sieben Literaturangaben, darunter einmal Hitlers „Mein Kampf“: Wer „gesund“ sei, heißt es dort, dürfe dem Staat keine Kinder „vorenthalten“, und wer nicht gesund sei, dem sei es als hohe Ehre anzurechnen, wenn er oder sie „freiwillig“ auf den Kinderwunsch verzichte.

Eine zentrale Aussage in Jessens Dissertation lautet: Der Ärzteschaft fällt bei der Unfruchtbarmachung psychisch Kranker „die wichtigste Aufgabe zu, insbesondere die Gedanken und Worte des Führers tief ins Volk zu tragen“ (S. 22).

Erbgesundheitsdiss

 

Ein der Doktorarbeit beigefügtes Schaubild stellt dann auch noch die Vererbung von Krankheiten unter anderem bei „Trinkern u. Psychopathen“, einer unter „angeborenen Schwachsinn“ fallenden Frau, einer „blödsinnigen“ Frau und ihres „nicht ganz normal“  seienden Mannes sowie in einem weiteren Fall  bei „Volljuden“ (Kontext!) dar.

Eine wichtige Rolle spielten bei der juristischen „Begründung“ der Euthanasie die „Erbgesundheitsgerichte“. Sie wurden im Deutschen Reich durch das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 eingeführt und galten ab dem 1. Januar 1934. Sie entschieden in äußerlich rechtsförmig gestalteten Verfahren über Zwangssterilisationen geistig und körperlich behinderter Menschen, Patienten psychiatrischer Heil- und Pflegeanstalten sowie Alkoholkranker und waren damit Werkzeug zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Rassenhygiene, die den Menschen zum bloßen Objekt staatlicher Verfügungsgewalt herabwürdigte (wikipedia). Bis Mai 1945 wurden aufgrund der Beschlüsse der Erbgesundheitsgerichte etwa 350.000 Menschen zwangssterilisiert.

„Erbgesundheitsgerichte“ gab es auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen in Duisburg und in Wuppertal. – Die Verbrechen des SS-Staates im Bergischen Land sind in mehreren Untersuchungen behandelt worden. Wegweisend bleibt das von Klaus Goebel herausgegebene Werk „Wuppertal in der Zeit des Nationalsozialismus“.

Markus Kiel ist 2015 mit dem Buch „‚Im Dienst der heimischen Wirtschaft’. Biografie des Nationalsozialisten und ehemaligen Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Wuppertal-Remscheid Dr. Friedrich Ludwig Wachs“ (https://www.njuuz.de/beitrag32609.html) hervorgetreten. Im Dezember 2016 kommt eine Ausarbeitung zum NSDAP-Kreisleiter Alfred Straßweg heraus.                                                                                                                 M. D.

 

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Kommentare

  1. Bernhard Sander sagt:

    Interessant wäre ja nun die Frage nach dem Werdegang diese so Deutschen Mediziners im und nach dem Ende des tausendjährigen Reiches.
    B. Sander

    1. Markus Kiel sagt:

      Hallo Herr Sander,
      ich hatte nur begrenzte Möglichkeiten zu recherchieren.

      Der Dr. med. wurde 1909 in Celle geboren, promovierte in Gießen, ging dann nach Eckernförde.
      Dort ging es wohl zwei „Dr.“ mit dem Namen, zumindestens gibt es einen 1909 geborenen, der 1949 verstarb (den Ort habe ich nicht rausgefunden) und einer soll in den 90er gestorben sein, hatte eine Architekten-Gattin, aus deren Haus soll das „Werk“ gewesen sein.

      Wenn Sie was rausfinden, dann melden Sie sich doch bitte.

      Gruß aus W.! MK

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