05.08.2013Wilma Schrader
Design ist die Kunst, die sich nützlich macht
njuuz: Lieber Dirk, du warst ja einer der Unterzeichner des offenen Briefes an die Stadtverwaltung zum Thema Schenkung eines CD’s. Nun haben sich alle Beteiligten in zwei Terminen an einen Tisch gesetzt. Der erste Termin war ein Treffen der Kommunikationsdesign-Branche mit Illigen und Wolf. Wie ist der Termin deiner Meinung nach verlaufen?
Longjaloux: Wenn man sich die ganze Vorgeschichte anschaut, ist es sehr moderat zugegangen. Ich war einer der wenigen, der gesagt hat, dass er die Schenkung falsch findet. Es gab aber auch einige Gegenstimmen. Die fanden es gut, der Stadt Wuppertal ein Corporate Design zu schenken. Ich habe daraufhin noch einmal deutlich gemacht, dass eine Schenkung in der Größenordnung von 100.000 Euro zwei mal ein gutes Jahresgehalt ergibt. Bei Illigen und Wolf handelt es sich nicht um die Jackstättstiftung, sondern um ein Wirtschaftsunternehmen. Eine Schenkung in der Größenordnung ist kein wirtschaftliches Handeln und war meines Erachtens ein falsches Signal für unseren Berufsstand.
njuuz: Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Wie kam es zu der Aufregung?
Longjaloux: Der eigentliche Unmut wurde ausgelöst durch die Zeitgleichheit der Schenkung und eines Auftrags über 200.000 Euro an Scholz and Friends – einer großen Düsseldorfer Agentur. Auch wenn sich nachher alles ganz anders dargestellt hat, auch nachdem man wußte, dass nicht die Stadt sondern die Sparkasse zahlt, sagt man sich dennoch: letztendlich ist Geld für alles Mögliche da! Warum ist kein Geld für das Corporate Design geflossen? Kommunikationsdesign wird nicht wert geschätzt, dagegen ein Strategieprozess schon! Dieses große Mißverhältnis verstehen wir nicht und haben Fragen dazu!
njuuz: Alles wird gestaltet – Design gehört zu unserem Alltag. Wenn es gut ist, fällt es zumeist nicht auf. Nur Experten können den Wert beispielsweise von einem funktionierendem Leitsystem beurteilen und wissen was für eine Arbeit dahinter steckt.
Longjaloux: Genau, Design ist die Kunst, die sich nützlich macht (Carlos Obers). Die Leute glauben, man geht morgen ans Fenster, öffnet es, die Muse weht herein und man denkt „grün“ und damit sei die Hauptarbeit erledigt. So ist es ja nicht. Design ist neben der Idee die man haben muss, reines Handwerk und eine richtige Knochenarbeit. Der Irrglaube, dass der Computer alles erledigt kommt dazu! Ohne den Menschen vor der Maschine geht es nun mal nicht und der leidet und schwitzt Blut und Wasser, bis er zu einem für ihn zufriedenstellenden Entwurf kommt! Das ist eine der Seiten unseres Berufs, der nie sichtbar wird. Die andere Seite, die viele Leute nicht sehen ist, dass Design neben der Tatsache dass es Orientierung schafft auch Kosten sparen kann. Das Zeichen der DB – unserer Bundesbahn – hat einer der großen Grafiker unserer Zeit – Kurt Weidemann – 1993 für 200.000 DM überabeitet. Diese Kosten haben in der Öffentlichkeit zu einem riesen Wirbel geführt. Dass aber aufs Jahr gerechnet, durch das neue Logo 1,3 Mio DM eingespart wurden, war dann kein großes Medienecho mehr wert. An dem Beispiel wird deutlich, dass Design keinerlei Wertschätzung in der Öffentlichkeit genießt. Das ist die Tragik unseres Berufsstandes. Der Grafiker an sich gilt außerdem als etwas anrüchig und verdächtig. In den Derricks der 70-iger war er oft der Mörder.
njuuz: Nee, das glaube ich jetzt nicht! Ich war kein Derrick-Fan! Aber mein Studium als Grafikerin wurde von folgendem Satz begleitet: erzähle meiner Oma bitte nicht, dass ich in der Werbung arbeite, sondern erzähle ihr, ich bin Barpianist in einem Puff. Soviel zum Thema damaliges Image unseres Berufes in Deutschland. Das hat sich inzwischen geändert. Was aber an dem Beruf auch nicht schön ist, ist die leidige Honorarfrage!
Longjaloux: Jeder Handwerker bekommt einen Stundensatz von mindestens 60 Euro! Bei einem Designer wundert man sich über den Preis – ein krasses Mißverhältnis. Designer sollen oft in Vorleistung treten, indem sie unbezahlt an Pitches teilnehmen. Um dann den Break Even zu erreichen, muß man schon längere Zeit für ein Unternehmen arbeiten. Geht es nur um einen Einmaljob, ist ein unbezahlter Pitch ein hohes Risiko. Deshalb nehme ich an Pitches die nicht wenigstens den Aufwand honorieren nicht mehr teil. Man geht ja auch nicht in eine Bäckerei verlangt ein Brötchen, ißt es auf und geht dann ohne Bezahlung mit der Begründung, dass das Brötchen nicht genug Rosinen hatte.
njuuz: Und was genau ist Euer Ziel, bzw. was wünscht ihr Euch denn von der Stadtverwaltung?
Longjaloux: Wir wollen Dank der medialen Aufmerksamkeit die wir jetzt haben, etwas für unseren Berufsstand tun. Wuppertal hatte einmal einen berühmten Studienzweig Kommunikationsdesign, der nach Essen abgewandert ist. Dort haben namhafte Designer gelehrt, allen voran Willy Fleckhaus der das Editorial Design weltweit verändert hat. Dann waren da noch Lösch, Aretz, Jupp Ernst, Kieser und viele mehr. Das Kommunikationsdesign hat sehr viele ausgezeichnete Leute nach Wuppertal geholt, und war neben den Eventagenturen, einer der Wuppertaler Leuchttürme. Auch nach der Abwanderung des Studiengangs sind viele gute Leute im Tal geblieben. Das wollen wir in die Öffentlichkeit tragen und damit auch eine positive Aussenwirkung für Wuppertal erzielen.
Wir schlagen einen Designbeirat vor, der sich aus den unterschiedlichsten Stilrichtungen, Gewerken und Menschen zusammensetzt. Aus Illustratoren, aus Typografen, Fotografen kurzum aus allen Sparten, die sich in unserem Berufsfeld tummeln. Wir wollen beraten oder Auskunft geben, wenn es um Gestaltungsfragen geht. Beispielsweise könnte sich ein Unternehmen an den Beirat wenden und seine Aufgabenstellung schildern.
Der Beirat würde dann eine geeignete Agentur oder den geeigneten Freelancer empfehlen. Der Beirat könnte beratend tätig werden, wenn es um die Beurteilung oder Weiterentwicklung eines schon vorhandenen CD’s geht, wie z.B. dass des Zoos. Und er könnte Preisvorgaben entwickeln, damit die ewige Kannibalisierung durch Preisdumping untereinander aufhört. Wir könnten Kongresse und Leistungsshows veranstalten, um unserem Berufsstand mehr Öffentlichkeit zu verschaffen und die Leute schulen, damit sie beurteilen können was gutes Design ist.
njuuz: Wie soll das gehen, wie sollen Aufträge gerecht verteilt werden?
Longjaloux: Das Ganze ist noch nicht zu Ende gedacht. Aber das Treffen mit Illigen und Wolf hat trotz aller Konkurrenz untereinander, wieder einmal gezeigt, dass alle froh waren zusammenzusitzen, weil die Probleme überwiegend bei allen die gleichen sind. Wir müssen unbedingt etwas für unseren Berufsstand tun. Gemeinsam sind wir einfach stärker. Der Beirat muss mit Leuten besetzt sein, die genug Überblick und Selbstbewußtsein haben, um Kollegen empfehlen zu können. Dass ein Designbeirat eine gute Sache sein kann, hat Otl Aicher gezeigt. Unter seiner Leitung sind die besten Designer Deutschlands zusammengeholt worden, um das Corporate Design der Olympischen Spiele in München zu gestalten. Heraus gekommen ist eines der besten Erscheinungsbilder der damaligen Zeit.
njuuz: Und wie war nun Eurer Gespräch beim Oberbürgermeister?
Longjaloux: Am 15. Juli haben sich zehn Designer mit ihm getroffen. Außerdem hatte der Oberbürgermeister noch Vok Dams, Illigen und Wolf, Dr. Slawig und weitere Verwaltungsfachleute zum Termin eingeladen, so dass wir ca. 17 Leute waren. Das Fazit aus dem Gespräch war, dass sich jetzt eine Gruppe von Designern zusammengefunden hat, die demnächst den Designbeirat gründen wird. Eine Möglichkeit wird sein, ihn bei der IHK anzusiedeln. Die ganzen Details werden wir jetzt klären. Insgesamt ist das Gespräch sehr konstruktiv verlaufen.
Dirk Longjaloux hat Grafik Design an der Bergischen Universität Wuppertal bei Prof. Klaus Winterhager studiert. Designer die ihn beeinflußt haben sind Milton Glaser, Pierre Mendell und Willy Fleckhaus. Als Nachfolger von Iris vom Hof begann er seine Karriere beim Presse- und Werbeamt der Stadt Wuppertal. Für seine Arbeiten hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Seine Agentur hat ihren Sitz in Wuppertal.
http://www.longjaloux.de/
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen