29.04.2016Wilma Schrader
Wirtschaftsfaktor freie Kultur – 9. Jahrestreffen der freien Kulturszene
In der Kultur geht es um Berufung und Meisterschaft, um Freiheit, um Leidenschaft und Anerkennung und um Geld – nicht um das Große, aber immerhin darum, genug zu haben, um davon zu leben und gleichzeitig seinen Vorstellungen folgen zu können. Andreas Mucke weiss das und so handelt die erste seiner guten Nachrichten beim 9. Jahrestreffen der freien Kulturszene davon, dass 2017 das erste Mal endlich ein ausgeglichener Haushalt in Wuppertal erzielt werden wird. Sogar ein leichter Überschuss von 1. Mio. ist im Pott. Nicht viel, meint er aber immerhin so viel, dass wieder kleine Handlungsspielräume entstehen, um zum Beispiel sein Wahlversprechen, das 3 -Sparten Theater in Wuppertal zu erhalten, einzulösen. Er erzählt, dass in der Wuppertaler Kulturszene gerade vieles in Bewegung ist, demnächst die neue Opernintendanz ihre Tätigkeit beginnt, dass eine neue Generalmusikdirektorin gefunden ist und dass das Pina Bausch Zentrum eine Zusage vom Land über eine Fördersumme von 29,4 Mio erhalten hat – er scheint sichtlich zufrieden mit dem Erreichten. Was aber nicht heißt, dass das Projekt schon in trockenen Tüchern sei, gießt Matthias Nocke Wasser in den Wein, denn viele Vorarbeiten seien noch nicht gemacht und müssen nachgereicht werden, bis der Rat 2017 den Durchführungsbeschluss für das Tanzzentrum fassen kann. Es folgt eine grobe Konzeptskizze, in seinen Ausführungen ist viel die Rede von Bürgerbeteiligung und Kooperation. „Neue Ufer“ als Verein soll beispielsweise beteiligt werden, wenn es darum geht, das Schauspielhaus zur Wupper zu öffnen. Als Signal wird der Graubner-Bau am 24.9. zu seinem 50-jährigen Jubiläum seine Pforten wieder öffnen. Fertigstellung des Projektes – vielleicht 2021.
Und die geladene freie Kulturszene? Sie beschäftigen ganz andere sehr pragmatische und konkrete Fragen, wie die von Mark Tykwer : „Was ist mit den 20% Vorbehalt bei den Fördermitteln des Kulturbüros?“ will er wissen, „denn bei den geringen Summen, die wir erhalten, brauchen wir Planungssicherheit. 20% Ausfall im Etat des Kulturbüros kann ein Projekt kippen.“ Dass die freie Szene enorm viel Kapital als Drittmittel nach Wuppertal holt, sei schon eine Leistung an sich, betont Dagmar Beilmann, künstlerische Leitung von „Lebe, Liebe Deine Stadt“: „Diese Arbeit geht auf die Knochen, und sie verdient dokumentiert und dargestellt zu werden, damit klar wird, welche Wirtschaftskraft die freie Szene darstellt.“ Kulturamtsleiterin Monika Heigermoser verdeutlicht am Beispiel „Tanzrauschen“ welche Zahlen die freie Szene aufrufen kann. Das erfolgreiche Filmtanzfestival hat im vergangenen Jahr eine Förderung des Kulturbüros von 3.300 Euro erhalten. Kerstin Hamburg, Kuratorin und Veranstalterin hat die Summe nahezu verdreißigfacht. Sie hat 90.000 Euro nach Wuppertal geholt. Chun-Hsien Wu, mit Chrystel Guillebeaud das Tanzduo „Double C“, vermisst in Wuppertal bezahlbare Auftrittsorte für die freie Tanzszene. Das Theater am Engelsgarten sei mit einer Miete zwischen 1.000 und 1.500 Euro für einen Abend nicht bezahlbar: „Und auf Beton zu tanzen, ist für einen Tänzer höchst ungesund.“ Olaf Reitz Schauspieler, Sprecher und Veranstalter zahlreicher, experimenteller „Kulturstücke“ wie beispielsweise der „Oase“ in Oberbarmen spitzt das Thema zu: „Die etablierte Kultur verwirkt ihr Recht auf Förderung, wenn sie die freie Szene ignoriert. Es kann und darf nicht sein, dass die freie Kultur, indem sie Miete zahlt, dafür sorgen muss, dass die Betriebskosten einer Bühne gedeckt werden.“ In Sachen Kooperation sei noch jede Menge Luft nach oben, bestätigt Oberbürgermeister Andreas Mucke. Er verspricht, sich für Besserung einzusetzen und das Thema Wirtschaftskraft der freien Szene auf die Agenda zu setzen. Auch Mark Tykwer bekommt seine Zusicherung: “ Das Geld wird ausgezahlt und das zu 100%.“ Das Thema ‚Kooperation‘ und ‚Luft nach oben‘ setzt sich in der Diskussion um den Wunsch nach einer Jahresschau der Wuppertaler Künstler in der Barmer Kunsthalle fort. Unlängst hat ein Artikel in der Wuppertaler Rundschau in der Szene der bildenden Künstler für Unruhe gesorgt. Darin wurde Museumsdirektor Gerhard Finckh zitiert, der gesagt habe, dass die Kunsthalle bis 2019 ausgebucht sei und er befürchte, dass keine Sponsoren für eine solch teure Ausstellung zu finden sein würden. „Wir unterstützen die Idee und auch der Museumsdirektor zieht mit“, widerspricht Nocke, “ Gerhard Finckh und ich haben uns mehrfach getroffen. Das Konzept für eine kuratierte Schau mit Wuppertaler Künstlern im 2-Jahresrythmus steht fast. Wir sind auch zuversichtlich, dass wir Drittmittel dafür einwerben können.“
In ein paar Wochen wird das Kulturbüro vom 24. Mai bis zum 4. Juni wieder die Literaturbiennale ausrichten. Sie wird Wuppertal und seine Autoren in ein glänzendes Licht setzen. Monika Heigermoser freut sich, dass bekannte Autoren wie Jenny Erpenbeck, Frank Witzel oder Navid Kermani dafür gewonnen werden konnten. Zahlreiche Wuppertaler Autoren nehmen teil unter anderen Torsten Krug und Hermann Schulz. Sie haben zum Thema der Biennale „Utopie Heimat“ eine 54-minütige Lesung entwickelt, während der Schauspieler Flüchtlingsgeschichten vortragen werden. Als besonderes Ereignis feiert die Biennale eine Neuausgabe der bergischen Literaturzeitung Karussel.
Ob der magere Etat des Kulturbüros von 182.000 Euro aufgestockt wird, im Angesicht von 1 Mio Euro, dazu will Oberbürgermeister Andreas Mucke sich nicht äußern, verspricht aber: “ Ich rede mit den Fraktionen. Summen werde ich nicht nennen, das kann und darf ich nicht. Aber ich verspreche, ich setze mich dafür ein. Nur allzu große Sprünge wird es sicher nicht geben.“
Ungeachtet dessen, wird das Kulturbüro die Freie Szene Wuppertals 2017 mit dem „22 km Festival“, einem großen Festival entlang der 22 km langen Nordbahntrasse, in Szene setzen. Die Planungen haben bereits begonnen und werden wieder Drittmittel ins Tal spülen und Menschenmassen auf die Straßen und an Orte locken, die sie vorher noch nie gesehen haben, ganz ähnlich wie es im vergangenen Jahr das Viertelklang-Festival geschafft hat.
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