27.09.2021Claudia Otte
Das neue ITALIEN für Oktober ist da, ab Mittwoch 28.09.21 im Druck
Liebe Leser, liebe Lesebrillen!
Briefwahl kam für mich nie infrage. Die Bundestagswahl war für mich wieder eine tolle Sache. Am Morgen des Wahltags reinige ich mich mehr als gründlich. Wenn ich mich dann für rein und jungfräulich genug erachte, kleide ich mich festlich mit Anzug, Hemd und Krawatte. Dieses Mal musste ich vom Beinkleid noch einen kleinen, angetrockneten Speiserest vom weihnachtlichen Raclette entfernen. Alles muss einfach passen und stimmen. Die Bundestagswahl ist auch ein Neuanfang für mich. Alles wird, so denke ich, auf Null gestellt.
Ich plädiere immer dafür, nicht überstürzt zu wählen, sondern klug und besonnen nachzudenken und abzuwägen. Ich habe mir bereits Wochen vorher viele Informationen über die zur Wahl stehenden Personen und Parteien eingeholt. Dann alles in schöner Ruhe gelesen und dann ging’s ans eben schon erwähnte Abwägen. Am Ende ist man zufrieden, wenn man das kleinste Übel benennen kann und seine Wahl trifft. Aber das nimmt bis zum Schluss enorm viel Zeit in Anspruch. Ich lass mich da nicht treiben, wenn ich ins Wahllokal spaziere.
Bis 18 Uhr hat man kolossal viel Zeit. Im Wahllokal ist meine Entscheidung oft noch in weiter Ferne. In der Kabine denke ich weiter nach, gerne so lange, bis irgendwann einer der Wahlhelfer kommt und vorsichtig und mit leiser Stimme fragt, ob alles in Ordnung sei. Seit einer Landtagswahl halte ich meinen Rekord: 27 Minuten verbrachte ich in der Kabine. Da bildete sich eine Schlange, aber es gab da noch kein Corona. Es steht ja auch nirgendwo, dass man sich beim Wählen beeilen muss und ein Zeitfenster nicht überschreiten darf. Ich versuche, meine Wahl so lange es geht hinauszuzögern, dabei stelle ich mir vor, ich wäre der letzte Mensch in Deutschland, der sein Kreuz macht. Und damit vielleicht das berühmte Zünglein an der Waage. Jedenfalls war es wieder sehr schön. Nur einmal war es noch viel schöner, das war 2005, da habe ich mich mit der Erststimme selber wählen dürfen.
Herzlichst, Uwe Becker (Bundeswahlleiter)
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