Sport, Politik, Heimat – Das Willfried-Penner-Lesebuch

Einblicke in ein aufregendes Leben und in die Geschichte der Bundesrepublik gewährt ein neues Buch des Wuppertaler Nordpark-Verlages, dessen Vorwort wir hier wiedergeben.

Als die SPD noch siegen konnte …

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… hätte dieses Buch auch heißen können.

Aber so reißerisch sollte es nicht sein. Eine solche Wahl des Titels hätte überdies den Blick auf die Person verstellt, um die sich dieses Werk dreht.

Auch wenn dieser Sozialdemokrat vier Mal wiedergewählt wurde, und zwar direkt, 25 Jahre und länger das Vertrauen der Sportler Wuppertals besaß und aus der Politik der alten Bundesrepublik nicht wegzudenken ist. Nebenbei gesagt, nicht nur der alten BRD, sondern auch der Berliner Republik, war Willfried Penner doch von 2000 bis 2005 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages.

Da wären wir auch schon mittenmang in dieser schmalen und doch gewichtigen Veröffentlichung, die die Balance zu halten versucht zwischen Dokument und Bericht, Politischem und Persönlichem, Texten über Dr. Willfried Penner und Texten von ihm selbst.

Klaus Vater beschreibt die Hauptperson dieses Werks im Gefüge der Bonner und Berliner Vorgänge, im Geflecht der SPD, wie sie mal in der Opposition und mal in der Regierung war, und im fruchtbaren Dialog von Heimat (sprich: Wuppertal) und Hauptstadt. Kontinuum in all den Jahren war übrigens der Fußball, dem der Schüler schon frönte, später der Stadtverordnete, noch einmal später der Bundestagsabgeordnete, Parlamentarische Staatssekretär und der Wehrbeauftragte, der übrigens – eine echte Rarität, wenn nicht ein Unikat – von vier Fraktionen des Hohen Hauses vorgeschlagen wurde, nämlich den Grünen, der FDP, der damaligen PDS und der SPD. Gewählt wurde er mit Stimmen aus allen Fraktionen, also auch der CDU/CSU.

Höhepunkte seines Lebens beleuchten wir im Folgenden nicht im Fließtext, sondern zugespitzt in neun Einzelkapiteln, für die wir kompetente Autoren haben finden können. Nach einem kurzen Blick auf den Familienvater und Ehemann beschäftigen wir uns mit dem Schauspieler, der als Schüler bereits wortgewaltig auftrat und im damaligen Wuppertaler Schauspielhaus die Bretter betrat, die die Welt bedeuten. Verbindendes Glied ist dabei die Tochter Julia, die das Stück über die berühmteste Tochter der bergischen Metropole, Else Lasker-Schüler, in Szene setzte. Ein Spruch der wortgewaltigen Expressionistin und Freundin von Gottfried Benn, der sie verehrte, steht auf dem Grabstein von Katharina Penner, die uns spätestens fünf Kapitel weiter wieder beschäftigen wird.

Den unermüdlichen Sportler WP beschreibt der Journalist – er kannte „Katinka“ Penner noch aus den Tagen der „Neuen Rhein-/Neuen Ruhrzeitung“ – und Weggefährte Joachim Macheroux. Willfried Penner, heißt es, soll nicht übermäßig viel auf dem Spielfeld herumgelaufen sein, aber sein abschließender Schuss sei ein Graus für manchen Keeper gewesen. Auch als Bundestagsabgeordneter und, eben, Chef des Stadtsportbundes unterhielt er nicht abreißende Kontakte ins Tal, wie der Wuppertaler liebevoll seine Heimatstadt nennt, gratulierte manchem verdienten Vereinsvorsitzenden wie Hans Tillmanns, dem zu früh verstorbenen legendären Vorsitzenden des Nützenberger Turnvereins, brieflich – auf dem „Nötenberg“ ist Penner ja aufgewachsen. Alle möglichen Fragen beantwortete er mündlich, am Telefon oder schriftlich: Einige Ordner im Vorlass legen Zeugnis davon ab.

Dem hilfsbereiten Politiker, der ein Gespür dafür hat, wo Not am Mann ist und wo möglicherweise nur er helfen kann, hat Ernst-Andreas Ziegler ein kleines Denkmal gesetzt. Zwei Heranwachsenden, die sich in die Fänge der französischen Fremdenlegion begeben hatten, konnte die vorzeitige Rückkehr in die Heimat ermöglicht werden. Wie sich diese Geschichte im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung niedergeschlagen hat, ist der Vorbemerkung zu diesem Abschnitt zu entnehmen. Bei dieser Gelegenheit: Kursiv gesetzter Text zu Beginn eines neuen Kapitels stammt vom Herausgeber, ebenso wie Abschnitte dieses Buchs, bei denen keine Verfasserin oder kein Verfasser ausgewiesen sind.

Nun hat ein stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, ein Staatssekretär, überhaupt ein Bundestagsabgeordneter seine besoldeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dass Willfried Penner eine eigene Art von Humor besitzt und seinen Bediensteten, von denen er beizeiten einiges verlangt hat, ein Kümmerer ist, belegt ein Bericht aus der Zeit als Ombudsmann der Soldaten und ihrer Vorgesetzten. Der Text ist einem dicken Band entnommen, den man getrost als Unikat bezeichnen darf und der sich ausschließlich im Besitz des Ex-MdB befindet. Näheres an Ort und Stelle.

Dass er mit offenen Augen durch die Welt fuhr (und gefahren wurde), zeigt das Kapitel über die Entdeckung der Shona-Kunst, die wieder zurückführt zu Katharina Penner, zu Esther Nowoczin und zu Harald Nowoczin. Und, nebenbei gesagt, zur Stadtsparkasse, auf die wir ebenfalls zurückkommen werden.

Zur Kunst gehört bekanntlich die Literatur, und WP, dem stressigen Berliner und Bonner Politalltag entkommen, liest heute ausgiebig seine Heimatzeitungen, die WZ und die Wuppertaler Rundschau, hört und sieht Nachrichten im Radio und im Fernsehen und gönnt sich auch dicke Bücher. Über einige wenige spricht er in dem vorvorletzten Kapitel dieses Rückblicks auf ein Politiker- und Pensionärsleben.

Die Sparkasse wurde schon erwähnt. Dort nämlich, am Islandufer, hielt Dr. Willfried Penner eine große Rede über Gott und die Welt, über die Stadt Wuppertal und wie sie zu ihrem Namen kam, über Luftangriffe und Judenverfolgungen, die Reform des Sexualstrafrechts und die „Legalisierung“ der Homosexualität. An jedem 17. Oktober 2012 sprach er auch über seine Familie, deren Wurzeln sich weit zurückverfolgen lassen, und seine Mutter, die nicht in die Oper gehen durfte, weil es dort „zu wüst“ zuginge.

Im Kapitel „Penner als Redner“ sind ferner Reden dokumentiert, die er vor der IG Metall, deren Gast er häufiger war, und im Rathaus hielt, aber auch vor dem Plenum des Deutschen Bundestages: zum damalig heiß umstrittenen Thema Schwangerschaftsabbruch und Selbstbestimmungsrecht der Frau. Schließlich stellen wir die bislang 14 Ehrenbürger der Stadt Wuppertal vor – eine stolze Reihe, wenn auch, das wird nachzulesen sein, ohne Privilegien, wie es Johannes Rau einmal ausgedrückt hat, der zum Freundeskreis Penners gehörte.

Die Frage von Einflüssen und Einflussversuchen Rechtsradikaler auf Bundeswehr und Polizei ist aus dem politischen Diskurs nicht wegzudenken und hat – ein weiteres Kapitel – auch den Wehrbeauftragten Willfried Penner beschäftigt. Die entsprechenden Passagen aus seinem ersten Bericht, der jährlich dem Parlament erstattet wird, haben wir in dieses Buch aufgenommen.

Schließlich enthält es „Dönekes“ genannte Anmerkungen politischer und persönlicher Art von Willfried Penner selbst: Menschliches und Allzumenschliches, Persönliches und Allgemeines, Wuppertal und die weite Welt betreffend, gewissermaßen zwischen dem Bergischen Land und Boliviens Hauptstadt La Paz.

***

Die Liste derer, die ihm zu seinem 65. Geburtstag gratuliert haben, ist verständlicherweise lang und umfasst so unterschiedliche Persönlichkeiten wie – die folgende Auswahl ist willkürlich – Burkhard Hirsch, Ulla Jelpke, Fritz Pleitgen, Johannes Rau, Helmut Schmidt, Repräsentanten der SPD und anderer Parteien und Fraktionen sowie vieler Menschen aus der Wuppertaler Heimat. Bei all diesen Briefen ragt einer heraus, der des Liberalen Hirsch, der mit WP in der Parlamentarischen Kontrollkommission saß und bienenfleißig zu fast jeder Sitzung substantielle Beiträge beisteuerte und von seinem Kollegen hofft, dass er als Wehrbeauftragter „keine Uniform“ zu tragen habe. Eine der originellsten Glückwüsche stammt von Ottomar G. Czichon, Direktor der Augenklinik in Wuppertal, der seine Grüße auf einem Rezeptblock verewigte. Und vom legendären Fotographen Jupp Darchinger stammt eine Karte samt Foto vom Januar 1994: „Lieber Willfried, wir beide sind mit Abstand die Größten. Dein Jupp“, was den so Geehrten zu der Antwort veranlasste: „Lieber Jupp, dass wir beide mit Abstand die Größten sind, darüber wird die Nachwelt zu entscheiden haben. Deine Aufnahme habe ich erhalten. Hab‘ Dank für deine Mühe.“

Es sind auffallend viele Menschen unter den Gratulanten, die mit dem Sport verbunden sind. Es sei, kommentierte der Geschäftsführer des Stadtsportbundes, Volkmar Schwarz, den Rücktritt Willfried Penners vom Amt des SSB-Vorsitzenden, „eine Ära zu Ende gegangen“, so zitiert ihn Andreas Boller in seinem Beitrag für die WZ (25.4.2008).

Die journalistischen Beiträge über ihn sind. wie könnte es anders sein, Legion. Als einen „Mann ohne Eitelkeiten“ beschrieb ihn Gunter Hofmann in der „Zeit“ vom 22.8.1980. „Fast unbemerkt auf dem Weg nach oben“ sah ihn in der FAZ vom 1.3.1978 Hermann Rudolph. Immerhin: Er war im Lauf der Jahre als Generalbundesanwalt im Gespräch, als Chef des BND, als Kanzleramtsminister unter Helmut Schmidt. Die Vereidigung Wilfried Penners als Wehrbeauftragter des Bundestages „beendet die politische Laufbahn eines Abgeordneten, der nie in der ersten Reihe gestanden, stets aber zu den einflussreichen Parlamentariern gehört hat“, schrieb Günter Bannas in der FAZ vom 12.5.2000. Über einem Porträt derselben Zeitung, das Helmut Herles schrieb, stand die Überschrift „Staatsanwalt und nicht selbstgerecht“ (27.6.1985). Er wurde eben – so Sten Martensen im „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“ vom 16.11.1980 – im damaligen Bonn „als Ausnahme gehandelt, als wohltuende“.

Wer den in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn befindlichen Vorlass, studiert oder auch nur grob durchsieht, stößt auf eine große Zahl von vor allem Sport-Vereinen, die Willfried Penner zu Festlichkeiten einluden oder ihm ihren Kummer mitteilten, wenn etwa der Turnverein Friesen e. V. ihn 1984 zu seiner Jubiläumsveranstaltung bat: „Unser Wunschredner sind Sie, lieber Herr Dr. Penner!“ Der Nützenberger Turnverein NTV, der Langerfelder Turnverein LTV, der Billard-Sportverein Vohwinkel 1936, der TSV Gün-Weiß, der Gehörlosen-Sportverein, hunderte andere wandten sich Klage führend, mit Anregungen, um Teilnahme an Veranstaltungen bittend, an den SPD-Bundestagsabgeordneten.

Vielen habe ich Danke zu sagen, die in der einen oder anderen Form zu diesem Buch beigetragen oder den Herausgeber ermuntert haben, die Sache zu einem befriedigenden Ende zu bringen oder mir Rede und Antwort standen, weil sie eine kurze oder längere Wegstrecke mit Willfried Penner bewältigt haben: Axel Bürgener, Axel Claus, Bernd Dillbohner, Brigitte Dohmen, Klaus Göntzsche, Max Christian Graeff, Ursel Haarbeck, Tom Hillebrand, Hajo Jahn, Kurt Keil, Holger Kozanowski, Eckart Kuhlwein, Guido Large, Jochen Macheroux, Karl- Wolfgang Nettesheim, Daniel Penner, David Penner, Julia Penner, Bettina Petzold, Wolfgang Roth, Karin Sobania, Klaus Vater, Peter Vaupel, Elke Warwel, Rolf Gustav Westenberger und Ernst-Andreas Ziegler. Die eine oder der andere, die in diese Reihe gehören, habe ich sicherlich vergessen. Leser mögen (ihren eigenen) Namen handschriftlich nachtragen.

***

Ein Lesebuch ist so entstanden, das Einblicke gewährt in das politische und persönliche Leben des Dr. Willfried Penner. Einblicke auch auf die Bonner und die Berliner Republik, in der WP gewirkt hat. Einblicke in den Bundestag, auf seine Fraktionen und mitunter originellen Persönlichkeiten. Wie schrieb noch am 18. Mai 2001 Dr. Burkhard Hirsch: „Lieber Herr Penner, es war ein Vergnügen, mit Ihnen im Parlament zu sein. Sie haben in allen Ihren Funktionen, auch in der von mir noch nicht erwähnten Aufgabe als Vorsitzender des Innenausschusses, eine hervorragende Figur gemacht, und ich habe alle Veranlassung, Ihnen zu danken, herzlich zu gratulieren, Ihnen alles Gute, Glück und die notwendige Lebensfreude zu wünschen, die mit zunehmendem Alter immer wichtiger wird.“ Willfried Penner wird am 25. Mai des kommenden Jahres 85 Jahre alt. Matthias Dohmen

DAS INHALTSVERZEICHNIS

9 Matthias Dohmen: Vorwort: „Als die SPD noch siegen konnte …“ (der Text oben)
17 Dr. Willfried Penner – Jurist, Rechtsanwalt
19 Klaus Vater: Warum die SPD Willfried Penner brauchte
31 Sohn, Ehemann, Vater – Aus dem persönlichen Leben
33 Matthias Dohmen: Auf den Brettern, die die Welt bedeuten
35 Jochen Macheroux: Der Sportler
39 Ernst-Andreas Ziegler: Von der Fremdenlegion befreit
43 Bettina Petzold/Guido Large: Aus Wuppertal in Berlin … Der neunte Wehrbeauftragte des Deutschen
Bundestages: Ein Verfassungsorgan aus der Nähe betrachtet
55 Matthias Dohmen: „Beseelte Steine“ aus Simbabwe
59 Matthias Dohmen: Ein Leser dicker Wälzer
63 Willfried Penner: Die Sparkassenrede vom 17. Oktober 2012
89 Willfried Penner: Für ein Leben im Friedne dankbar. Rede vor der IG Metall in Wuppertal
99 Willfried Penner: Für das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Rede im Bundestag zum Schwangerschaftsabbruch
107 Willfried Penner: Die Bedeutung von Friedrich Enegls. Rede auf dem Empfang der Stadt Wuppertal
111 Wuppertaler Ehrenbürger – Ein Überblick
115 Willfried Penner: Aus dem Jahresbericht 2000 des Wehrbeauftragten
131 Willfried Penner: „Dönekes“ – Persönliches und Politisches
149 Verzeichnis der Personen und der Sportvereine
154 Autoren und Herausgeber – Bildquellen

BIBLIOGRAPHISCHE ANGABEN
Matthias Dohmen (Herausgeber), Sport – Politik – Heimat. Das Willfried-Penner-Lesebuch, Wuppertal: Nordpark 2020, ISBN 978-3-943940-70-1, 154 S., 14,00 Euro, www.nordpark-verlag.de

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Kommentare

  1. Matthias Dohmen sagt:

    Darf ich fragen -wahrscheinlich müsste ich es wissen -, wer „Wolf“ mit Klarnamen ist? – Schönen Abend wünscht Matthias Dohmen

  2. Matthias Dohmen sagt:

    Da ist Herr Dohmen auch stolz drauf.

    1. Wolf sagt:

      Ich habe die Übergabe damals als Hobbyfotograf dokumentiert.

  3. Wolf sagt:

    Der konservative Sozialdemokrat ist mit aufrechtem Gang politisch tätig gewesen.

    Als die westdeutsche Friedensbewegung nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen erreichte, war er (als Staatssekretär im Verteidigungsministerium) leider nicht dabei.

    Die örtlich gesammelten Unterschriften unter den Krefelder Appell wurden von Ulle Hees dem Wuppertaler OB Gottfried Gurland übergeben.
    Herr Dohmen war übrigens auch dabei.

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