Sommerloch // Zugabe // Brandt Brauer Frick
In Wuppertal erfindet sich die Club-Kultur etwa alle zehn Jahre neu. Neue Sounds und Genres, neue Technologien und damit auch neue Protagonisten und Stars traten und treten in fast regelmäßigen Abständen in Erscheinung. Vor etwa Zwanzig Jahren war es vor allem die Beatbox, die der neuen Zeit Rechnung trug. DJs entwickelten sich in dieser Zeit zu Künstlern, generierten eine völlig neue Sound- und Performance Qualität. Bands wurden nicht überflüssig, spielten eine grandiose Nebenrolle oder mutierten zu Sample-Lieferanten. DJs schufen eine neue Ästhetik des Nachtlebens. Zusätzlich wurden Platten alter Helden neu aufgelegt und verbreitet, um der Nachfrage nach rarer und hipper Musik Rechnung zu tragen. Lichtgestalten wie DJ Premier zelebrierten eine hohe Kunst aus scratching, crossfading und time pitching. Techno DJs erfanden den Flow, eine Energie, die sich durch eine ganze Nacht, manchmal weitaus länger, zog und den Nachtschwärmern als fliegender Tanzteppich diente und dient. Der Song im klassischen Sinne wurde „abgeschafft“. Gesang wurde Teil der Atmo, des Flow. Neben der Beatbox bemühte sich der U-Club sehr erfolgreich um den neuen Geist.
Wuppertal war eines der maßgeblichen Zentren dieser Kultur in Deutschland, teilweise darüber hinaus. Kurz vor Ende der Neunziger Jahre zeigten die Propellerheads, wie DJing und Live Musik zusammen funktionieren – zwei Musiker, zwei Plattenspieler, Schlagzeug, Bass und Keyboard, fertig! Diesmal war das Pavillon für kurze Zeit das lokale Epizentrum, bevor mit dem 45 rpm der Club gegründet wurde, in dem dieser neue Geist ein festes Domizil für innovative Clubkultur wurde. Nu Jazz, Drum&Bass, Worldmusic, Breakbeats, Deep House und andere Subwelten der Popkultur wurden gehegt, gepflegt und weiterentwickelt. Der Computer wurde das unverzichtbare Werkzeug neuer Musik. Sehr zum Unwillen derer, für die der Computer ausgewiesenes Teufelszeug war (und teilweise noch ist). Der Computer eröffnete immer mehr Menschen die Möglichkeit, einen eigenen Sound zu kreieren, ohne Band, Produzent und Studio!
Und jetzt das Sommerloch – ein Club, ein Kommunikationszentrum, ein Ort für Musik, Kunst, Tanz, Comedy, Film, Graffiti, etc. Der DJ ist nach wie vor das Maß der Dinge, nur, dass DJs nicht mehr vor allem Plattenspieler und das Mischpult einsetzen. Laptop, Sampler, Monome und Musik-Programme wie Ableton Live bestimmen das Treiben an den Decks, auf der Bühne. Musik wird immer mehr zum abstrakten Tool für spontan und live inszenierte Beats-Happenings. Die Bühne ist weniger Altar als noch zu Techno-Glanzzeiten, als DJs wie Gurus verehrt wurden. Die Bühne ist heute mehr ein Cockpit, an dem in schweißtreibender Geschwindigkeit und in Echtzeit eine Suppe aus Sounds, Beats und Minimal-Messages kreiert wird. Die Party ist eher mit einem Voodoo-Ritual vergleichbar, als mit einer Tanz-Veranstaltung. Im Dub Step, einem Stil-Mix aus Dub Reggae, Drum&Bass und Garage-House, werden Beats verschleppt, verzögert, manchmal ganz ausgelassen. Die Pause, der Break, wird regelrecht inszeniert. Die Pause ist ein elementares Stilmittel geworden.
Allerdings spielte im Sommerloch auch Ravi Coltrane, der Sohn von John und Alice Coltrane, zelebrierte seinen vom Vater und der Mutter inspirierten Jazz. Nach wie vor legen DJs Schallplatten auf, erzählen Komödianten in „Absurdistal“ Geschichten, die uns zum lachen bringen, werden Filme auf Celluloid gezeigt, wird Graffiti an die Wände gesprüht. Aber der Geist, mit dem all das geschieht, ist neu. Alles kann immer passieren, an einem Abend, einvernehmlich und in friedlicher Koexistenz. Alles ist irgendwie gleichwertig. Nichts ist größer, als etwas anderes. Früher schimpften die Leute Bob Dylan einen Verräter, weil er die akustische gegen eine elektrische Gitarre tauschte und boykottierten seine Platten und Konzerte. Später musste man sich entscheiden – Hip Hop oder Techno. Zwei dominante Subwelten, zu denen man sich zugehörig fühlte oder eben nicht. Heute passiert alles parallel, manchmal gleichzeitig, teilweise in einem Song! Neue Helden sind der „The Gaslamp Killer“, „Flying Lotus“ und „Daedelus“ – und „Brandt Brauer Frick“. Die drei Berliner drehen den Spieß um: mit Flügel, Harfe, Posaune, Percussions, Vibraphon und Stimme kreieren sie technoide Songs für Konzertsäle, Clubs und am kommenden Samstag fürs Sommerloch. To be continued…
http://www.youtube.com/watch?v=lrOVaqdYxuM
http://www.youtube.com/watch?v=GsWQkFIXIuI&feature=relmfu
http://www.youtube.com/watch?v=9aclDKR_4Ao&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=6NFdRDjXzBs
http://www.facebook.com/event.php?eid=186845961350919
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