05.05.2011Georg Sander
„Der Döppersberg ist der Anfang von Wuppertal“
Rund 100 Gäste folgten der Einladung der IG1 – in Anbetracht der Bedeutung des Döppersbergumbaus eine durchaus überschaubare Zahl. Christian Leege, Mitglied im Vorstand der IG1, formulierte seine Erwartung an die Veranstaltung: „Worauf können wir uns freuen? Was würde passieren, wenn wir nicht bauen würden?“
Etwa 100 Gäste kamen in die Citykirche
Prof. Dr. Johannes Busmann, unter anderem Herausgeber der Architekturzeitschrift „POLIS“ und Professor an der Bergischen Universität Wuppertal, begann sein Impulsreferat mit einer Einführung in die Mentalität der Wuppertaler: „Ich bin Wuppertaler und das sehr gerne. Das bedeutet auch: Sechs Tage schreit man emotional ‚Scheiße’, aber am siebten Tag ist man doch stolz auf unsere Stadt.“
Ein Hauptproblem der Stadt sei die demografische Entwicklung. Dem Bewohnerrückgang müsse entgegen gewirkt werden: „Wir gehören zu dem Bereich in NRW, der am schnellsten Einwohner verliert. Das kotzt mich an. Ich kann es gar nicht verstehen, weil diese Stadt eine schöne Stadt ist. Sie ist spannend, hat viel Kreativität und hat unternehmerischen Reichtum.“
„Wir haben noch gar nicht realisiert, dass wir im Wettbewerb stehen“
Busmann beleuchtete auch den regionalen Wettbewerb. Die Rheinschiene denke sich neu. Köln sehe sich im ständigen Wettbewerb mit anderen Städten und stelle sich dieser Konkurrenz. Im Ruhrgebiet würden die Oberbürgermeister der acht größten Städte, die so genannten „G8“, sämtliche Entwicklungsimpulse bestimmen und sich intensiv mit den Zukunftsfragen der Metropolregion Ruhr auseinandersetzen. Ganz NRW stelle sich also neu auf, so Busmann. Ganz NRW? Nein, ein kleines Dorf namens Wuppertal leiste der Entwicklung Widerstand, fuhr Busmann im Asterix-Stil fort. Hier sei man viel zu behäbig unterwegs: „Wir haben noch gar nicht realisiert, dass wir im Wettbewerb stehen.“
Für Busmann ist das Großprojekt in Elberfeld von überragender Bedeutung für die Stadtentwicklung: „Der Döppersberg ist der Anfang von allem, was Wuppertal ist, denn der Döppersberg ist der Hauptbahnhof. Fremde, die da ankommen, denken heute: ‚Oh Gott, die Armen’. Der Bahnhof ist nicht nur dreckig, sondern man fragt sich: komme ich da wieder heil raus.“
„Klassizistisches Tor zur Stadt“
Dabei stecke unter den Bausünden der Vergangenheit ein wahres Schmuckstück. Einen Bahnhof von 1848 werde man anderswo kaum finden, denn er stamme aus der Gründerzeit der Eisenbahn. Der neue Döppersberg werde diese Historie wieder zum Vorschein bringen. Busmann: „Der Bahnhof ist das klassizistische Tor zur Stadt.“
Nicht zu unterschätzen sei auch die immobilienwirtschaftliche Bedeutung des Döppersbergs. Es gebe keine Großstadt, die noch eine neue 1A-Lage am Bahnhof auf dem Markt bringen könne. Der neue Döppersberg sei eine der kostbarsten Lagen, die Wuppertal anbieten könne. Busmann: „Ich kann nicht verstehen, dass wir dieses Kapital nicht schon längst mit aller Macht nach vorne getrieben haben. Das ist total unverständlich. Es geht doch darum, stärker zu werden. Alles muss sich bewegen, und am Döppersberg ist höchste Bewegung zu erzeugen.“
Busmanns Schlusswort „Den Satz ‚Wuppertal, ist eine Stadt, die sich nicht schminkt’, kann ich nicht mehr hören. Das ist so selbstgenügsam. Warum sollen wir nicht das Wiesbaden von Düsseldorf sein? Wir haben wunderschöne Villenviertel und zwei Flughäfen in Köln und Düsseldorf.“
Johannes Busmann, Jos Coenen, Frank Meyer, Ulrich Biedendorf, Anja Deters
In der anschließenden, etwas knappen Diskussion, die von WZ-Regionalleiterin Anja Deters souverän moderiert wurde, versuchten die Gäste, die Chancen, die sich aus dem Döppersbergumbau ergeben, sichtbar zu machen.
Wuppertals Baudezernent Frank Meyer: „Ich kann nicht verstehen, warum sich einige Wuppertaler mit dem Döppersbergumbau so schwer tun. Was wir jetzt anfangen, haben viele andere Städte schon hinter sich. Sie haben ihren Bahnhof in die City integriert. Vielleicht liegt es auch an der Mentalität der Wuppertaler, dass sie damit solche Probleme haben.“
„Man wird Wuppertal in Düsseldorf ernster nehmen“
Dr. Ulrich Biedendorf, Geschäftsführer der IHK Düsseldorf, warf einen Blick aus der Rheinmetropole auf die Schwebebahnstadt. Umgestaltungen von Innenstädten seien notwendig, um die Citys attraktiv zu halten: „Wuppertal kann mit dem Döppersberg nur gewinnen, die Stadt wird attraktiver für Einwohner und für Gäste von außen. Nach dem Umbau wird man in Düsseldorf Wuppertal viel ernster nehmen als man das zur Zeit tut.“
Jos Coenen, Geschäftsführer von Galeria Kaufhof in Elberfeld, stimmte zu: „Wir müssen uns dem Wettbewerb stellen. Die Attraktivität einer Innenstadt definiert sich auch über den Bahnhof. Und in Wuppertal fragt man sich derzeit: Wo bin ich hier eigentlich gelandet?“
Johannes Busmannn brachte die Bedeutung des Umbaus auf den Punkt: „Der Döppersberg ist eine große Chance – vielleicht unsere letzte. Das Land unterstützt uns mit einer Fördersumme, die wir in den letzten Jahren nicht annähernd bekommen haben und die viele andere Städte auch niemals bekommen werden. Das macht mich dankbar und es ist schade, dass wir das nicht als Geschenk empfinden können.“
„Information ist nicht nur Aufgabe der Stadtverwaltung“
Ulrich Biedendorf widersprach dem Eindruck, dass nirgendwo so viel über Baumaßnahmen diskutiert werde wie in der Schwebebahnstadt: „Ich kann sie beruhigen, auch in Düsseldorf gibt es oft erst mal Widerstand. Die Stadtverwaltung setzt auf Information und Einbeziehung der Händler und Bürger. Dann werden Gremien eingerichtet, in denen sich Leute zusammen finden, die mit dem Bau zu tun haben oder die davon betroffen sind.“ In Düsseldorf informiere man die Öffentlichkeit sehr aktiv darüber, welche Veränderungen die Bauarbeiten verursachen. Das sei jedoch nicht nur die Aufgabe der Stadtverwaltung. Biedendorf: „Auch die Händler starten Werbemaßnahmen, in denen sie darauf hinweisen, wie man während Bauarbeiten zu ihnen finden kann.“
Hauptbahnhof (2010): Klassizistisches Schmuckstück hinter Bausünden
In der Schlussrunde betonten alle Diskutanten noch einmal die Bedeutung des städtebaulichen Großprojekts Döppersberg.
„Architektur ist ja nicht nur das Bauen, sie ist das Ergebnis einer Haltung“, hob Johannes Busmann hervor. „Wenn die Menschen über den Döppersberg nach Wuppertal kommen, werden Sie erkennen, welches Bild die Wuppertaler von sich haben. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Haltung der Wuppertaler und der Wahrnehmung durch Fremde. Ich glaube, dass wir momentan wenig anbieten, an dem erkennbar wird, worauf wir Wuppertaler stolz sind.“
Wuppertal sei von der Struktur her keine einfache Stadt, deswegen täten sich viele Menschen mit ihr schwer, vermutet Baudezernent Meyer. Es gebe keinen gewachsenen Kern, das mache die Orientierung problematisch. „Auch der Weg vom Bahnhof in die City ist nicht leicht zu finden. Viele Fremde, die mit der Bahn ankommen, treten ebenerdig auf den Bahnhofsvorplatz und finden erst einmal nicht in die Innenstadt von Elberfeld. Der Döppersberg wird einen Quantensprung darstellen, was die Orientierung in der City angeht.“
„Bekenntnis, dass Wuppertal ein Zentrum hat“
Kaufhof-Chef Coenen: „Der Umbau des Döppersbergs kann nicht das Ende sein, sondern nur ein Anfang. Wir müssen auch über die Poststraße und den Wall sprechen. Damit kommen wir zu einer qualitativen Verbesserung der ganzen Innenstadt. Die IG1 fordert darüber hinaus auch das Bekenntnis, dass Wuppertal ein Zentrum hat.“
Nach dieser „Draufsicht auf den Döppersberg“ (IG1-Vorstandsmitglied Christian Leege) soll es im Sommer eine weitere Veranstaltung geben, in der über die Details des Umbaus informiert wird.
____________________
Fotos: Georg Sander
Weiter mit:
Tsts, also da kann ich nur den Kopf schütteln. Als wäre das Verständnis und die Zustimmung der Bürger nur davon abhängig, dass der Wuppertaler überhaupt erst einmal versteht, was gemacht werden soll.
In Anbetracht der vergangenen Bausünden (Sparkassenturm statt Thalia, Burger-King-Bunker in Barmen, der Saturn-Steinklotz in der Elberfelder Fussgängerzone, Abriss der alten Schwebebahnhöfe usw.) ist eher davon auszugehen, das Umbau i.d.R. Verschlechterung bedeutet. Dabei dominieren – wie in den meisten Städten auch – architektonische Entwürfe, die gerne altes und modernes kontrastieren. Der „Platzhalter“ für den neuen Bahnhofsvorplatz, ein viereckiger Stahl-Glaskasten, wird von vielen schon als „Borg-Kubus“ bezeichnet. Ferner verlieren alle Innenstädte ihren individuellen Charakter. Wenn ich mich in Elberfeld an den Brunnen stelle sehe ich nur noch Ketten, ich glaube Tabak-Zander und der eine oder andere Friseur sind die einzigen, den es wirklich nur in Wuppertal gibt.
Hinzu kommt eine unfassbar hoch verschuldete Stadt, die mit Sicherheit mindestens um ein drittel höhere Baukosten erwartet als geplant ist – Geld vom Land hin oder her (das auch hoch verschuldet ist).
Ich bin durchaus gespannt und denke, das vieles besser wird – aber wenn man mal in die Vergangenheit blick ist zu verstehen, warum der Wuppertaler erst einmal skeptisch ist.
Ich denke, es gibt kaum einen Grund von anderen Städten nach Wuppertal zu kommen – Kaufhof, Starbucks, Saturn und wie sie alle heißen, gibt es doch sowieso überall.