Anrufe gegen die Einsamkeit

Einsamkeit, Enttäuschung, aber auch Dankbarkeit: An Weihnachten geht es in der Telefonseelsorge emotionaler zu.

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Einsamkeit, Enttäuschung, aber auch Dankbarkeit: An Weihnachten geht es auch in der Telefonseelsorge emotionaler zu.

Vor drei Jahren hatte Max (Name geändert) seinen ersten Weihnachtsdienst in der Wuppertaler Telefonseelsorge. Mit anstrengenden, emotionalen und tränenreichen Gesprächen hatte er gerechnet. Doch es kam ganz anders. „Es war einer meiner schönsten Dienste“, erzählt der 28-jährige Telefonseelsorger. „Ich saß am Morgen des Heiligen Abend im festlich geschmückten Büro und hatte lauter Menschen am Ohr, die sich für die gute Begleitung der Telefonseelsorge bedankt haben.“

Er führte Gespräche über Geschenke, Essensvorbereitungen und Erinnerungen an Weihnachtsfeiern in der Kindheit. Auch Ängste, wie es wohl werden würde mit der Verwandtschaft und den erwachsenen Kindern, kamen zur Sprache, und manchmal auch die Frage, wie sich dieses „Fest der Familie“ alleine sinnvoll gestalten lässt.

Gesprächsthema Wünsche

„Um Wünsche geht es fast immer“, sagt Max, der so begeistert von seinem ersten Weihnachtsdienst war, dass er schon im letzten und nun in diesem Jahr Dienst an Heiligabend macht. Besonders berührt hat ihn der kleine, aber unerfüllbare Wunsch einer Anruferin, die gerne einen bestimmten Dokumentarfilm an Heiligabend sehen wollte, sich aber keinen Streamingdienst leisten konnte. „Für meine Generation ist so etwas unvorstellbar. Es gehört einfach zum Alltag.“

Der Wunsch sei ihm so nachgegangen, dass er sich den Film in den folgenden Tagen angesehen habe, erzählt er. „Im letzten Jahr hatte ich diese Frau wieder am Telefon und konnte ihr eine echte Freude damit machen, dass ich die Dokumentation nun auch kannte und mich mit ihr darüber austauschen konnte“, berichtet er.

Menschen sind dünnhäutiger

Mit Armut sind die rund 80 ehrenamtlichen Telefonseelsorger:innen zunehmend konfrontiert, weiß Leiterin Jula Heckel-Korsten. Aber auch mit enttäuschten Erwartungen an Familie und Freunde und Einsamkeit.

Jula Heckel-Korsten im adventlich geschmückten Dienstzimmer

„In den Weihnachtstagen spüren viele Menschen den Schmerz des Kontaktabbruchs mit ihren Angehörigen oder früheren Freunden und ihre Einsamkeit stärker als sonst – ebenso wie ihre Enttäuschung, dass sich selbst an Weihnachten niemand bei ihnen meldet“, sagt sie. „Oder dass die Begegnung nicht so war wie ersehnt. Es geht viel um die Sehnsüchte, die die Menschen zu diesem Fest besonders spüren.“

Schmerzhafte Einsamkeit am Abend

Was in den Morgenstunden an Heiligabend noch keine große Rolle spielen mag, bricht sich am Abend und in den Weihnachtstagen danach Bahn. Werner (Name geändert) kann davon berichten, denn er arbeitet schon lange als ehrenamtlicher Telefonseelsorger in Wuppertal und übernimmt häufiger die späten Weihnachtsdienste.

„Ich habe dann Menschen am Telefon, deren Partner verstorben sind, die eine Trennung hinter sich haben oder aus irgendeinem Grund nicht mehr eingeladen werden und nun feststellen, was das mit ihnen macht: Weihnachten alleine“, erzählt er. Werner hört zu, nimmt Anteil, aber versucht auch, Humor ins Gespräch zu bringen und „einen positiven Zungenschlag“.

Keiner soll alleingelassen werden

Viele wollten wissen, warum er Weihnachten am Seelsorgetelefon statt bei seiner Familie sitze, berichtet der 71-jährige Rentner. Dann macht er ein paar Scherze über den übertriebenen Hype um Weihnachten und betont, wie gerne er diese Dienste übernimmt. „Viele Menschen fühlen sich ausgeschlossen von Familie, Freunden, Gesellschaft. Ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sie dazugehören. Keiner soll alleingelassen werden. Darauf kommt es mir an.“

Wenn sie es wünschen, singt er mit denjenigen, die angerufen haben, Weihnachtslieder – und überlegt mit ihnen, was ihnen jetzt und nach dem Anruf guttun würde. Auch er hat ein Weihnachtsritual nach seinen Telefondiensten entwickelt. „Wenn ich nach Hause komme, brauche ich immer etwas Zeit für mich, denn die Gespräche gehen mir nach, weil sie oft sehr intensiv sind“, sagt er. „Ich denke an die Menschen, mit denen ich gesprochen habe und zünde eine Kerze für sie an.“

Text und Fotos: Sabine Damaschke

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