10 Jahre Auszeit für belastete Familien

Familien von pflegebedürftigen Kindern leben oft am Limit. Im ökumenischen Kinderhospiz Burgholz können sie sich seit zehn Jahren erholen.

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Familien von pflegebedürftigen Kindern leben am Limit: Sorgen, Pflege, Schlafmangel. Im ökumenischen Kinderhospiz Burgholz können sie sich seit zehn Jahren erholen und wissen dabei ihr Kind in guten Händen.

Für Lennart, seine Schwester Jenny und Mutter Silke beginnt ihre Auszeit im Kinder- und Jugendhospiz Burgholz mit dem Riechen. „Sobald wir ankommen und uns die Waldluft in die Nase steigt, fühlen wir uns zuhause“, sagen sie. Familie Ostrowski hat die Anfänge des Kinderhospizes vor zehn Jahren erlebt und kommt seitdem immer wieder für ein bis zwei Wochen im Jahr nach Wuppertal.

„Anders als viele denken, ist für uns ein Kinderhospiz ein Ort voller Freude und Wertschätzung – auch für kleine Dinge“, sagen sie. Zum Beispiel, wenn Verkleidung für ein Folklorefest angesagt ist (s. Foto). Lennart, der an Leukodystrophie leidet – einer unheilbaren genetischen Erkrankung, bei der er seine geistigen und motorischen Fähigkeiten sukzessive verliert -, wird im Kinderhospiz gepflegt. Mutter Silke und Schwester Jenny haben Zeit für sich und die anderen Familien, die im Hospiz zu Besuch sind.

Betreuung rund um die Uhr

Jährlich versorgt das Kinderhospiz Burgholz, das von der Diakonie und Caritas in Wuppertal getragen wird, etwa 250 Familien, die meist im Umkreis von 150 Kilometern leben. Es gibt zehn Plätze für schwerstkranke Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre. Hinzu kommen Appartements, in denen die Eltern und Geschwister wohnen. Die Mitarbeitenden – darunter Pflegekräfte und Pädagogen – sowie Ehrenamtliche betreuen die Kinder und ihre Familien rund um die Uhr, so dass die Angehörigen eine Pause vom anstrengenden Pflegealltag haben.

Hospizleiterin Kerstin Wülfing steht vor den bunten Baumscheiben, die Kinder und ihre Familien in den zehn Jahren gestaltet haben.

Zur Eröffnung bestand das Personal aus 30 Angestellten, heute sind es rund 60. Hinzu kommen derzeit mehr als 50 Ehrenamtliche. Als prominente „Botschafter“ setzen sich Schriftsteller Günter Wallraff und Schauspielerin Veronika Verres für das Hospiz Burgholz ein. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit sei wichtig, erklärt Leiterin Kerstin Wülfing. „Es gibt immer noch betroffene Familien, die uns nicht kennen, und wir brauchen Spenden.“

Pflegesituation hat sich verschlechtert

Rund eine Million Euro im Jahr seien erforderlich, damit die Familien ihre schwerstkranken Kinder begleiten und Kraft tanken können vom anstrengenden Pflegealltag, berichtet die Hospizleiterin. Denn die Pflegekassen finanzieren nur den Aufenthalt und die Pflege der Kinder. Und die ist in den vergangenen Jahren anstrengender für die Familien geworden, weil sie weniger Entlastung durch ambulante Pflegedienste haben.

„Manche Familien finden überhaupt keinen Dienst mehr, der ihr Kind versorgen kann. Bei anderen kommt er nur wenige Stunden in der Woche, weil den ambulanten Pflegediensten Personal fehlt“, erklärt Kerstin Wülfing. Ähnlich dramatisch sieht es mittlerweile in den Schulen aus, wo Integrationshelfer fehlen. „Ich erlebe hier Kinder, die gar nicht mehr zur Schule gehen“, sagt die Hospizleiterin.

Raus aus dem Rollstuhl: Auch das ist im Kinderhospiz möglich.

Umso wichtiger sei die Auszeit im Hospiz für die Familien. „Aber wir können nicht ausgleichen, was im Alltag an Unterstützung fehlt“, bedauert sie. In Krisensituationen – etwa wenn ein Elternteil selbst ins Krankenhaus muss oder das betroffene Kind einen starken Krankheitsschub hat – können die Familien auch kurzfristig ins Hospiz kommen.

Offenheit gegenüber Inklusion schwindet

Doch nicht nur die schwierigere Pflegesituation zehn Jahre nach Eröffnung des Kinder- und Jugendhospizes macht Kerstin Wülfing Sorgen. Sie beobachtet auch, dass sich die gesellschaftliche Stimmung und Offenheit gegenüber Inklusion ändert. „Noch sind es Einzelfälle, aber ich höre von Anfeindungen gegenüber den Familien. Da wird das behindertengerechte Auto demoliert, sich lustig über die Behinderung des Kindes gemacht oder angemerkt, dass die Familie es ja heutzutage nicht hätte bekommen müssen.“

Umso wichtiger ist für die gelernte Kinderkrankenschwester, dass das Kinderhospiz als Ort des Lebens und der Freude wahrgenommen wird. Im Jubiläumsjahr wird daher viel gefeiert – nicht nur im Hospiz mit einem „Tag der offenen Tür“ am 18. Mai, sondern auch außerhalb. So waren Mitarbeitende und Familien schon zu Gast bei der Night Radio Show der Wuppertaler Bühnen im Engelsgarten.

„Wir haben hier so viele tolle und verrückte Momente erlebt“, sagt Familie Ostrowski. „Wenn man alle schönen Erinnerungen aus zehn Jahren zusammenfassen müsste, könnten wir viele Seiten füllen.“

Text: Sabine Damaschke
Fotos: Sabine Damaschke/Kinder- und Jugendhospiz Burgholz

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