29.01.2025evangelisch wuppertal
Die Würdebewahrer
Viele Menschen brauchen einen rechtlichen Betreuer. Sinja Ziegenhagen und Tim Querengaesser vom Betreuungsverein der Diakonie Wuppertal unterstützen sie.
Immer mehr Menschen können ihren Alltag nicht alleine bewältigen und haben deshalb einen rechtlichen Betreuer. Sinja Ziegenhagen und Tim Querengässer vom Betreuungsverein der Diakonie Wuppertal unterstützen sie und helfen auch denjenigen, die Angehörige begleiten.
Am Anfang des Jahres steht das Telefon bei Sinja Ziegenhagen und Tim Querengaesser selten still. Neben den Menschen, für die sie eine rechtliche Betreuung übernommen haben, sowie Ärzten, Behörden und Angehörigen melden sich jetzt vermehrt all diejenigen, die erstmals nach Unterstützung fragen.
„Immer mehr Menschen kümmern sich um ihre pflegebedürftigen Eltern, übernehmen für sie rechtliche Betreuungen und fühlen sich damit zuweilen sehr gefordert“, sagt Sinja Ziegenhagen. „Als Betreuungsverein führen wir nicht nur rechtliche Betreuungen selbst, sondern unterstützen auch Angehörige und ehrenamtliche Betreuer:innen bei den vielen Fragen, die sich aus dieser Verantwortung ergeben.“
Denn das kann schnell viel werden mit Behördengängen, Gesundheitsvorsorge, Banken, Versicherungen und Vermieter:innen. In Deutschland werden rund 1,3 Millionen Menschen von Amts wegen betreut, weil sie Unterstützung im Alter oder aufgrund einer psychischen, körperlichen oder chronischen Erkrankung benötigen. Nach einer Prüfung und Entscheidung durch die Amtsgerichte können Familienangehörige, Ehrenamtliche, Berufsbetreuer:innen, die städtische Betreuungsbehörde oder auch Betreuungsvereine eine rechtliche Betreuung übernehmen.
Viel Post, viele Telefonate
In Wuppertal gibt es fünf Betreuungsvereine. Mit zehn rechtlichen Betreuer:innen ist der Verein der Diakonie der Größte. Alle haben ein Studium der Sozialen Arbeit absolviert. Insgesamt führt der Verein rund 350 Betreuungen. Etwa 150 Briefe von Behörden, Banken und Ärzten kommen täglich in den Büros an. Rund 20 Telefonate führt jeder Mitarbeitende pro Tag, erzählt Sinja Ziegenhagen, die zusammen mit ihrem Kollegen Tim Querengaesser die Abteilung „Gesetzliche Betreuung“ leitet.
Telefonieren macht einen Großteil des Arbeitsalltag aus, wie Tim Querengaesser berichtet.
Da geht es etwa um Miete, Strom und Einkäufe, die bezahlt werden müssen, um Anträge auf Pflegeleistungen und eine Haushaltshilfe oder Therapien und Klinikaufenthalte, die zu organisieren sind. Nicht immer liegt alles in der Hand der rechtlichen Betreuer:innen. Die Gerichte entscheiden, für welche Lebensbereiche sie zuständig sein sollen und was die Betroffenen noch selbst erledigen können.
Niemand wird entmündigt
„Es geht immer darum, die Wünsche und Interessen der Betreuten zu berücksichtigen“, betont Tim Querengaesser. „Wir wollen zusammenarbeiten und niemanden entmündigen. Uns ist es wichtig, in engem Kontakt zu den Betreuten zu stehen, wir unterstützen sie bei einer Entscheidungsfindung und vertreten ausschließlich die Interessen der Betreuten. Damit tragen wir zu ihrer Würdebewahrung bei.“ Durch regelmäßige Gespräche und Hausbesuche werden sie in alle Angelegenheiten der Betreuten eingebunden.
Das gilt auch, wenn Behörden, Banken oder Ärzte über den Kopf der Betreuten hinweg entscheiden wollen und dafür einfach nur um die Einwilligung der rechtlichen Betreuer:innen bitten. „Dann frage ich immer nach: Haben Sie auch mit der Person gesprochen, um die es hier geht?“ erzählt Sinja Ziegenhagen.
Finanznöte trotz Reform
Was für die Mitarbeitenden des Vereins schon immer selbstverständlich ist, wurde 2023 mit einer Reform des Betreuungsrechts gesetzlich verankert und die Selbstbestimmung betreuter Menschen gestärkt. Dazu gehört auch, dass alle Schriftstücke ihnen selbst und nicht mehr nur der gesetzlichen Betreuung zugestellt werden.
Sinja Ziegenhagen sortiert die Post, die täglich im Betreuungsverein ankommt.
Mit der Reform ging allerdings keine bessere wirtschaftliche Ausstattung der Betreuungsvereine in Deutschland einher. Die Hälfte schreibt Verluste, einige mussten schon schließen. Auch in Wuppertal plagen den evangelischen Betreuungsverein trotz kommunaler Unterstützung finanzielle Sorgen. Doch noch geht die Arbeit weiter. „Es wäre fatal, wenn wir nicht mehr für die Menschen im Tal da sein könnten und diese wichtige Arbeit nicht fortgeführt werden kann“, sagt Tim Querengaesser.
Eine Schließung der Betreuungsvereine bedeutet auch, dass die Begleitung und Unterstützung für ehrenamtlichen Betreuer:innen und all jene nicht mehr gewährleistet werden könnte, die sich beim Betreuungsverein Rat und Hilfe für die rechtliche Betreuung ihrer Angehörigen holen. „Wir sind zuverlässig da und beraten die ehrenamtlichen Betreuer:innen bei allen Fragen“, verspricht er. „Nicht nur, weil das unser Job ist, sondern weil wir es als unsere christliche Pflicht sehen, Menschen, die es im Leben nicht leicht haben, eine Stimme zu geben.“
Mehr über den Evangelischen Betreuungsverein gibt es hier.
Text und Fotos: Sabine Damaschke
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